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Ein neuer Geist

Pauline und Paul-Henri Leluc kommen eigentlich aus dem kaufmännischen und dem journalistischen Bereich. Vor 14 Jahren haben sie aber wieder auf die Landwirtschaft umgesattelt. Sie entschieden sich nicht nur für vielschichtige, sondern auch außergewöhnliche Produkte. Zum Beispiel Wodka. terraHORSCH berichtet über das Abenteuer zweier Träumer, die sich durch nichts abbringen lassen.

Die Historie ihrer Familie, der Fortbestand des Betriebes und der Wunsch, ihren vier Kindern ein erfülltes Leben zu bieten – das waren die Gründe, warum Paul-Henri Leluc im Jahr 2007 die Landwirtschaft seines Großvaters in der französischen Region Beauce übernahm. „Die Rückkehr nach Faronville ist für mich die Rückkehr zu einer Lebensweise, die uns unseren Wurzeln wieder näherbringt. Dabei ermöglicht sie uns das, was wir uns am meisten für unsere Kinder wünschen: auf einem Bauernhof zu leben, dort unseren Arbeitsplatz zu haben, etwas Erfüllendes zu tun, aber vor allem vor Ort etwas von Dauer auf die Beine zu stellen – nicht nur auf unseren Feldern, sondern auch in der Gesellschaft. Unser Betrieb ist mehr als nur ein berufliches Projekt. Es geht um ganzheitliches Denken und Ausgeglichenheit.“

Paul-Henri Leluc legt großen Wert auf zwischenmenschliche Dinge. Dies überträgt er auf seine Mitarbeitenden und Auszubildenden und das ist ihm auch wichtig in der Beziehung zu seinen Kunden. Außerdem treibt ihn seine Neugier an und motiviert ihn, die Dinge immer weiter zu entwickeln.

Erweiterung der Fruchtfolge   

Über viele Jahre hinweg war die Fruchtfolge sehr eng. Sie bestand aus Weizen, Zuckerrüben und Sommergerste. Rüben waren die Hauptfrucht, sie wurden alle drei Jahre angebaut, manchmal sogar alle zwei. Es entwickelten sich Krankheiten, zudem sanken die Erträge massiv. Schnellkäfer beziehungsweise Drahtwürmer und Rhizoctonia richteten enorme Schäden an. Außerdem gab es Probleme mit Weißem Gänsefuß, sodass fünf Überfahrten mit Herbiziden für die Bekämpfung nötig waren. Trotzdem gelang es nicht, die Schläge sauber zu halten. Mit dem Ende der Zuckerrüben-Quote wurde auch Paul-Henri Leluc schließlich klar, dass es Zeit für eine neue Zukunftsstrategie war. Er sagt: „Die Rahmenbedingungen der Landwirtschaft ändern sich ständig. Daran müssen wir uns immer anpassen.“
Also begann er, eine weitere Fruchtfolge einzuführen und gleichzeitig die Bodenbearbeitung zu reduzieren. „Ich hatte mehrere Ziele: den Unkraut- und Schädlingsdruck zu senken, Kosten einzusparen, meine Böden zu sanieren, Nährstoffe zuzuführen und den Zuckerrübenanbau abzuschaffen. Letzteres, weil er einfach zu viele Risiken brachte. Ich fing mit einer Fruchtfolge bestehend aus Weizen, Gerste, Kartoffeln, Weizen, Weizen, Gerste und Mais an. Dabei integrierte ich immer Zwischenfrüchte. Um die Humusbildung anzuregen, säte ich nach jeder Ernte eine Mischung aus Phacelia, Senf, Sonnenblumen, Ackerbohnen und Rettich. Dieses Gemenge setzt das Stroh um, sorgt dank des verzweigten Wurzelsystems für eine bessere Struktur des Bodens und vorsorgt nach dem Umbruch den Boden und die nachfolgende Kultur mit Nährstoffen. Der Vorteil sind die niedrigen Kosten, die in einer Größenordnung von 55 €/ha liegen.
Mein Vorgehen orientiert sich am größtmöglichen Nutzen, hängt aber auch sehr stark vom Wetterbericht ab. Ziel ist immer, Erträge und Nährstoffmanagement zu optimieren. Ich werde zum Beispiel nie Weizen nach Weizen säen, wenn sich die Zwischenfrucht nicht entsprechend entwickeln konnte.“

