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Die Auswirkungen des Krieges auf HORSCH

Der Krieg in der Ukraine hat auch HORSCH völlig unvorbereitet getroffen und alles verändert. Im Interview mit terraHORSCH erzählt Philipp Horsch, wie die ersten Wochen nach Kriegsbeginn abliefen und wie es den Mitarbeitenden und der Firma geht und welche Auswirkungen der Krieg auf die Umsätze, Produktion und Kosten hat.

terraHORSCH: HORSCH hat einen Standort in der Ukraine. Wie war die Situation hier vor Beginn des Krieges?
Philipp Horsch:
Wir haben die HORSCH Ukraine 2009 gegründet. Unser Standort, der letztes Jahr neu gebaut und eröffnet wurde, befindet sich in Velyka Soltanivka in der Nähe von Kiew an der Autobahn Richtung Odessa. Dort ist unter anderem ein Schulungszentrum untergebracht, in dem Praxis- und Theorieschulungen für unsere Partner und Händler im Bereich Service und Vertrieb gehalten werden, sowie das zentrale Ersatzteillager. Außerdem gibt es dort auch Demofelder, eine Marketinghalle, Konferenz- und Besprechungsräume. Das Ersatzteillager ermöglicht es uns, Kunden und Vertriebspartner mit Ersatzteilen zu versorgen und technisch zu unterstützen. Wir beschäftigen dort ca. 28 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Krieg hat dort erstmal alles verändert.

terraHORSCH: Was hat sich dann ab Februar verändert? Wie war die Situation für Sie als Unternehmen und Familie?
Philipp Horsch:
Dieser Krieg hat uns alle völlig kalt erwischt. Wir haben absolut nicht damit gerechnet, dass es so weit kommt und sind dementsprechend unvorbereitet in diese Situation gekommen. Das Leid der Menschen belastet uns sehr, es ist eine schreckliche Situation. Man ist einfach fassungslos und fühlt sich zunächst sehr hilflos. Wenn ich an die erste Märzhälfte zurückdenke, war das emotional eine der schwierigsten Situationen in unserer gesamten Firmengeschichte. Wir mussten in den ersten Tagen schnell verschiedene Entscheidungen treffen und waren einem enormen Druck ausgesetzt. Vor allem die Frage, wie wir unsere HORSCH Mitarbeiterfamilie sowohl in der Ukraine als auch in Russland durch diese schwierige Zeit begleiten können, wie wir den betroffenen Familien und den Menschen helfen können, hat uns sehr beschäftigt. Aber auch die wirtschaftlichen Fragen haben Entscheidungen gefordert. In so einer Situation das Richtige zu entscheiden, war fast unmöglich, und auch die Emotionen, die mit im Spiel sind, zu balancieren, war nicht leicht. Es war und ist emotional eine schwierige und herausfordernde Zeit, weil man auch nicht auf alle Fragen direkt eine Antwort hat. In der Organisation sind alle dann schnell aktiv geworden, um auf allen möglichen Wegen zu helfen.

terraHORSCH: Wie hat die Hilfe für die Mitarbeitenden der HORSCH Ukraine und die Menschen im Land ausgesehen?
Philipp Horsch:
Wir haben bereits in der ersten Woche des Krieges entschieden, den MitarbeiterInnen und den Frauen und Kindern unserer Mitarbeiter zu ermöglichen, zu uns nach Deutschland zu kommen, wenn sie dies möchten. Die Mehrzahl hat das angenommen. In den letzten Tagen deutet es sich allerdings an, dass die ersten schon wieder zurück gehen in die Heimat, da in der großen Fläche der Ukraine aktuell einigermaßen Ruhe ist, sich die Leute sicherer fühlen und sie am Wiederaufbau mitwirken möchten.
Zusätzlich haben wir in der ersten Woche nach Beginn des Krieges die ersten Hilfslieferungen in die Ukraine organisiert. Aber ohne die tatkräftige Unterstützung all unserer Mitarbeitenden, deren Familien, Freunde, Bekannten und unserer Händler vor Ort hätten wir das nicht geschafft. Sie alle haben sich mit Ideen eingebracht, haben Menschen bei sich aufgenommen, weitere Hilfstransporte organisiert, Geld gespendet und Spendenaufrufe gemacht.

Die Hilfslieferungen konnten dann vor Ort auch über unsere Händler verteilt werden. Außerdem konnten wir ukrainische Lkw, die zum Laden von Maschinen bei uns waren, mit Hilfsgütern füllen. So konnten wir eben auch komplett unvorbereitet sehr schnell reagieren und helfen. Seitdem laufen kontinuierlich Lkw-Ladungen mit Hilfsgütern in die Ukraine.
Unsere polnischen Mitarbeiter sind beispielsweise selbst zur Grenze gefahren und haben dort Leute geholt, auch die ungarischen Kollegen haben Busse organisiert, um die Menschen an der Grenze abzuholen. Es haben alle mitgeholfen und zusammengehalten, damit wir gemeinsam schnell Hilfe leisten konnten.
Auch Hilfsleistungen vor Ort werden getätigt sowie Unterstützungen finanzieller Art. Das sind hohe sechsstellige Beträge, die wir hier in den letzten drei Monaten aufgewendet haben. Und wir machen weiter. Aktuell laufen wöchentlich Lieferungen in die Ukraine.

