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Gesunder Boden – gesunde Pflanzen

Joe Wecker bewirtschaftet einen 9.000-Acres Betrieb in Kanada. Dort arbeitet er nicht nur nach den Prinzipien des ökologischen Landbaus, sondern verwendet gezielt Begleit- und Mischkulturen und verbessert die Bodengesundheit durch das Ausbringen von Pflanzenhilfsstoffen. Für terraHORSCH berichtet er über seine Erfahrungen.

Begleit- und Mischkulturen, Hilfsstoffe, Bodengesundheit sowie eine vielfältige Fruchtfolge – um diese Themen ging es bei den Artikeln des Beraters Joel Williams in den vergangenen Ausgaben von terraHORSCH. Einer, der dies in der Praxis anwendet, ist Joe Wecker, deutschstämmiger Farmer aus Regina Plains im Süd-Osten der Provinz Saskatchewan, Kanada. Sein Familienbetrieb, den er mit seinem Vater und zwei fest angestellten Mitarbeitern bewirtschaftet, liegt etwa in der Mitte zwischen Winnipeg und Calgary. Das ist gute 100 km nördlich der US-amerikanischen Grenze. Die Gegend ist extrem flach, es gibt keinerlei Windschutzgehölze. Pro Jahr fallen durchschnittlich 380 mm, in den letzten vier Jahren allerdings bedeutend weniger – ganze 50 mm pro Jahr. Allerdings hat es diese Saison endlich wieder einmal Niederschläge gegeben. Die Winter in den Regina Plains sind sehr kalt, bei warmen Sommern.

Die Wecker Farms liegen an einer Landstraße. Auf der einen Seite befinden sich zwei Wohn- sowie die Betriebsgebäude, inklusive einer imposanten Siloanlage mit Trocknung und Reinigung. Weshalb Letzteres wichtig ist, dazu später mehr. Nur wenige Meter entfernt auf der anderen Straßenseite sind weitere Silos. Farm und Inventar machen einen topp-gepflegten Eindruck. Traktoren und Mähdrescher kommen hauptsächlich von John Deere. Auf dem Betrieb laufen ein 9560RT, ein 8370RT, ein 6215RT sowie ein Fendt 1050 Vario, zwei Mähdrescher mit 14-m-Schneidwerk und zwei Schwadmäher mit 12 m Arbeitsbreite. Gesät wird mit einer 18-m-Maschine mit Flüssigdüngung. Darüber hinaus gibt es einen Feingrubber für die Bodenbearbeitung im Frühjahr, Striegel und Hackgeräte sowie einen Rollstriegel. Der Transport des Erntegutes erfolgt ab Mähdrescher mit einem Überladewagen und ab Feldrand dann mit drei Auflieger-Lkw.

Bewirtschaftet werden über 3.500 ha, 2.500 davon ökologisch, der Rest ist in der Umstellung. „Aber alles davon regenerativ“, sagt Joe Wecker. Deshalb schätzt der Farmer seine Maschinenausstattung auch als verhältnismäßig üppig ein. Regenerative Landwirtschaft bedeutet für ihn zum einen eine Vielfalt an Kulturen, die Kombination von Kulturen untereinander sowie Zwischenfrüchte und Gründüngung. Außerdem setzt er auf den gezielten Einsatz von Pflanzenhilfsstoffen. Angebaut werden: Durum-Weizen, Sommer-Weizen, Hafer, Flachs, Luzerne zur Saatguterzeugung, Khorosan-Weizen, Dinkel, Einkorn, Erbsen, Linsen und Kichererbsen.

Er setzt flexibel verschiedene Begleitkulturen ein, je nach Fruchtfolge. Dies sind zum Beispiel: Getreide/Getreide-Klee, Getreide-Luzerne, Kichererbsen-Flachs, Erbsen-Senf, Erbsen-Hafer oder Gerste, Linsen-Hafer, Linsen-Brassica sowie Brassica-Erbsen-Klee.

Weniger Risiko

Aber warum macht er das? „Intercropping, also der Anbau von Begleit- und Mischkulturen, bedeutet mehr Biodiversität“, ist der Landwirt überzeugt. „Das hat positive Folgen für die Bodenfruchtbarkeit, auf nützliche Insekten, die Förderung von Mykorrhiza, den Nährstoffaustausch - besonders gut zu sehen bei Erbsen als Begleitkultur, Synergien beim Wachstum, keine Konkurrenz, es ist weniger Düngung nötig, mehr Bodenabdeckung, weniger Unkräuter, eine schnellere Zersetzung von Ernterückständen. Und: Risiko-Reduzierung, besonders in sehr trockenen Jahren.

