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HORSCH weltweit – Strategie für Marktdurchdringung

Die aktuelle Marktsituation beschäftigt viele Unternehmen. Philipp Horsch erzählt im Interview, wie HORSCH seine Kunden unterstützt, wie sich das Unternehmen für die kommenden Jahre aufstellt, warum das Unternehmen weiter stark wächst und wie die Unternehmenskultur dabei hilft, Dinge anzugehen.

terraHORSCH: Wie erlebt HORSCH diese Pandemiezeit?
Philipp Horsch:
Als die Pandemie letztes Jahr im März begonnen hat, war eine große Ungewissheit da. Wir stellten uns natürlich die Frage, welche Auswirkungen das auf unsere Werke und das Unternehmen insgesamt haben wird. Damals waren wir mitten in der Frühjahrssaison, die sehr schwierig war, denn die Auftragslage war hoch und es war unklar, ob Stornierungen kommen. Wir wussten nicht, ob es uns gelingen wird, die verschiedenen Auslandsmärkte serviceseitig von unserer Zentrale gut genug zu unterstützen. Es hat sich dann aber schnell gezeigt, dass unsere Organisationen vor Ort sehr gut aufgestellt waren und das mehr oder weniger selbstständig gut gemeistert haben. Die Bedenken zu Beginn der Corona Pandemie wichen im Laufe des letzten Jahres dann schnell einem stetig zunehmenden Wachstumstrend.

terraHORSCH: Was denken Sie, was zu der stabilen und starken Unternehmensentwicklung der letzten Jahre führt?
Philipp Horsch:
Das ist schwer zu sagen, aber ich glaube schon, dass ein wesentlicher Beitrag beispielsweise die stabilen Getreidepreise sind sowie ein gewisser Investitionsstau, den es in einigen Märkten gab. Ich denke, eine sehr große Rolle spielt außerdem die Unsicherheit der Pandemie. Gerade deshalb wurden vermutlich auch vermehrt Investitionen getätigt, um Vermögenswerte zu sichern, was dann das Wachstum bei uns zusätzlich gefördert hat. Die Wachstumsdynamik in diesem Jahr hat im Verhältnis zu letztem Jahr noch mal zugenommen. Da haben wir gemerkt, dass wir eindeutig schneller als erwartet an Grenzen bei den Produktionskapazitäten stoßen, vor allem in den Bereichen Beschaffung und Produktion haben wir momentan einen Flaschenhals. Deshalb ist es wichtig, aus dieser Dynamik heraus die Weichen für die verschiedenen Regionen richtig zu stellen.

terraHORSCH: Gibt es einzelne Regionen, die bei dieser Wachstumsdynamik besonders herausstechen?
Philipp Horsch:
Die aktuelle Wachstumsdynamik betrifft alle unsere Märkte, allerdings stechen schon ein paar heraus. Russland wächst zum Beispiel sehr stark, Australien hat sich positiv entwickelt und auch in Brasilien und in den USA sind die Märkte stabil und entwickeln sich sehr positiv. Es gibt keine Region, die stockt. Das ist schon fast eine einmalige Situation.

terraHORSCH: Kann das in einzelnen Ländern und Regionen zu Überhitzung führen?
Philipp Horsch
: Wir sind trotz aller Euphorie natürlich vorsichtig und stellen uns sowohl auf Wachstum, aber auch auf mögliches Bremsen ein und darauf, dass wir gegebenenfalls kurzfristig reagieren müssen. Es ist einfach schwierig vorauszusagen, was noch kommt. Einerseits finden wir derzeit eine sehr stabile Getreidepreissituation weltweit vor, die sich für die Landwirte sehr positiv darstellt. Andererseits pumpen beispielsweise fast alle Volkswirtschaften riesige Geldmengen in die Systeme, welche selbstverständlich auch ausgegeben werden wollen. Es gibt also verschiedene Effekte, die sich nicht nur auf unsere Branche, sondern auch auf die Industrieproduktion insgesamt derzeit auswirken, mit der Folge, dass zum Beispiel die Preise massiv steigen und die Inflation damit angeheizt wird. Abschließend können wir aus heutiger Sicht noch nicht sicher abschätzen, wie sich diese Teuerungsspirale auf unsere Produktionskosten auswirken wird. Wir versuchen, damit so moderat wie irgend möglich umzugehen und es so gut wie möglich abzupuffern. Zurück zur Frage nach einer möglichen Überhitzung: Diese Gefahr sehen wir trotz der verschiedenen genannten Sondereinflüsse noch nicht und planen vorsichtig auch mit weiterem Wachstum in den kommenden Jahren.

