Im Reich der Mitte
China – ein Land von beeindruckender Größe und Vielfalt. Das stellt auch die dortige Landwirtschaft vor besondere Herausforderungen. In China leben 18 % der Menschen weltweit, der Anteil an der globalen Ackerfläche beträgt dagegen nur 9 %. HORSCH ist hier seit dem Jahr 2016 mit einer eigenen Niederlassung, der HORSCH Agricultural Machinery CO. LTD, präsent.
Diese befindet sich in Harbin im Nordosten Chinas, mitten in der Schwarzerde-Region des Landes. Von hier aus betreut das chinesische HORSCH Team im ganzen Land die Kunden mit vielen unterschiedlichen Gegebenheiten und Anforderungen.
Patrick Paziener vom HORSCH Service ist erst vor Kurzem nach China gezogen, um seine Kollegen vor Ort zu unterstützen. Als Agrarwissenschaftler hatte er bereits zuvor in China in einem Ackerbau- und Landmaschinenprojekt gearbeitet, an dem HORSCH als Partner beteiligt war. Bei einem Besuch in Schwandorf sprach er mit terraHORSCH über seine Arbeit und seine Eindrücke.
Logistik und Betreuung
Eine entscheidende Rolle, um den Kunden die Maschinen in einem Land dieser Größe überhaupt bereitzustellen, spielt die Logistik. Allein rund 45 Tage lang sind die Maschinen in Containern von Deutschland nach China unterwegs. Am HORSCH Standort in Harbin werden sie dann endmontiert und zu ihren Bestimmungsorten weitertransportiert. Neben der Montagehalle gibt es in Harbin auch einen Showroom, der außerhalb der Saison für die Schulung von Kunden und Händlern genutzt wird. Derzeit arbeiten bei HORSCH China insgesamt 13 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eng und in familiärer Atmosphäre zusammen. „Natürlich gab und gibt es eine gewisse Sprachbarriere“, erzählt Patrick Paziener. „Aber jeder gibt sich Mühe und daher funktionieren die Kommunikation und die Zusammenarbeit gut und effektiv. Man geht hier besonders höflich und respektvoll miteinander um. Das hilft, Hindernisse zu überwinden und Probleme zu lösen. Wir arbeiten wirklich sehr erfolgreich zusammen.“
Landwirtschaft in China
Die Größe der landwirtschaftlichen Betriebe in China variiert erheblich. Der landesweite Flächendurchschnitt beträgt unter einem Hektar. In der Region des HORSCH Standortes gibt es jedoch auch Betriebe mit einer Fläche von über 30.000 ha. Diese sind staatlich geführt und zeichnen sich im Vergleich zu den Betrieben im Süden und in Zentralchina durch große Schläge und einen hohen Mechanisierungsgrad aus. Die wichtigsten Kulturen sind Reis, Weizen, Mais und Soja, gefolgt von Gerste, Raps, Baumwolle, Zuckerrüben und Kartoffeln. Außerdem werden in China unterschiedliche Obst- und Gemüsesorten angebaut, die in Europa in keinem Supermarkt zu finden sind.
Anpassung an lokale Bedürfnisse
Das Klima in China wird überall vom Monsun beeinflusst, der im Sommer für Regen sorgt. Es reicht von extrem trockenem Wüstenklima über winterkaltes Nadelwaldklima bis hin zu tropischem Klima. Die Wetterumstellung mit den sehr kalten Wintern im Nordosten Chinas war auch für Patrick Paziener eine gewisse Herausforderung: „Dadurch ergeben sich – verglichen mit Deutschland – völlig andere Anforderungen an Mensch und Maschine.“ Das Wetter hat natürlich auch Einfluss auf die Anbaukulturen und -methoden. In der Schwarzerde-Region werden hauptsächlich Mais, Sojabohnen und Sorghum kultiviert. Dafür hat HORSCH die Maestro LV entwickelt – eine Sämaschine, die für die lokale Methode der Aussaat auf kleinen Dämmen abgestimmt ist. Diese Anbaumethode hat eine lange Tradition und wurde bereits in der Zhou-Dynastie (1.000 v. Chr.!) genutzt. Diese historisch bedingte Praxis ist aber durchaus landwirtschaftlich begründet: Die Kulturen sind so vor Starkregenereignissen, die im Sommer regelmäßig auftreten, geschützt und die Wurzeln bekommen keine „nassen Füße“. Da die Kulturen auf Dämmen stehen, kann das besser abfließen bzw. versickern. Auch erwärmt sich der Boden schneller. Das ist bei den sehr kalten Wintern und der kurzen Vegetationszeit in Nordchina ein entscheidender Vorteil. Außerdem bietet der Anbau auf Dämmen einen gewissen Schutz vor Winderosion und der Austrocknung durch starken Wind. Die Maestro LV ist die erste Einzelkornmaschine, die diesen traditionellen Dammanbau bedienen kann und über eine elektronische Dosierung verfügt. So kann mit relativ hohen Fahrgeschwindigkeiten und guter Genauigkeit auch unter schwierigeren Bedingungen gesät werden. Maschinen mit mechanischer Dosierung können hier unter feuchten Bedingungen teils gar nicht säen. Durch die höhere Effizienz – Aussaatfläche pro Zeiteinheit – und verkürzte Standzeiten für das Befüllen dank der größeren Saatgut- und Düngertanks kann so dem stetigen Rückgang von Arbeitskräften im ländlichen Bereich begegnet werden. Auch werden durch die präzise Ablage Saatgut und somit Kosten gespart. So können die Landwirte effizienter und produktiver arbeiten.