Gute Erfahrungen habe ich zum Beispiel mit Hafer in Kombination mit Erbsen gemacht. Sie haben eine komplett andere Wurzelstruktur, die auch in der Funktion völlig unterschiedlich ist. In den verschiedenen Bereichen herrschen andere pH-Werte und auch die Nährstoffe werden auf anderem Weg freigesetzt. Wenn man die Pflanzen ausgräbt, kann man sehr gut die Knöllchenbakterien erkennen, die den Stickstoff fixieren. Ein anderes Beispiel ist die Kombination von Gelbsenf mit Ahornerbsen. Wir machen das vor allem, weil die Erbsen vor der Ernte gerne ins Lager gehen. Der Senf stützt sie aber, so dass es kaum Probleme beim Mähdrusch gibt. Das funktioniert hervorragend. Denn Ahornerbsen sind deshalb eigentlich recht schwierig anzubauen. Daher erzielen wir für sie einen hohen Preis. Der Senf hilft uns dabei“, meint der Landwirt.

Oder Bio-Flachs mit Kichererbsen. „Das haben wir drei Jahre in Folge angebaut“, erzählt Joe Wecker. „Normalerweise müssen Kichererbsen um die fünf oder sechs Mal mit Fungiziden behandelt werden. Aber als Bio-Betrieb haben wir diese Möglichkeit ja nicht. In dieser Kombination haben wir aber die Erfahrung gemacht, dass wir so überhaupt keine Fungizide brauchen. Es gibt da irgendwelche Vorgänge, vermutlich im Boden, die das unnötig machen. Das ist ganz deutlich erkennbar.

Eine weitere Kombination, die wir gerne nutzen, ist Bio-Einkorn mit Klee als Untersaat. Denn eins ist mir wichtig: Intercropping, so der englische Begriff, bedeutet für mich nicht nur die Verwendung von Mischkulturen, bei denen beide Partner genutzt werden. Für mich umfasst das auch Begleitkulturen, bei denen nur eine der Kulturen aus der Kombination geerntet wird. Besonders gerne nutze ich das beim Getreide, wie etwa bei Hafer und Erbsen. Das ist überhaupt eine meiner Lieblingskombinationen. Auffällig ist da immer, wie gesund die Blätter sind. Noch ein Beispiel ist Hafer mit Kapuziner-Erbsen. Letzteres ist eine besondere Sorte, die für den Landwirt eine Herausforderung darstellt. Gemeinsam mit dem Hafer ist das viel einfacher. Vor allem der Unkrautdruck ist geringer.“

Positive Effekte

Joe Wecker schildert noch eine weitere Möglichkeit: Sommerweizen mit Luzerne als Untersaat. Gerade bei der Erzeugung von Luzerne zur Saat gibt es seiner Erfahrung nach in den Folgejahren immer wieder einiges an Aufwuchs. Obwohl sie dann gezielt als Begleitpflanze genutzt wird, muss er aufpassen, dass der Luzerne-Anteil nicht zu hoch wird. Dann hat das Getreide bessere Chancen, die Luzerne zu überholen. Der positive Effekt, den Joe Wecker feststellen konnte, sind 1,5 bis 2 % mehr Eiweiß beim Weizen. Und das ohne Einbußen beim Ertrag. Eine Untersaat mit Luzerne eignet sich also hervorragend, wenn man einen höheren Eiweißgehalt beim Weizen erzielen will. Auch Gelbsenf mit Ahornerbsen funktionieren seiner Erfahrung nach gut. Der Mähdrusch sei problemlos mit nur ein paar veränderten Einstellungen an der Maschine durchführbar.

Die Effekte beim Intercropping sieht man laut Joe Wecker sofort. Gleich im ersten Jahr waren bei den Kombinationen Flachs-Kichererbsen sowie Flachs-Linsen keinerlei Fungizide mehr nötig. Bei der Bodengesundheit dauerte es etwas länger. Er hat über einen Zeitraum von drei Jahren die Düngeintensität nach und nach verringert und ist jetzt im Vergleich zum Anfang bei der Hälfte. In diesem Zeitraum hat sich das Bodenleben verbessert, bei stabilen Erträgen. Dass die Pflanzen nicht so mit Stickstoff vollgepumpt sind, sei für sie aber auch insgesamt besser. Der Druck von Pilzen und tierischen Schädlingen nimmt deutlich ab.

Großen Wert legt Joe Wecker auf Boden- und Nährstoffanalysen. „Wichtig dabei ist mir der Zusammenhang, was im Boden ist und was in der Pflanze“, sagt er. „Oder vielmehr: Was ist im Boden und was ist nicht in der Pflanze. Denn es ist nicht automatisch so, dass alles aus dem Boden auch für die Pflanze verfügbar ist. Dafür braucht es ein intaktes Bodenleben. Deshalb führen wir nicht nur Bodenuntersuchungen, sondern immer auch Gewebetests bei den Pflanzen durch. Stellen wir dabei Auffälligkeiten fest, wissen wir, dass wir etwas für ein gutes Bodenleben tun müssen. Zusätzlich zu unseren Misch- und Begleitkulturen, die darauf ja auch positive Auswirkungen haben.