terraHORSCH: In der Firmengeschichte gab es bereits große Wachstumssprünge. Wie ist man damals damit umgegangen? Gibt es große Unterschiede zu damals?
Philipp Horsch
: Im Vergleich zu früheren Jahren mit prozentual gleichen Wachstumsschüben ist der Wachstumsschub jetzt nominal natürlich viel größer. Ein Unterschied ist zum Beispiel, dass es schwieriger wird, die benötigte Kapazität in der Produktion zur Verfügung zu stellen, wenn der tatsächlich nominelle Wachstumsschub eine gewisse Größe erreicht. Der einzelne Wachstumsschub beispielsweise eines Jahres entspricht dann sogar bis zu einem ganzen Werksumsatz bzw. Standortumsatz – also plötzlich braucht man quasi einen ganzen Standort mehr, und das ist dann schon eine echte Herausforderung! In der Produktion kommt ein Wachstumsschub zwar zuerst an, aber wir spüren diesen natürlich auch in allen anderen Unternehmensbereichen. Da gilt es dranzubleiben und rechtzeitig genug zu reagieren. Bisher ist uns dies immer sehr gut gelungen – unsere gesamte Belegschaft zieht da immer wieder sehr gut an einem Strang und stellt sich flexibel auf die immer wieder neuen Begebenheiten ein.

terraHORSCH: Bei dieser Dynamik – an welche Grenzen stößt das Unternehmen in dieser Zeit?
Philipp Horsch
: Dieses Jahr stehen wir vor besonderen Herausforderungen, denn einerseits ist der Wachstumsschub im Vergleich zu den Vorjahren wesentlich größer, andererseits erleben wir am Rohstoffmarkt teilweise erhebliche Versorgungsprobleme. Praktisch täglich werden wir mit neuen Hiobsbotschaften zu fehlenden Teilen konfrontiert und sowohl die Beschaffung als auch die Produktion müssen laufend flexibel darauf reagieren. Überraschen würde es mich nicht, wenn wir im Laufe dieses Jahres noch mal ein ganz heftiges, nicht schnell lösbares Versorgungsproblem hätten – bis jetzt blieb dies glücklicherweise aus. Aber ganz spurlos geht die Versorgungssituation dann doch nicht an uns und unseren Kunden vorbei: Wir kämpfen dieses Jahr schon auch mit gelegentlichen Verzögerungen bei Auslieferungen. Wir geben da natürlich unser Möglichstes und konnten es bisher fast immer zusammen mit den Vertriebspartnern und Kunden gut lösen.

terraHORSCH: Ist das, was wir bei der gesamten Lieferkette jetzt sehen, eine Folge der Pandemie?
Philipp Horsch:
Ja, ganz klar! Nach einer Vollbremsung in der weltweiten Industrieproduktion Mitte letzten Jahres zieht es seit dem ersten Quartal dieses Jahres in praktisch allen Industriezweigen weltweit wieder extrem schnell an, teilweise sogar bedarfsseitig schon auf über Vor-Pandemie-Niveau! In manchen Schlüsselbereichen geht dann das Hochfahren deutlich schwieriger und langsamer als das Bremsen – das merken wir jetzt bei vielen Dingen! Wenn dann Material knapp wird, gleichzeitig auch noch schnell teurer, dann führt dies auch zu Hortungseffekten, was dann wiederum zu mehr Knappheit führt usw.… Ein Teufelskreis, der eine gewisse Zeit braucht, um sich zu beruhigen. Da sind wir noch nicht durch!

terraHORSCH: Wie arbeiten Sie planerisch, gibt es einen langfristigen Masterplan?
Philipp Horsch:
Betrachtet man unsere Familienunternehmens-DNA, sieht man, dass wir schon seit Langem agil und flexibel unterwegs sind. Uns interessieren in erster Linie die weltweiten ackerbaulichen Themen. Davon abgeleitet definieren wir unsere strategischen Ziele in kurzen Zeiträumen immer wieder neu. Es gehört zu unserer Firmenkultur, Ideen einfach mal auszuprobieren und diese agil umzusetzen. Dementsprechend haben wir unsere Unternehmensstruktur neu ausgerichtet und verteilen nun Aufgaben in einer Unit Struktur auf mehr leitende Köpfe als bisher. Diese Strukturveränderung und die Verteilung auf mehr Menschen soll uns helfen, noch agiler zu werden und damit die Herausforderungen der Zukunft noch besser meistern zu können. Um auf die Frage der Planungsform zurückzukommen: Wir verstehen uns mehr als Organisation, die auf Sicht fährt, als eine Organisation, die einem präzisen langfristigen Plan folgt.

