Ausbildung in Brasilien
Die Ausbildung junger Menschen liegt HORSCH sehr am Herzen. Auch im HORSCH Werk in Brasilien soll ab diesem Jahr ausgebildet werden. Für die Erstellung eines Ausbildungsplans flogen Ausbildungsleiter Anton Grauvogl und vier Auszubildende nach Brasilien, um vor Ort mit ihren Ideen zu unterstützen. Im Gespräch mit terraHORSCH berichten er und Stefan Vorwerk, Chef in Curitiba, darüber.
terraHORSCH: Bei HORSCH läuft ein Projekt, ein Ausbildungssystem nach deutschem Vorbild in Brasilien zu integrieren. Wie kam es dazu?
Stefan Vorwerk: In Brasilien gibt es keine Berufsausbildung wie bei uns. Die Ausbildung findet dort meist in technischen Fachschulen statt und viel nur in der Theorie. Dann hat man zwar eine theoretische Berufsausbildung mit Zertifikat, aber nur sehr wenig bis gar keine Praxis. Das ist für den Start ins Berufsleben nicht von Vorteil. Vor allem bei HORSCH ist es wichtig, schnell einen Praxisbezug zu bekommen. Zudem wollen wir die Stärken und die Persönlichkeitsentwicklung unserer Auszubildenden fördern.
Anton Grauvogl: Im letzten Jahr kam Stefan auf mich zu und meinte: „Wir würden gerne bei uns ausbilden. Kannst Du nicht mal zu uns kommen und wir entwickeln gemeinsam etwas?“
Er ist vor ca. acht Jahren nach Brasilien gegangen, um dort unser Werk aufzubauen und zu leiten. Seither ist dort viel passiert und HORSCH in Brasilien wächst kontinuierlich. Um dort auch gut ausgebildeten Nachwuchs zu bekommen, hatte Stefan die Idee, jungen Menschen eine Ausbildung zu ermöglichen. Ich fand das sofort super und wir entschieden uns, einen Azubi mitzunehmen. Bei 140 Auszubildenden deutschlandweit stellte sich aber schnell die Frage: Wen?
terraHORSCH: Wie habt Ihr dann die Wahl getroffen?
Anton Grauvogl: Wir haben einen Wettbewerb unter den Azubis ausgeschrieben. Jeder, der Lust hatte, konnte sich für das Projekt bewerben. Egal ob schriftlich, mit Video oder Podcast – es war alles möglich. Insgesamt haben wir 17 Bewerbungen von 24 Teilnehmern bekommen. Die waren teilweise so gut, dass die Entscheidung, nur einen auszuwählen, extrem schwerfiel. Nachdem Cornelia Horsch ihre Zustimmung gegeben hatte, mehrere mitzunehmen, begannen wir mit der Auswahl. Am Ende entschieden wir uns zusammen mit Stefan für vier Personen: eine unserer Industriekauffrauen aus dem dritten Lehrjahr und drei Mechatroniker aus dem zweiten und dritten Lehrjahr.
Am 14. Januar ging es dann mit der Bahn in Richtung Münchner Flughafen und von dort über Madrid nach Sao Paulo und weiter nach Curitiba.
terraHORSCH: Wie sah die Arbeit in Brasilien aus?
Anton Grauvogl: Wir mussten uns ein Konzept überlegen und wie wir es am besten umsetzen. Zunächst haben wir uns Gedanken gemacht, wie das Berufsbild dort aussehen könnte, in welchen Bereichen wir den größten Bedarf haben und welche Skills wichtig sind, welche Kompetenzen, Fertigkeiten, Fähigkeiten und Wissen wir unseren neuen Azubis vermitteln müssen. Es war alles sehr komplex, aber unsere Azubis haben sich voll in die Arbeit gestürzt. Die meiste Zeit lief die Kommunikation in Englisch. Das haben sie prima gemacht.
Lorena, die Industriekauffrau, kümmert sich hauptsächlich um organisatorische Dinge und um Themen wie die Check-in-Tage, die es bei HORSCH in Deutschland immer zum Ausbildungsstart gibt. Wir werden das angepasst auch in Curitiba so machen. Denn diese Woche ist für den Start sehr hilfreich. Die Neuankömmlinge werden über alles informiert und sie können sich untereinander und auch das Unternehmen gut kennenlernen. Die Themen aus dem gewerblich-technischen Bereich haben die anderen drei Azubis übernommen und arbeiten sie gerade aus. Hier geht es um die Kenntnisse und Fähigkeiten, die in den Fachabteilungen vermittelt werden müssen – also ganz nah an unseren Produkten.
terraHORSCH: Wie sieht die Ausbildung dann aus?
Anton Grauvogl: Aufgrund der Voraussetzungen in Brasilien war uns bewusst, dass wir das deutsche Ausbildungssystem nicht eins zu eins übernehmen können, aber wir kommen dem sehr nahe. Wir haben uns die Gegebenheiten vor Ort angesehen und viele Gespräche mit Stefan und den Kollegen in Curitiba geführt. In Brasilien geht die normale Ausbildungszeit über zwei Jahre. Auch wir werden im Kern eine zweijährige Ausbildung anbieten.
