SpotSpraying – Wie weit sind wir?
Die künftigen Rahmenbedingungen im Pflanzenschutz sehen eine starke Reduktion vor. Eine mögliche Lösung: SpotSpraying. Theo Leeb und Josef Stangl erzählen, was bei HORSCH der aktuelle Stand ist, welche Verfahren es gibt und warum das Ganze zwingend notwendig ist.
Bereits auf der Agritechnica 2019 waren einige Unternehmen und Start-ups vertreten, die sich mit dem Thema kamerabasierte Einzelpflanzenerkennung und SpotSpraying beschäftigten und dazu Lösungen präsentierten. Die Anfangseuphorie war groß. Denn diese Systeme sollen eine punktgenauere Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln ermöglichen, was gerade im Hinblick auf Vorgaben der EU zur Einsparung von Pflanzenschutzmitteln notwendig ist. Doch wie gut und genau funktioniert SpotSpraying tatsächlich? Um darauf Antworten zu finden und gute, zielgenaue Lösungen präsentieren zu können, wurden auch bei HORSCH einige Untersuchungen dazu durchgeführt.
Vielversprechende Lösungen
„Die Lösungen wirkten auf den ersten Blick sehr ansprechend, interessant und auch schon sehr marktreif. Deshalb sind wir damals auch mit drei Unternehmen ins Gespräch gegangen, um zu sehen, wie weit das Ganze ist und ob es eine Möglichkeit zur Zusammenarbeit gibt. Ein Unternehmen hatte aber mehr den Fokus auf Düngung, weshalb diese Lösung für uns erst mal nicht so interessant war“, so Theo Leeb.
Ein anderes Start-up aus Frankreich, habe sich aber auch mit den Themen „Grün in Grün“ und „Grün in Braun“ befasst. Bei „Grün in Braun“ entspricht grün der Pflanze, egal ob Kulturpflanze oder Unkraut, und braun dem Ackerboden. Alle grün erkannten Bereiche werden dann gespritzt. Bei dem Prinzip „Grün in Grün“ werden Einzelpflanzen, Unkraut oder Kulturpflanze vom System erkannt und gezielt gespottet.
„Das Thema „Grün in Grün“ ist für uns auf jeden Fall interessant, vor allem für den europäischen Markt. Wir haben überlegt, bei welchen naheliegenden Applikationen dieses System eingesetzt werden könnte. So kam dann schnell das Thema Disteln aus Weizen rausspritzen auf“, so Leeb. „Dies sei vor allem dann von Interesse, wenn Disteln fruchtfolgebedingt ein Problem sind. Im Weizen lassen sich Disteln gut bekämpfen, treten meist nesterweise auf und sind auch leichter erkennbar,“ erklärt Josef Stangl. Disteln wären daher ein typischer Anwendungsfall für eine „Grün in Grün“-Spot-Applikation.
Anwendungsfall
„Um im Versuch herauszufinden, wie zuverlässig die Disteln erkannt und aus dem Weizen gespritzt werden können, testeten wir das System eines Start-ups, das für diesen Anwendungsfall einen Algorithmus entwickelt und trainiert hatte.“ Bei HORSCH wurden in einem Praxisschlag großflächige Versuchsparzellen mit unterschiedlichem Distelbesatz angelegt und geprüft.
Für Theo Leeb kam die Ernüchterung schnell. Es hat zwar funktioniert, aber die Ergebnisse waren bei weitem nicht zufriedenstellend. „Grundsätzlich funktioniert das Spotten, es hat aber auch seine Grenzen. Im Schnitt wurden nur 60 % der Disteln erkannt, 40 % sind aber stehen geblieben. Da stellt sich natürlich die Frage, wie das Ergebnis einzuordnen ist und ob dieser Wirkungsgrad schon ausreicht. Unser Ergebnis war: Es reicht nicht aus. Und es wurde auch nicht besser, nachdem wir das Modell weiter mit Bildmaterial und Infos trainiert hatten – es blieb bei circa 60 % Trefferquote.“ Praxisreife sei das noch nicht.