terraHORSCH: Was heißt auf Sicht fahren?
Philipp Horsch:
Wir arbeiten eben nicht nach einem klassischen Fünfjahresplan, sondern blicken immer nur so weit zu den verschiedenen Fragestellungen voraus, wie es sinnvoll ist. Das heißt für uns auf Sicht fahren. Wir bauen zum Beispiel kein neues Werk, weil das irgendein Langfristplan vorsieht, sondern weil wir eben merken, dass wir dieses Werk aus Kapazitätsgründen in den nächsten Jahren brauchen werden. Da schauen wir dann zum Beispiel so weit voraus, wie wir für den Bau einplanen müssen. Das ist sicher ein anderes Vorgehen als in vielen anderen Unternehmen. Aber wir haben noch nie nach Plänen getickt. Auf Sicht werden bei uns in verschiedenen Zeithorizonten Ziele festgelegt und die Entscheidungen getroffen. Und dadurch können wir uns immer wieder sehr schnell auf veränderte Umstände einstellen. Bei klassischen Produkt- und Marketingthemen sind wir sowieso eher kurzfristig und agil unterwegs. Es gibt aber einzelne Elemente, da muss man natürlich weiter vorausschauen. Es gibt Produktthemen, die brauchen eine mehrjährige Vorlaufzeit bei der Grundlagenentwicklung, andere kann man in einem sehr kurzen Zeitraum anschieben und bis zur Serienreife bringen. Wir haben zum Beispiel im Herbst 2020 innerhalb von praktisch wenigen Minuten die Entscheidung getroffen, dass wir das Werk in Ronneburg/Thüringen erweitern, da es sich die Wochen zuvor angedeutet hat, dass wir doch schneller an Kapazitätsgrenzen in den deutschen Werken kommen werden als ursprünglich gedacht. Ich beobachte, dass Organisationen, die mit langfristigen Plänen arbeiten, überproportional damit beschäftigt sind, diese Pläne laufend zu bearbeiten und aus diesem Grund sind wir Verfechter von möglichst wenig langfristigen Planungsroutinen. Das würde einfach zu viel Zeit in Anspruch nehmen, die wir als Organisation besser einsetzen wollen. Gleichzeitig haben wir die Fähigkeit, Entscheidungen sehr schnell zu treffen, seit Jahrzehnten in unserem Unternehmen gefördert. Der Weg ist unser Ziel, nicht der Plan oder das Ziel selbst. Meist ist es besser, nicht alles gleich bis zum Ende durchzudenken, sondern einfach mal loszulaufen. Da kommt unsere Familienkultur durch und wie wir als Eigentümer ticken.

terraHORSCH: Wie sieht dann die „Sicht“ weltweit aus in Bezug auf die Standortentwicklungen und Investitionen?
Philipp Horsch:
Wir sind seit Jahren dezentral unterwegs, das heißt, wir setzen nicht nur auf einen Standort. Wir produzieren an sechs Standorten weltweit, die auf den territorial wichtigen Kontinenten verteilt sind. Wir wollen auch auf all diesen Kontinenten weiterhin produzieren und das möglichst marktnah und flexibel. Konkret sieht es so aus, dass wir, wie bereits erwähnt, das Werk in Ronneburg bis Mitte 2022 erweitern werden. Mit diesem Schritt erreichen wir eine Verdopplung der Kapazität. Gleichzeitig wollen wir, auch bis Ende 2022, am Standort Schwandorf ein neues Lackierwerk bauen, denn mit den Montagekapazitäten muss man die Lackkapazitäten verzahnen. In Landau wollen wir im Pflanzenschutzbereich auch die nächsten Schritte angehen: Kurzfristig werden wir die Montage erweitern und langfristig die Produktion und ebenfalls das Lackierwerk. Damit wachsen alle drei Standorte in Deutschland. In Brasilien haben wir ein Greenfield Projekt und planen an einem neuen Standort in Curitiba ein neues Werk. Brasilien ist ein großer Wachstumsmarkt für uns. Dass wir dort so gut aufgestellt sind, liegt aber auch an dem motivierten jungen Team vor Ort, das unsere Unternehmens-DNA perfekt umsetzt. Auch in Russland sind wir dabei, unsere Produktionskapazitäten deutlich auszubauen. Die Maßnahmen dazu laufen auf Hochtouren. Insgesamt betrachtet werden wir mit diesen weltweiten Investitionsvorhaben in den nächsten zwei bis drei Jahren unsere Produktionskapazitäten nahezu verdoppeln.

