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Gestalter der Landschaft

Dass ein großer, modern geführter landwirtschaftlicher Betrieb und intakte Natur keine Gegensätze sind, beweist das Gut Hardegg im Weinviertel/Österreich. terraHORSCH hat sich vor Ort umgeschaut.

Schon von weitem sieht man im Tal der Pulkau (nördliches Weinviertel, Niederösterreich) einen hohen Siloturm. Eigentlich würde er von der Größe eher zu einem Landhandelsunternehmen oder einer Genossenschaft passen. Er gehört allerdings zu Gut Hardegg, einem landwirtschaftlichen Betrieb, der seit über zehn Generationen in Familienbesitz ist. Wir sind dort mit Maximilian Hardegg und mit Christoph Hoß, Betriebsleiter Landwirtschaft, verabredet. Maximilian Hardegg ist eine bekannte Persönlichkeit. Studiert hat er Agrarwissenschaften an der TU München. Anschließend zog es ihn in die Wirtschaft, seit dem Jahr 1995 ist er Alleinverantwortlicher für den Familienbetrieb. Er ist ein engagierter Vertreter des Berufsstandes. Unter anderem war er einige Jahres Vorstandsmitglied der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) sowie auf europäischer Ebene in der Interessensvertretung von Grundbesitzern.

„2022 ist eine Zeitenwende – ein Jahr des Umbruchs“, ist Maximilian Hardegg überzeugt. „Der Krieg in der Ukraine stellt unsere Weltordnung in Frage. Er deckt schonungslos die Schwächen und Abhängigkeiten unseres Wirtschaftssystems – vor allem bei der Ernährung – auf. Schon vorher waren die Weltmärkte für viele Agrarprodukte sehr angespannt, gleichzeitig schnellten die Düngerpreise nach oben. Transportengpässe und Kostensteigerungen übten großen Druck auf die Märkte aus. Das alles führte zu Unsicherheiten bei den Landwirten, zumal noch die Faktoren Wetter und Klima, und hier vor allem die Gefahr von Trockenheit, dazu kommen. Angesichts dessen, dass allein aus Russland und der Ukraine 30 % des weltweiten Volumens des Weizenhandels kommen und diese auszufallen drohen, ist unklar, in welchen Größenordnungen sich die Weltmarktpreise noch entwickeln werden. Deshalb befürchte ich, dass wir bald neue Unruheherde in Afrika und dem Nahen Osten dazu bekommen. Wir Landwirte können nun unter Beweis stellen, dass wir in der Lage sind, die Situation positiv zu beeinflussen: Wir können unsere Erzeugung effektiver gestalten, mit Betriebsmitteln sorgsamer umgehen, mehr auf Fruchtfolgen und Kreislaufwirtschaft setzen und so die Erträge steigern. Aber trotzdem müssen wir auf Natur und Biodiversität achten.“

Anbaukulturen auf Gut Hardegg

Fruchtart

Fläche (ha)

Anteil (%)

Durchschn. Ertrag (kg/ha)

Winterweizen

713

33

7.000

Wintergerste

241

11

8.500

Dinkel, Durum, Roggen

79

4

6.000

Sommerhafer

21

1

5.000

 

 

 

 

Körnermais

346

16

11.500

Zuckerrübe

64

3

100.000

Kartoffel

100

5

55.000

Soja

78

4

3.500

 

 

 

 

Winterraps

159

7

3.800

Körnererbse

35

2

4.000

Sonnenblume

125

6

3.800

 

 

 

 

Biodiversitätsfläche

171

8

-

Stilllegung

61

3

-

Quelle: Gut Hardegg, Werte gerundet

Wasser ist knapp

Organisatorisch ist Gut Hardegg in vier Betriebszweige eingeteilt:

  • Landwirtschaft / Feldbau
  • Forstwirtschaft / Jagd / Landschaftspflege
  • Tierhaltung: Schweinezucht
  • Weinbau (Öko)

Die Betriebsfläche beträgt gut 2.200 ha, 40 ha davon sind Renaturierungs- und 180 ha Biodiversitätsflächen. Dazu kommen 650 ha Wald und Feldgehölze. Weinbau wird auf etwa 30 ha betrieben. Ein zweiter Betriebsteil mit etwa 400 ha befindet sich südlich von Prag in der Tschechischen Republik. Früher wurde er von dort aus separat und von extern bewirtschaftet, heute jedoch von Österreich aus. Eine Basis-Mechanisierung zur Bodenbearbeitung wird in Tschechien vorgehalten, für die restlichen Arbeiten kommt die Technik aus Österreich. „Die Anfahrt beträgt mit dem Traktor per Achse ungefähr 5 h. Die meisten Arbeitsgänge lassen sich an jeweils zwei langen Arbeitstagen erledigen“, erklärt Christoph Hoß. „Einen Mitarbeiter haben wir dafür abgestellt, sich um diese Flächen zu kümmern.“