Einsatzgebiet
Wichtig sei es laut Leeb, sich zu überlegen, in welchen Kulturen, zu welcher Art Applikation und zu welchem Zeitpunkt SpotSpraying wirklich sinnvoll ist. Auch was technisch möglich ist bzw. welche Einschränkungen es gibt, muss in diese Überlegungen miteinbezogen werden. „Ich weise bei meinen Vorträgen gerne darauf hin, sich mal das Verhältnis zwischen kleinster technisch möglicher Spotgröße und Unkrautbesatz vor Augen zu führen. Die kleinste Spotgröße liegt mit einem Standarddüsenabstand von 50 cm bei ca. 50 x 50 cm. Wenn der Abstand der Unkräuter zueinander im Bereich von 50 cm ist, dann wird die Spritze nicht mehr ausschalten. Das heißt, Spotten macht nur dann Sinn, wenn ich einen relativ dünnen Unkrautbesatz habe – also Abstände von mehr als einem Meter.“
Nimmt man als Beispiel die Reihenkultur Mais und schaut sich hier die Unkrautverteilung an, so liegen die Abstände zwischen den Unkräutern, je nach Witterung, meist im Zentimeter-Bereich. Abstände zwischen den Unkräutern von mehreren Metern sind selten gegeben. Eine weitere Problematik, die das Ganze erschwert, ist, dass Unkraut nicht aufhört weiter aufzulaufen. „Wenn ich heute via SpotSpraying das sichtbare Unkraut mit einem blattaktiven Herbizid behandle, dann wird in der darauffolgenden Woche neues Unkraut nachwachsen. Um das Nachlaufen von Unkräutern und die Spätverunkrautung zu regulieren, sind Bodenherbizide notwendig. Setzt man nur auf blattaktive Herbizide, sind mehrere Überfahrten notwendig, um zum gleichen Ergebnis zu gelangen.Am Ende hat man dann wesentlich mehr Fläche behandelt.“
Die Erkenntnis war also, dass SpotSpraying unter diesen Voraussetzungen nur sehr bedingt Sinn ergibt. In Reihenkulturen erziele man mit einem flächigen Einsatz von Bodenherbiziden einen „Grundschutz“. Später können dann vereinzelt auflaufende Unkräuter mittels eines Spotverfahrens herausgenommen werden. Diese Herangehensweise, so Leeb, könne auch auf andere Reihenkulturen übertragen werden. „Im Getreide wird es hingegen schwieriger, vor allem wenn man sich auch noch den Ungräsern widmet. Diese sind für die Erkennungssysteme extrem schwer von Getreide zu unterscheiden. Die Erkennung von Ackerfuchsschwanz in Weizen ist fast nicht möglich. Was ich mir eher vorstellen könnte, ist die Erkennung von breitblättrigen Unkräutern im Getreide. Denn hier sind die Pflanzen optisch deutlich unterscheidbar. Aber Gräser aus Weizen im Herbst oder im Frühjahr – das ist Stand heute nicht realistisch.“ SpotSpraying ist nur realisierbar, wenn sich die Unkräuter gut von der Kultur unterscheiden lassen, und sinnvoll bei einem Unkrautbesatz, der sporadisch oder nesterweise auftritt.
SpotSpraying System
Es gibt Anwendungsfälle, bei denen die Spotapplikation ökonomisch und ökologisch positiv ist. Aus diesem Grund hat HORSCH sich das Ziel gesetzt, ein eigenes SpotSpraying System zu entwickeln. „Erst einmal haben wir uns angeschaut, welche Technologie dahintersteckt, wo wir dann wieder auf die Themen „Grün in Grün“ und „Grün in Braun“ stoßen.“
Das Thema „Grün in Braun“ gibt es von verschiedenen Anbietern schon länger und wird vor allem in den USA und Australien in Trockengebieten bzw. Direktsaatgebieten eingesetzt. Vorwiegend dort, wo nach der Ernte keine oder nur sehr wenig Bodenbearbeitung stattfindet. „Hier hat man aufgrund der Trockenheit einen eher spärlichen Unkrautauflauf von Einzelpflanzen, die dann mit Glyphosat gespottet werden. Das ist technologisch gesehen relativ einfach, da es sich um eine reine Bildverarbeitung handelt. Hierbei prüft das System, ob ein Pixel grün oder braun ist. Ist es grün, geht die Düse auf und sprüht. Das ist ohne künstliche Intelligenz umzusetzen und eines unserer ersten Ziele, da das die Basis für das weitere Verfahren ist.“