Egal ob bio oder konventionell – auf all unseren Flächen bringen wir Stimulanzien aus, damit speziell im Wurzelbereich das Bodenleben gefördert wird. Es bekommt so einen Schub, damit einige der bisher nicht verfügbaren Nährstoffe für die Pflanze verfügbar gemacht werden können.“

Regelmäßige Analysen

Die Gewebetests werden auf den Wecker Farms mindestens einmal jährlich gemacht. Stellt er beim Vergleich mit den Bodenanalysen fest, dass Nährstoffe für die Pflanzen nicht verfügbar sind, werden diese ausgebracht.

Meistens ist es Bor, das gemeinsam mit Algenextrakt und Fulvosäure gespritzt wird. Das kostet nicht viel. Und Schaden richtet er damit nach eigenen Angaben auch keinen an. Aber er erzielt diesen kleinen Schub fürs Bodenleben.

Doch zurück zu den Boden- und Pflanzenuntersuchungen. Joe Wecker beschreibt uns die Ergebnisse einer Analyse einer seiner Flächen, die noch konventionell bewirtschaftet wird. „Hier ist die Kultur Flachs. Phosphor habe ich dort keinen ausgebracht. In der Analyse ist zwar nur halb so viel Stickstoff, wie es eigentlich sein sollte. Ich habe mir da aber überhaupt keine Sorgen gemacht. Und der Bestand entwickelte sich auch wirklich gut. Früher war es immer unser Ziel, wie wir mit einem hohen Aufwand einen möglichst hohen Ertrag bekommen. Heute machen wir eigentlich das Gegenteil: Wir schauen, wie wenig Aufwand nötig ist, um keine Erträge zu verlieren.

Das Refraktometer haben wir während der Vegetationsperiode immer dabei. Damit stellen wir ganz schnell draußen fest, wie gut die Pflanzengesundheit ist. Anhand des Zuckergehaltes merken wir, ob Defizite da sind. Falls ja, machen wir sofort einen Labortest, um Klarheit zu bekommen. Bringen wir beispielsweise Bor aus, mischen wir noch Fulvosäure, Algenextrakt und ein bisschen Zucker hinzu. Zucker ist dabei gut für die Nützlinge.“

Es ist nicht automatisch so, dass alles aus dem Boden auch für die Pflanze verfügbar ist. Dafür braucht es ein intaktes Bodenleben.

Konsequentes Handeln

Die Umstellung des Betriebes auf ökologische Wirtschaftsweise begann vor fünf Jahren. Auf die Frage nach dem Warum antwortet der Farmer: „Zum einen ernähren wir uns selbst schon seit einiger Zeit bio. Zum anderen haben wir auf dem Betrieb Bodendegradierungen festgestellt. Dadurch sind wir auf Intercropping gekommen. Parallel dazu haben wir vieles hinterfragt und versucht, Verbindungen zu erkennen. Oft merkt man kleinere Dinge ja erst, wenn daraus größere Probleme werden. Und dann fängt man an, nachzudenken.

Was die Erträge angeht, sind die Rückgänge wirklich nur minimal, wenn ich es mit meinen Nachbarn vergleiche. Es kommt aber sehr auf die Frucht an. Bei Gerste und Flachs zum Beispiel merkt man fast gar nichts, bei Weizen sind es 10 bis 15 %. Gerade hier ist die Sortenwahl wichtig: Moderner Weizen bringt gute Erträge nur bei optimaler Nährstoffversorgung. Daher benutzen wir lieber ältere Sorten, die meist immer noch auf dem Markt sind. Ansonsten gibt es oft Restbestände. Gerste wiederum ist da unserer Erfahrung nach weniger empfindlich.

Die Erträge sind aber nicht alles. Ich diskutiere oft mit den Mühlen, die ich direkt beliefere. Aus diesem Grund wird das Getreide auch sorgfältig gereinigt und getrocknet. Von meinen Kunden bekomme ich oft zu hören: Wir mögen Ihr Getreide sehr gern. Unser Brot bekommt dadurch einen besseren Geschmack. Ich habe ja vorhin schon gesagt: Unsere Kunden werden künftig nicht nur für die Menge bezahlen, sondern auch für andere Dinge. Beispielsweise auch für Kichererbsen, die komplett ohne Fungizideinsatz erzeugt wurden.

Regenerative-Bio-Landwirtschaft zu betreiben, war schon seit Längerem mein Wunsch. Die Bodengesundheit und vor allem, was wir daran verbessern können, hatte ich schon immer im Fokus. Bei allem, was wir tun, ist das unser Bestreben. Denn ein gesunder Boden sorgt für gesunde Pflanzen. Ähnlich ist das mit den Insekten. Wir schauen sehr darauf, Bienen und anderen Nützlingen auf unseren Feldern einen guten Lebensraum zu bieten. Intercropping ist da ideal, denn wir schaffen hier automatisch Bereiche, wo Insekten bestens gedeihen können.

Und nicht zuletzt bin ich davon überzeugt, dass unsere Kunden an uns eine höhere Erwartung haben, als dass wir immer nur so weitermachen wie bisher. Dies wird nicht nur ein wichtiger Grund für sie sein, mit uns zusammenzuarbeiten. Sie werden das auch honorieren.“