terraHORSCH: An welchen Faktoren machen Sie fest, wo ein Standort hinkommt?
Philipp Horsch:
Bei der Auswahl sind eine ganze Reihe von Themen für uns wichtig. Unter anderem die Erreichbarkeit der Standorte, außerdem ob auch Zulieferindustrie im Umfeld vorhanden ist oder welche Industriekultur in einer Region herrscht, zum Beispiel ob dort vermehrt Maschinenbauindustrie ansässig ist oder eher uns artfremde Industrien wie beispielsweise Bekleidungsindustrie etc. Was uns nicht antreibt, sind Förderungen, Incentives oder Steuersätze, sondern wir richten uns in erster Linie an langfristigen Fragestellungen aus, vor allem an den Menschen und den Kunden. Weiterhin schauen wir uns an, welche Regionen wir aus dem Standort heraus beliefern wollen, denn die Wege zu unseren Kunden sollen möglichst kurz sein.

terraHORSCH: Wie bringen Sie Produktions-Know-how und die Unternehmenskultur an neue Standorte?
Philipp Horsch:
Im Idealfall finden wir vor allem die Führungspersonen eines Standorts frühzeitig und bilden diese so lange wie möglich bei uns in Schwandorf aus. Wünschenswert ist da schon ein halbes bis ganzes Jahr. Dadurch ist die Unternehmenskultur und die Art und Weise, wie wir arbeiten, gleich beim Führungspersonal geprägt. Ein weiterer Vorteil daraus ist, dass gleich Netzwerke vorhanden sind zwischen der Mutter und der Tochter. Das macht die Kommunikation für alle wesentlich einfacher. Dort, wo uns das bisher gelungen ist, waren die Erfahrungen damit und die Auswirkungen sehr gut.

terraHORSCH: Wie sieht es mit Produktentwicklungen aus?
Philipp Horsch:
Unser Ziel ist die weltweite Verzahnung der Produktentwicklung mit der Produktionsstrategie. Derzeit entwickeln wir Produkte an vier Standorten: zwei in Deutschland, in Brasilien und in den USA. Eine große Herausforderung ist hierbei die Verzahnung der Standorte. Auf der einen Seite drängt jeder Standort auf Eigenständigkeit, auf der anderen Seite wollen wir sie miteinander und der Mutter verzahnen. Das beginnt bei der IT-Infrastruktur, wie CAD-, ERP- und PLM-Systemen. Und natürlich müssen auch alle anderen Bereiche, wie zum Beispiel Service, Marketing oder Vertrieb verzahnt werden. Unsere Strukturveränderung in Richtung agilere ProductUnit Struktur wird uns hierbei auch helfen. Da bekannterweise durch die Produktentwicklung sehr viel festgelegt wird, ist es unser Ziel, weltweit möglichst nach gleichen Standards zu entwickeln. Nicht zwanghaft, sondern in sinnvoller Weise, mit dem Ziel, dann flexibel über den Globus verteilt zu fertigen und ggf. auch Produktionen schnell zu verlagern – je nach Bedarf. Dadurch wollen wir auch dem immer größeren Risiko der Währungsschwankungen besser begegnen. Diese sind zunehmend ein betriebswirtschaftliches Unternehmensrisiko für uns. Gerade im letzten Jahr hatten sie deutlich negative Auswirkungen auf das Unternehmensergebnis.

terraHORSCH: Was führt Ihrer Meinung zu der insgesamt positiven Entwicklung im Unternehmen?
Philipp Horsch:
Am Ende ist es der HORSCH Stil, die DNA des Unternehmens, also die Art und Weise, wie wir arbeiten. Wir richten uns seit Jahrzehnten entsprechend unserer Unternehmenspassion strategisch aus. Wir wollen in intensiven Austausch mit den Ackerbauern dieser Welt kommen und auch bleiben und gemeinsam voranschreiten. Wir haben Freude an den landwirtschaftlichen Themen dieser Welt, an Veränderungen in der Landwirtschaft und damit einhergehenden Herausforderungen. Themen, die für andere vielleicht als Bedrohung erscheinen, sind für uns Ansporn. Egal ob Green Deal, Themen wie Klimaschutz, Naturschutz oder Pflanzenschutz, irgendwelche Einschränkungen oder die Ernährungs- und Gesundheitsdiskussion – wir sehen das als Chance. Wir gehen diese Dinge gemeinsam mit unseren Kunden proaktiv an. Diese Art zu arbeiten, macht uns viel Freude. Das funktioniert sehr gut in der Organisation. Es ist zwar nicht immer alles perfekt, aber wir arbeiten mit Leidenschaft und erzielen gute Ergebnisse.