KI und Kamerasysteme
Parallel arbeitet HORSCH an einer künstlichen Intelligenz, die Pflanzen erkennen kann. Um die KI-Modelle zu trainieren, ist vor allem geeignetes und umfangreiches Bildmaterial notwendig. Grundlagen, die eine KI benötigt, und wie ein Modell aussieht, wurden gemeinsam mit dem DFKI (Deutsches Institut für künstliche Intelligenz) erarbeitet. Eine Vielzahl von gelabelten Bildern, in denen Zuckerrüben von Unkraut unterschieden wurden, sind in das KI-Modell eingeflossen. „Es gibt zwei Ansätze. Beim einen werden die einzelnen Unkräuter erkannt, beim anderen „nur“ die Kulturpflanze. Wir fokussieren uns zunächst auf die Erkennung der Kulturpflanzen durch die KI. Um eine möglichst hohe Erkennungssicherheit zu erreichen, ist eine große Anzahl von Bildern erforderlich. Das Bildmaterial muss für den künftigen Einsatzzeitraum alle relevanten Wachstumsstadien bei den verschiedensten Lichtverhältnissen beinhalten. Für eine gute Erkennungsleistung ist ein kontinuierliches Nachtrainieren notwendig. „Die Zuckerrübe war für uns die Testkultur, in der wir das System trainierten. Denn was Rübe ist, wird nicht behandelt und alles andere Grüne ist dann Unkraut und wird besprüht.“
Zwei Verfahren
Neben der „Grün in Grün“- und „Grün in Braun“-Differenzierung kann die Umsetzung des SpotSprayings in zwei verschiedene Verfahren unterteilt werden. Beim Online-Verfahren ist die Kamera fest auf der Pflanzenschutzspritze verbaut. Erkennung, Auswertung und Applikation finden während der Überfahrt in einem Arbeitsprozess statt.
Beim Offline-Verfahren wird die Bildaufnahme mittels Drohne im Vorfeld gemacht. Die Bilddaten werden dann im nächsten Schritt ausgewertet und eine georeferenzierte Karte mit den exakten Unkrautstandorten erstellt.
Diese Karten werden dann im Anschluss in das Terminal geladen und von der Spritze als Applikationsspots abgearbeitet. Der Zeitraum zwischen Drohnenflug und Applikation sollte nicht allzu lange sein, so Stangl. Das Kartenmanagement sei trotz RTK nach wie vor eine Herausforderung. Ein nennenswerter Vorteil an diesem System ist, dass vorher bekannt ist, wie viel Brühe benötigt wird. Darüber hinaus ist diese Variante für den Einstieg in das SpotSpraying verhältnismäßig günstig. Vergleicht man beide Verfahren, wird sich aufgrund der einfacheren Bedienbarkeit das Online-Verfahren durchsetzen, mutmaßt Josef Stangl.
Aktuelle Situation
„SpotSpraying wird nie hundert Prozent der Unkräuter treffen,“ sind sich Josef Stangl und Theo Leeb einig. Manche Pflanzen werden von der Kamera nicht erkannt, andere rutschen durch das Erkennungsmodell. Somit ist der Wirkungsgrad beim SpotSpraying immer etwas geringer als bei einer flächigen Applikation. „Der Weg ist noch lang. Zum Start in diese Technologie eignen sich vor allem Reihenkulturen wie Zuckerrübe, Mais, Soja und Sonnenblume, aber eventuell auch Raps. In diesen Kulturen ist ein Muster für die Technik erkennbar und somit die Kulturpflanze leichter zu detektieren. Unkraut kann dadurch besser identifiziert werden. Vor allem nesterweise auftretende Unkräuter, wie unsere Wurzelunkräuter, sind relativ zuverlässig in Reihenkulturen lokalisierbar. Um eine Reduktion besonders im Bereich Herbizide zu erreichen, ist es ein Muss zu sagen, ich spritze nicht mehr alles“, erklärt Josef Stangl.
Ziel ist es, in absehbarer Zeit ein geführtes „Grün in Braun“-System für klassische Direktsaatgebiete zu haben. Darüber hinaus arbeitet HORSCH weiter im Bereich „Grün in Grün“ zur Einzelpflanzenerkennung in Reihenkulturen, um hier die Einsparpotenziale im Vergleich zur Flächenspritze zu nutzen. Die Tatsache, dass man in sieben Jahren 50 % Mittelreduktion erreichen muss, könne als Motivator in diesem Bereich gesehen werden.