In der Inneren Mongolei, einer Provinz im nordwestlichen Teil Chinas, wo es teils nur 95 bis 100 frostfreie Tage pro Jahr gibt, werden HORSCH Drillmaschinen wie der Focus TD und die Pronto DC für die Aussaat von Sommerweizen, -gerste, -raps, Luzerne, Gras und Mariendistel eingesetzt. Die Mariendistel ist eine wichtige Heilpflanze, die in der traditionellen chinesischen Medizin verwendet wird.
Zusammenarbeit
Die chinesischen HORSCH Kunden sind sowohl landwirtschaftliche Betriebe als auch Lohnunternehmer, die auf den Großbetrieben tätig sind. Letztere verladen nicht selten ihre Maschinen auf Lkw und folgen der Saison. Sie beginnen mit ihrer Arbeit im Süden und arbeiten sich dann allmählich nach Norden vor.
Der Austausch von Wissen und Erfahrung spielt in der Kundenbeziehung eine wichtige Rolle. Durch Schulungen und Weiterbildungsprogramme unterstützt HORSCH die Landwirte dabei, ihr Fachwissen zu erweitern und neue Methoden kennenzulernen.
Intensiv wird am Händlernetzwerk gearbeitet, damit für die Kunden eine optimale Unterstützung – auch in Sachen Schulungen – gewährleistet ist.
Was Patrick Paziener auch auffällt, ist, dass in China die Traktoren anders ausgestattet sind als in den europäischen oder amerikanischen Märkten. „Und es gibt einige Kunden, die ihre Maschinen selbst umbauen oder sich teilweise recht kreativen Ersatz für Verschleißteile basteln und schweißen. Das kann natürlich manchmal die Funktionalität der Maschinen negativ beeinflussen.“ Hier setzen die chinesischen Kollegen mit einem intensiven Trainingsprogramm an. „Am Anfang hatten die Kunden kaum Ahnung, sowohl von der Technik als auch von unserem ackerbaulichen Konzept. Durch Vorführungen, Tests und viele Veranstaltungen konnten wir die Kunden von den Maschinen und von der Idee dahinter überzeugen“, erzählt Xiaoqing Lu, General Manager HORSCH China, von den Anfängen. „Man braucht Beharrlichkeit und viel Geduld, aber der Erfolg bestätigt unsere Bemühungen.“
Förderung nachhaltiger Praktiken
Die Landwirtschaft in China ist mit vielfältigen Herausforderungen konfrontiert: unterschiedliche Klimazonen und Anbauverfahren, aber auch rechtliche und regulatorische Vorgaben. Dennoch bietet sie enormes Potenzial für eine effiziente Landwirtschaft. Es werden zunehmend nachhaltigere Praktiken und Technologien gefördert, wobei Themen wie Direktsaat und mechanische Unkrautbekämpfung an Bedeutung gewinnen. In diesem Jahr wurden die ersten 15 Transformer VF in China eingesetzt. Auf Feldtagen wird die Avatar SD, eine Maschine zur Direktsaat, präsentiert. Außerdem findet ein stetiger Strukturwandel statt: Die kleinen Familienbetriebe werden teils nicht weitergeführt und es entstehen immer mehr große Staatsbetriebe.
Chinesische Kultur und Menschen
Auch außerhalb seiner eigentlichen Tätigkeit erlebt Patrick viel Neues. Durch die enge Zusammenarbeit mit den chinesischen Kollegen, bekam er schnell einen Eindruck und ein besseres Verständnis für die chinesische Kultur und Lebensweise. „Gastfreundlichkeit ist ein zentraler Wert in der chinesischen Gesellschaft. Einladungen zum Essen sind sehr häufig und sie sind ein Ausdruck der Wertschätzung und des Respekts gegenüber den Gästen“, erzählt er von seinen Erfahrungen. Essen ist weit mehr als nur die Befriedigung des Hungers. Es ist ein soziales Ereignis, bei dem Familie und Freunde zusammenkommen und Zeit miteinander verbringen. Die chinesische Küche ist für ihre Vielseitigkeit, ihre Geschmacksvielfalt und ihre raffinierten Zubereitungsmethoden bekannt. Die regionale Vielfalt spiegelt sich in einer breiten Palette von Geschmacksrichtungen und Spezialitäten wider. „In der chinesischen Sprache gibt es neben den Worten, die den Geschmack eines Gerichts beschreiben, auch einen Ausdruck für das Gefühl, das ein Gericht bzw. die Konsistenz eines Gerichtes im Mund hervorruft“, verdeutlicht Patrick den extrem hohen Stellenwert der Esskultur.
Perspektiven
Unterschiedliche Gegebenheiten erfordern eine Anpassung der Anbaumethoden und der Technik. Mit Präsenz vor Ort ist HORSCH auf diesem hochinteressanten Markt aktiv. Denn gerade, wenn der Anteil an Ackerfläche in Relation mit der Bevölkerung im weltweiten Vergleich eher niedriger ist, spielt die Effizienz eine noch größere Rolle. Wobei wir absolut gesehen in China von 134 Mio. ha ackerbaulich genutzter Fläche reden!