Geeignete Maschinen

„Unsere Avatar 12 SD passt optimal zu unserer Strategie der konservierenden Landwirtschaft. Diese Sämaschine ist pro Meter Arbeitsbreite gesehen günstiger als die 8-m-Version, kann auf 25 cm säen und es gibt die Möglichkeit, die Saatstärke auf 300-350 Körner/m² zu reduzieren, um bei Hartweizen den Krankheitsdruck zu senken. Sie ist auch wendiger als die 8-Meter-Maschine. Wenn meine Kalkulation nicht aufgeht, ist auf jeden Fall der Wiederverkaufswert gesichert. Letztendlich gehe ich mit dem Kauf dieser Maschine kein Risiko ein: Wenn sie funktioniert, behalte ich sie. Wenn sie nicht funktioniert, kann ich sie ohne großen Wertverlust verkaufen.
Da sich die Scheiben- und Zinken-Direktsaatmaschinen ergänzen, haben wir auch einen HORSCH Sprinter 8 CO mit Schmalscharen für die Zwischenfrucht-Aussaat in Stroh im Sommer. Diese Sämaschinen sind wichtige Bestandteile unserer Strategie, Zeit zu sparen. Wir steigern damit auch die Bearbeitungsqualität auf den Flächen für Kartoffeln und für die Erzeugung der Spirituosen. Kartoffeln haben zwar einen höheren Deckungsbeitrag als Weizen, aber bei der konservierenden Landwirtschaft ist das Risiko dabei zu hoch. Der Kontakt des Strohs mit der Schale ist eine Ursache für Krankheiten.“ Mais wird mit dem StripTill-Verfahren gesät.

Grundlegende Veränderungen

Ein Jahr lang arbeitete Paul-Henri Leluc auf die konventionelle Art, merkte aber schnell, dass er sich nur im Kreis dreht. Daraufhin forcierte er den Verkauf der Kartoffeln. „Ein Nachbar hat mir einen Hektarkontrakt angeboten, aber ich habe abgelehnt. Ich wollte meine Kartoffeln lieber selbst produzieren und sie dann weiter verkaufen.“ Ein Jahr später, als er verstanden hatte, wie das System funktioniert, investierte er in ein Gebäude zur Lagerung und Aufbereitung und begann, seine Produktion zu vermarkten. Zunächst in Rungis, dem größten Großmarkt in Frankreich, dann in Italien, Spanien und Portugal. Um mehr Marge zu generieren, sortiert er die Kartoffeln. „Dadurch stelle ich eine 95%ige Bezahlung der gelieferten Ware sicher – ohne Einbußen wegen Erdanhangs oder nicht konformer Größe.“