Stefan Vorwerk: Unser Konzept sieht eine Mischung aus mehreren Berufsbildern vor. Einen großen Bedarf haben wir in Brasilien in den Bereichen Schweißen und Montage. Deshalb „basteln“ wir etwas aus den Berufsbildern Fertigungsmechaniker, also unseren Montagespezialisten, Konstruktionsmechaniker, den Metall- und Schweißspezialisten, und Mechatroniker, der einen hohen elektrisch-elektronischen Anteil im Berufsbild hat. Das wird so etwas wie ein HORSCH Assembly Specialist. Das Zertifikat dafür kommt direkt von HORSCH. Für die, die sich mit besonderer Leistung hervortun, schaffen wir die Option, um ein drittes Jahr zu erweitern, sodass es möglich ist, sogar die klassische Berufsausbildung zum Mechatroniker nach deutschem Vorbild abzuschließen.
Anton Grauvogl: Den theoretischen Unterricht werden wir mit SENAI, einem großen Bildungsanbieter vor Ort, umsetzen, der in Curitiba auch ein Schulungszentrum betreibt, ähnlich den deutschen Berufsschulen. Die Inhalte für die Ausbildung in den Fachabteilungen liefern wir aus Deutschland, übersetzen es ins Englische und stellen es den Kollegen in Brasilien zum Übersetzen ins Portugiesische zur Verfügung. Wobei aber auch von Beginn an angedacht ist, den Azubis in Curitiba Englischkurse anzubieten.
terraHORSCH: Ist es denn möglich dieses Konzept so in Brasilien umzusetzen?
Anton Grauvogl: Ja, es gibt dort Außenhandelskammern und Kooperationen mit den deutschen IHKs. Wir durften zur Information bei Bosch Curitiba vorbeischauen. Die machen es genauso. Sie arbeiten viel mit Azubi-Projekten, so wie wir an unseren deutschen Standorten auch. Natürlich ist klar, dass die Auszubildenden ganz klassisch in der Produktion mitarbeiten, um alles, was sie zur Produktion unserer Maschinen brauchen, zu lernen. Und natürlich brauchen sie den theoretischen Unterricht. Aber meiner Meinung nach können sie in den Projekten unglaublich viel Zusätzliches lernen. Es ist einfach wichtig, ihnen mit Vertrauen zu begegnen, auf Augenhöhe und sie vor allen Dingen mal selbst machen zu lassen, ohne alles vorzugeben. Und die Projekte haben ja auch einen praktischen Bezug zur Ausbildung.
Wir wollen das Thema Persönlichkeitsentwicklung von Anfang an mitdenken. Klar brauchen wir das Fachliche, das das Berufsbild ausmacht, zum guten Einsatz im Unternehmen, aber das reicht in der heutigen, sich so schnell verändernden Zeit nicht mehr aus. Unsere Azubis müssen lernen, lösungsorientiert zu denken, damit sie den Herausforderungen und Veränderungen des Alltags wirkungsvoll begegnen können. Dazu müssen sie lernen zu verstehen, dass es normal ist, aus der Komfortzone herauszugehen und sich keine begrenzenden, mentalen Mauern im Kopf aufzubauen, die dann keine Veränderung mehr zulassen. Das ist die Haltung, die wir ihnen mitgeben wollen.
Stefan Vorwerk: Uns war es einfach sehr wichtig, die Unterstützung aus Deutschland zu bekommen. Toni arbeitet schon so lange mit den Auszubildenden und weiß, worauf es ankommt, um die Ausbildung erfolgreich zu gestalten und die jungen Leute optimal auf das Berufsleben vorzubereiten. Außerdem war es uns wichtig, die Auszubildenden aus Deutschland miteinzubeziehen. Sie durchlaufen die Ausbildung und können mit ihren Ideen sehr gut unterstützen. Und dadurch besteht auch die Möglichkeit, dass sich die Azubis untereinander stärker connecten und wir so einen regen Austausch kreieren und fördern. So kann man von- und miteinander lernen und die bestmögliche Ausbildung anbieten.
terraHORSCH: Wann starten die ersten Auszubildenden?
Stefan Vorwerk: Wir planen, Anfang Juli dieses Jahres mit den ersten zehn Azubis zu starten. Allein schon aus den Familien unserer HORSCH Mitarbeitenden haben wir viele Interessenten. Im nächsten Jahr wollen wir dann 20 junge Leute ausbilden und das Jahr darauf 40. Das wird natürlich eine große Herausforderung und wir müssen die Ausbildung ständig in einem rasanten Tempo anpassen. Aber das bekommen wir hin. Die Arbeitseinstellung in Brasilien ist generell eine „das packen wir jetzt an“-Mentalität. Da wird nicht lange gezaudert, sondern losgelegt.