Christoph Hoß leitet seit zwei Jahren die Landwirtschaft auf Gut Hardegg. Zuvor war er auf verschiedenen anderen Großbetrieben in Mittel- und Osteuropa tätig. Die Vorgabe seines Chefs ist klar: moderne, zeitgemäße Landwirtschaft mit den Belangen der Umwelt zu verbinden. Deshalb werden aktuell noch viele Dinge umorganisiert. Nur ein Beispiel ist hier die Anwendung des absätzigen Verfahrens bei der Aussaat. „Das hat zwei Gründe“, sagt der Betriebsleiter. „Weil wir bei den Herbstkulturen dadurch die Kapillarbildung fördern, sparen wir Wasser. Trockenheit ist hier bei unserem kontinentalen Klima ein großes Problem, das aber immer noch mehr Bedeutung kommt. Schon jetzt bewässern wir rund 1.000 ha unserer Fläche. Wir machen das ganz gezielt bei ertragsmindernden Bedingungen, um den Pflanzen gut über diesen Stressmoment hinwegzuhelfen und eine vorzeitige Notreife zu verhindern. Der zweite Grund ist ein arbeitswirtschaftlicher. Wir können die Flächen schon im August saatfertig machen. Und wenn die Bodenbearbeitung bereits im Vorfeld abgeschlossen ist, machen die Aussaat zwei Arbeitskräfte ganz ohne Stress mit der Serto von HORSCH. Zusätzlich haben wir dadurch die Flächenleistung bei einer Arbeitsbreite von 10 m auf 200 ha am Tag erhöhen können. Und: Auch die Ablagequalität ist besser. Anfängliche Abstimmungsschwierigkeiten bei SectionControl und Schardruck waren schnell beseitigt. Das ist so eine ganz runde Sache! Eine Glaubensfrage ist immer die Aussaatstärke. Da gibt es die unterschiedlichsten Meinungen, die von 150 bis 350 Körner pro m2 reichen. Ich selbst bevorzuge von Beginn an einen kompakten Bestand, der auch schon im Frühjahr einen gewissen Schutz bietet. Denn je weniger Pflanzen pro m2 stehen, desto weniger können sie sich gegenseitig schützen. Wir machen gerade interne Versuche, um diese These zu untermauern.“

Neue Spritze

Ein weiteres Thema ist die Logistik. Nicht nur in der Erntezeit werden gewaltige Mengen bewegt – auch bei Dünge- und Pflegemaßnahmen muss viel transportiert werden. „Wir denken gerade über die Einführung eines Shuttle-Systems nach“, sagt Christoph Hoß. „Der Überladewagen, vor allem aber die Pflanzenschutzspritze, aber auch das Güllefass, haben als Transportfahrzeug auf der Straße nichts zu suchen. Gerade beim Pflanzenschutz wird sich in der nächsten Zeit viel tun, denn wir warten gerade auf die Auslieferung einer Selbstfahrspritze vom Typ HORSCH Leeb 6.300 VN sowie eines HORSCH Shuttle 8 000 L. Das ist eine wichtige Investition, weil der Pflanzenschutz zu unseren Kernkompetenzen gehört. Geplant ist, die Spritze im Zwei-Schichtbetrieb von vier Uhr früh bis neun Uhr abends zu fahren. Sie wäre damit dann auch ordentlich ausgelastet. Da muss natürlich das Team sehr gut zusammenarbeiten. Ziel sind 240 ha pro Tag. Großen Wert lege ich bei unseren vielfältigen Kulturen auf ein gutes Reinigungssystem. Denn es kann gut sein, dass die Spritze einmal kurzfristig aus dem Mais raus und in die Kartoffeln rein muss. Außerdem arbeiten wir viel mit AHL, wofür die HORSCH Leeb dann natürlich auch eingesetzt wird.“
Ein paar Worte noch zur Schweinehaltung auf Gut Hardegg. Sie wird zwar nicht von Christoph Hoß geleitet, er ist aber eine wichtige Schnittstelle. Denn von den 300 ha Gerste und 350 ha Mais werden allein 1/3 der Erträge für die Fütterung der Schweine, darunter 1.100 Muttersauen, benötigt. Der Betrieb ist ein anerkanntes Zuchtunternehmen und zieht im Jahr etwa 3.000 Hybrid-Jungsauen für andere Betriebe tiergerecht auf. Dazu kommen ca. 25.000 Mastferkel, die teilweise auf den 6.500 eigenen Mastplätzen bis zur Schlachtreife gefüttert werden. „Unsere Schweinehaltung passt bestens in den Betrieb, besonders stolz bin ich, dass wir schon vor über 20 Jahren auf tierartgerechte Gruppenhaltung von Muttertieren gesetzt haben “, sagt Maximilian Hardegg. „Die Feldwirtschaft und der Weinbau profitieren stark von der organischen Düngewirkung. Auf dem Acker verwenden wir auch separierte Gülle, die beste Wirkung aber ist die direkte Einarbeitung in den Boden. Im Weinbau stellen wir mit Stroh und Gülle einen hochwertigen Kompost her, der sich hervorragend zur Humusbildung eignet. Zusätzlich erhöht die Schweinehaltung die Wertschöpfung des Gesamtbetriebes um einige Prozent.“