Das Geschäft lief gut, aber Paul-Henri Leluc suchte eine neue Herausforderung. „Ich brauche immer neue Projekte. Ich liebe es, wenn auf einem Hof etwas los ist. Ich hatte das Bild der Betriebe von früher im Kopf oder von Weingütern, wo immer reges Treiben herrscht.“
Der Auslöser war schließlich ein von Valtra organisierter Aufenthalt in Finnland. Dort besichtigte er eine Schnapsbrennerei und nahm an einer Wodka-Verkostung teil. „Ich war schon immer ein Fan von schottischem Whisky. Wodka hatte mich bis dahin nie besonders interessiert. Aber das hat sich nun komplett geändert. Ich habe darin Potenzial für unseren Betrieb gesehen. Wodka auf Kartoffelbasis passt genau in unser Modell.“
Das Ende der Zuckerrübenquote hätte eine Zahlung von 140 000 € für die Erzeugungsrechte erforderlich gemacht. Doch warum zahlen, wenn die Rentabilität sowieso gerade im freien Fall ist? Das Geld konnte besser in andere, rentablere Projekte gesteckt werden. Paul-Henri Leluc ging also das Risiko ein. Er stellte einen Businessplan auf Grundlage seiner Begeisterung für Spirituosen auf und fand bei der Bank tatsächlich Unterstützung für seinen gewagten Plan. Er kaufte eine Destillieranlage, die er auf dem Betrieb in Faronville aufbaute. „Ich habe damit auf die Zukunft gesetzt: Wodka ist in den französischen Trinksitten eigentlich nicht verankert und der Markt liegt in den Händen von einigen wenigen Produzenten. Das ist ein geschlossener Kreis und man muss sich alles selbst beibringen.“
Aber Paul-Henri Leluc hat sein Wissen nicht aus einem Handbuch für Chemie: „Ich habe Kurse in der Destillerie Ergaster in Noyon im Department Oise gemacht. Entscheidend ist die Methode, die Kartoffel zu verflüssigen. Und natürlich muss man die ideale Sorte zu finden, was Geschmack und Konsistenz angeht. Bei der Filtration habe ich viel rumprobiert. Die Hefe ist sozusagen das Zaubermittel, das den Zucker in Alkohol verwandelt. Je nachdem, ob der Umwandlungsprozess mehr oder weniger schnell abläuft, ist der Geschmack ganz unterschiedlich. Das Reifen und die Aufbewahrung in der Flasche haben ebenfalls einen großen Einfluss auf die Qualität.“
Über den Herstellungsprozess hinaus waren natürlich auch viele behördliche Schritte nötig - beim Zoll und beim Amt für Wettbewerb, Verbraucherschutz und Betrugsbekämpfung. Die Herstellung von Alkohol wird streng kontrolliert. „Das hat mich wieder etwas auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt“, räumt Paul-Henri Leluc ein. „Aber ab dem Zeitpunkt, als ich die Destillieranlage gekauft hatte, gab es kein Zurück mehr.“

Ein anderer Geist

Wegen der Preisvolatilität bei Getreide und der hohen Kosten für den Erwerb von Flächen versuchen viele Landwirte, ihre Margen zu erhöhen, indem sie die Produktionskosten senken. Bei Paul-Henri Leluc ist das nicht der Fall. „Wir haben, was die Reduzierung der Aufwendungen angeht, schon eine Untergrenze erreicht. Eventuell könnten wir noch 25 bis 30 € einsparen, aber wir werden uns in Zukunft mehr darauf konzentrieren, den Umsatz pro Hektar zu erhöhen“, erklärt er. „Heute liegen wir bei 1,5 Millionen Umsatz auf unseren 260 Hektar.“
Die Neuerungen sind – über alle Geschäftsbereiche gesehen – also durchaus einträglich. Aber es ist auch schwierig, sie praktisch umzusetzen. „Ich tausche mich mit anderen Landwirten über konservierende Landwirtschaft und über die Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln aus, aber nicht über den innovativsten Teil meines Projekts, die Schnapsbrennerei. Da lässt sich keiner in die Karten schauen, weil ich ja ein Wettbewerber bin. Ich habe viel gelesen und mich intensiv mit einer ganzen Reihe von Themen befasst. Aber vor allem habe ich an mich und mein Projekt geglaubt. Mit diesem Projekt kann ich mich selbst verwirklichen. Und es bestätigt meine Entscheidung, es anders zu machen. Es schmerzt schon, wenn man keine Unterstützung bekommt oder wenn man merkt, dass die anderen an dem zweifeln, wovon man selber so überzeugt ist. Aber die Zufriedenheit und der Stolz, die man empfindet, machen das wieder wett.“