Betriebsspiegel Gut Hardegg

Feldbau: 2.200 ha
Weinbau: 30 ha
Forst: 640 ha

Personal Feldbau: 5 Arbeiter, 2 Angestellte (gesamt: 40)
Zugleistung: 68 kW (93 PS)/100 ha
Ernteleistung: 34 kW (46 PS)/100 ha

Niederschläge Jahresmittel: 480 mm
Niederschläge Vegetationsperiode: 300 mm (62,5 %)
Sonnenscheindauer: 1.870 h/a
Temperaturen Jahresmittel: 10,0 °C (Extreme: -25 bis +35 °C)

Gelebte Artenvielfalt

Über der agrarischen Erzeugung schwebt auf Gut Hardegg jedoch das Motto, das sich Maximilian Hardegg samt Mitarbeitern gegeben hat: gelebte Artenvielfalt. „Eine zukunftsfähige Landwirtschaft braucht Feld- und Singvögel, Insekten, Niederwild und vor allem lebendige Böden“, sagt der Agraringenieur. „Dafür tun wir eine ganze Menge. Gearbeitet wird nach dem von uns entwickelten Vier-Säulen-Modell.“

Dieses besteht aus:

  • wildtierfreundlicher Landwirtschaft
  • ganzjähriger Fütterung
  • wertvollen Lebensräumen
  • Lebensraumbetreuung (durch Berufsjäger)

„Das ist weder schwer noch teuer“, sagt Maximilian Hardegg. „Es ist eher eine Frage der Einstellung, des Bewusstseins und des eigenen Zugangs zur Natur. Die wildtierfreundliche Landwirtschaft nimmt Rücksicht auf die Belange der Tiere. Die wertvollen Lebensräume beinhalten Ackerrand- und Blühstreifen, extra angelegte Wasserlöcher, alte Flussarme, Feldgehölze und Beetlebanks. Wichtig ist die Betreuung durch den Menschen, in Form einer jagdlichen Bewirtschaftung. Denn diese schafft durch Regulierung ein Gleichgewicht. Die ganzjährige Fütterung brauchen wir, weil bei der modernen Landwirtschaft sehr wenige Erntereste auf dem Acker verbleiben. Jede dieser Säulen leistet ihren Beitrag. Wir müssen auch häufig Kompromisse finden, der Erfolg kommt aber durch die Kombination.“

Eine Rundfahrt über den Betrieb zeigt ein seltenes Bild: Ackerbaulich ist alles tipp topp. Die Bestände stehen gut und gleichmäßig da. Trotzdem bleibt genügend Platz für die Natur. Das wichtigste aber ist: Hier gibt es keine solitären „Alibi-Maßnahmen“. Die Biotope sind miteinander vernetzt, was auf dieser Betriebsgröße erst recht Wirkung entfaltet. Den Jäger erfreut der hohe Fasanenbestand, der nicht aus der Auswilderung stammt, sondern eine komplett natürliche Population ist. Noch stolzer ist Maximilian Hardegg auf die Singvögel: „Bei unseren letzten Zählungen konnten wir an drei Tagen über 70 verschiedene Arten feststellen. Das sind unbestechliche Zeugen, dass unser Konzept funktioniert. Zurzeit arbeiten wir an einem wissenschaftlichen Projekt über die Turteltaube (Streptopelia turtur). Sie ist „Schirmherrin“ für viele andere Vogelarten. In den letzten 20 bis 30 Jahren sind aber die Populationen vor allem in Deutschland, Österreich und Großbritannien dramatisch zusammengebrochen: der Rückgang beträgt 90 %. In Österreich gibt es nur noch 10.000 Brutpaare. Wir sind sehr stolz darauf, dass es alleine auf Gut Hardegg 200 gibt. Wir können so aktiv zum Artenschutz beitragen und andere, leere Gebiete, wieder ansiedeln. Das nächste Projekt wird sein, die Tiere zu besendern, um sie auf ihrem Zug in den Süden zu begleiten.“
Bei all diesen Bemühungen: warum dann nicht gleich Bio? Dazu hat Maximilian Hardegg eine eindeutige Meinung: „Unser Betrieb soll seinen Anteil zur Ernährung der Bevölkerung leisten. Deshalb wollen wir nicht auf Erträge verzichten. Außerdem habe ich als Landwirt Spaß daran, aus unseren knappen Ressourcen, besonders was die Niederschläge betrifft, pflanzenbaulich das Beste herauszuholen. Für die Arbeit, die wir machen, bringt der ökologische Landbau keinen Vorteil, auch nicht am Markt. Unser Wertversprechen ist die Biodiversität. Das steht für mich klar über der Frage „Bio-Nicht Bio“. Und die Biodiversität ist auch auf unseren Markenprodukten Gut Hardegg klar erkennbar. Mit diversen Weinen und Mehlsorten sowie dem Honig eigener Bienenvölker konnten wir uns schon gut positionieren. Das Potential von Gut Hardegg ist aber noch groß, da der gesellschaftliche Wunsch nach einer intakten Natur immer größer wird.“