Marketing ist wichtig

Marketing ist auch in der Landwirtschaft von großer Bedeutung. Hier hat Paul-Henris Frau Pauline das Sagen – genauso wie beim Vertrieb und den administrativen Dingen: „Ich verstehe Marketing als Kommunikationswerkzeug, das den Kunden Authentizität vermittelt. Schöne Bilder und das in Szene setzen des Alltags steht ja nicht im Widerspruch zu Ehrlichkeit. Jeder Landwirt kann ehrliches Marketing machen. Er verkauft ja nicht den Schein, sondern das Sein! Unter diesem Gesichtspunkt möchten wir den Hashtag #venezvérifier (= „komm und sieh selbst“) in den sozialen Netzwerken bekannt machen.
Die Geschichten, die wir erzählen, zeigen, dass wir uns darüber freuen, die Verbraucher bei uns zu empfangen. Nichts sagt mehr aus! Man darf niemals lügen. Deshalb thematisieren wir auch Pflanzenschutzmittel. 50 % unserer Kunden fragen ohnehin danach. Wir merken also, dass das ein sehr wichtiges Thema für sie ist.“

Landwirte arbeiten ja im primären Sektor und es hat einige Zeit gedauert, bis die Lelucs mit dem Medium Instagram vertraut waren. Le Monde, L’Express und Le Point haben den Betrieb durch die sozialen Netzwerke kennengelernt. Man sollte sie also nicht unterschätzen! Durch diese Verbindungen entstehen Kontakte, die sich zu Freundschaften entwickeln können, was wiederum den Weg für andere bereitet.
Über das In-Szene-Setzen des Lebens als Landwirt beziehungsweise Produzent hinaus mussten sie auch über Verpackungen nachdenken und über die Art und Weise, wie man die Produkte und die Arbeit auf dem Hof auf Fotos präsentiert: zum Träumen anregen, ohne ein zu sehr geschöntes Bild wiederzugeben. Zum Träumen anregen und sich nicht von diesen Träumen abbringen lassen. „Für uns ist es wichtig, dieses authentische Marketing auf Dauer anzulegen und so eine echte Geschichte zu schaffen. Ich habe mich dafür entschieden, unserem Produkt und unserem Betrieb eine Seele zu geben. Wenn irgendwann mal in 200 Jahren ein Foto von uns in der Brennerei hängt und unser x-tes Enkelkind den Betrieb weiterführt, dann würde mich das wahnsinnig stolz machen.“

Zu guter Letzt

Paul-Henri und Pauline Leluc sind Landwirte, Produzenten und sie sind erfinderisch. Aber ihre Welt dreht sich nicht ausschließlich um den Betrieb. Ihre wirtschaftlichen Aktivitäten kreisen um das, was ihnen am wichtigsten ist: ihre Kinder. „Wir möchten ihnen zeigen, das ein weltweites Gleichgewicht möglich ist: Arbeit und Familie, finanzieller Erfolg und Landwirtschaft, Schaffung von Arbeitsplätzen und Leben auf dem Land, Umwelt und Produktivität. Was den letzten Punkt angeht, haben wir eine Vielzahl von Versuchen durchgeführt und engagieren uns im Global G.A.P., einem weltweiten Zusammenschluss zur Förderung der Guten Agrarpraxis (G.A.P.), und dem Label HVE (Haute Valeur Environnementale = ökologisch wertvoll).
Zum Abschluss ist Paul-Henri Leluc noch wichtig: „Was ich den Lesern von terraHORSCH gerne mit auf den Weg geben möchte: Man darf sich nicht auf nur einen Weg beschränken und sich darin festbeißen. Jeder Fehler ist eine Gelegenheit, sich weiterzuentwickeln. Hören Sie auf die Verbraucher, beobachten Sie, was die Nachbarn machen, lassen Sie sich von Berufskollegen im Ausland inspirieren – das ist wichtig, um offenzubleiben. Die Welt der Landwirtschaft verändert sich dermaßen, dass es illusorisch wäre zu hoffen, dass man ein Leben lang mit denselben Methoden arbeiten kann. Ich bin auch offen für Bio-Anbau und ich werde weiterhin viele verschiedene Hebel ansetzen, damit meine Ackerbaustrategien Erfolg haben.“