terraHORSCH: Der Standort der HORSCH Ukraine ist ja in der Nähe von Kiew. Wie ist die Situation dort? Was ist mit den Mitarbeitern und den Maschinen?
Philipp Horsch:
Wie gesagt, wir waren unvorbereitet. Den Standort hat es auch über Nacht erwischt. Wir haben dann, weil wir so nahe an Kiew liegen, begonnen den Standort großteils leer zu räumen und unser Material in Sicherheit zu bringen, auch weil wir gesehen haben, dass der Krieg schnell näherkommt. Das heißt, wir haben die Maschinen in die West-Ukraine gefahren und das Ersatzteillager ausgeräumt und zu unseren Händlern gefahren. Allerdings waren wir da schon zu spät dran und mussten aufhören, um die Sicherheit unserer Mitarbeiter vor Ort nicht zu gefährden. Der Standort war dann in den ersten Kriegswochen mit sehr viel Material praktisch verwaist.
Alle unsere Mitarbeitenden sind die ersten Wochen zuhause geblieben und haben zum Teil und soweit es möglich war von zuhause gearbeitet. Viele sind zu uns nach Schwandorf gekommen. Manche waren auch im Land in alle möglichen Maßnahmen innerhalb des Krieges integriert. Seit ein paar Wochen läuft Service, Ersatzteilversorgung, Landwirtschaft, etc. wieder weitestgehend „normal“ – was man eben in der heutigen Situation unter normal verstehen kann. Das heißt auch, dass wir Maschinen und Ersatzteile ins Land liefern, aber auf gedrosseltem Niveau.

terraHORSCH: Das bedeutet, dass die Landwirte in der Ukraine weiter ihrer Arbeit nachgehen?
Philipp Horsch:
Die Landwirte in der Ukraine haben versucht, während des gesamten Krieges durchzuarbeiten. Natürlich entsprechend dem, was möglich war, und je nachdem, wie nah oder fern sie von den Kriegshandlungen waren. Und wir haben das so gut es ging begleitet. Es ist sehr wichtig, in dieser angespannten Zeit die Lebensmittelproduktion am Laufen zu halten, denn wir steuern auf eine Ernährungskrise zu. Das wird jetzt mehr denn je bewusst. Aber ich sehe es als Chance, ein besseres Bewusstsein für landwirtschaftliche Themen in der Gesellschaft und Politik zu schaffen. Es ist wichtig zu sehen, was Ernährungssicherheit bedeutet und wie wir das hinbekommen, was wir dafür tun müssen oder auch was wir nicht tun dürfen. Wir unterstützen die Landwirte dabei, ihre Aussaat zu machen, worauf der Hauptschwerpunkt im Frühjahr liegt.
Außerdem sind wir mit unserem Service unterwegs. Von der Seite laufen die landwirtschaftlichen Aktivitäten einigermaßen – entsprechend der Situation. Außer direkt im Kriegsgebiet natürlich.

terraHORSCH: Welche wirtschaftlichen Herausforderungen hat HORSCH durch den Krieg zu bewältigen?
Philipp Horsch:
Wir mussten unter anderem entscheiden, wie wir mit den in der Ukraine geplanten Umsätzen umgehen. Die Ukraine ist unser zweitgrößter Markt in der Welt nach Deutschland, deshalb sind die Umsätze hier sehr hoch. Das war für uns eine dramatische Veränderung. Wir haben dann entschieden, die geplanten Ukraineumsätze, die 2022 noch kommen sollten, zu einem ganz erheblichen Teil aus der Planung rauszunehmen. Da war dann die nächste Herausforderung, wie wir diese Lücken füllen können, denn die Maschinen sind ja doch sehr spezifisch für die Regionen – es ist ja unsere DNA, Maschinen spezifisch für Regionen zu entwickeln und zu bauen.
Wir konnten nur einen Teil der Maschinen im Bauprogramm woanders platzieren, den Großteil mussten wir aus dem Produktionsplan rausnehmen und durch andere Produkte ersetzen. Glücklicherweise haben wir dieses Jahr die Situation, dass die weltweiten Agrarmärkte extrem positiv sind. Die Landwirte kaufen alles, was die weltweite Landmaschinenindustrie erzeugen kann. So konnten wir die Umsätze aus der Ukraine mit anderen Märkten kompensieren. Das heißt, von der Gesamtbetrachtung des Geschäftsjahres werden wir voraussichtlich umsatzmäßig wenige negative Auswirkungen haben. Vorausgesetzt wir bekommen das Material.

terraHORSCH: Das heißt, die Lieferkettensituation ist weiterhin angespannt?
Philipp Horsch:
Ja!Das ist die andere große internationale Auswirkung und Herausforderung. Die Lieferfähigkeit leidet. Wir sind dankbar, dass unsere Kunden und Händler auch Verständnis dafür haben, hinter uns stehen und uns bestmöglich unterstützen.
Die Situation war ja schon aus der Pandemie heraus sehr schwierig und durch den Krieg ist das jetzt natürlich nochmal schwieriger geworden. Wir haben jeden Tag massiv mit Teilebeschaffung zu tun, bauen große Bestände auf, weil Maschinen nicht fertig sind und die Herstellungskosten durch die Decke gehen und nicht mehr kalkulierbar sind. Es ist sehr schwierig, in die Zukunft zu schauen und zu sehen, was die Kosten- und Margensituation für uns ausmacht. Wir versuchen, unsere Margen einigermaßen zu halten. Das einzige Instrument, das wir da nutzen können, ist, mit den Lieferanten gemeinsam zu schauen, was man tun kann, um die Kostensteigerungen im Zaum zu halten und dann eben die Preiserhöhungen nach außen so moderat wie nur möglich zu machen. So dass wir einigermaßen unsere Margen halten können, die wir brauchen, aber auch nicht übertreiben. Das ist eine Gratwanderung.
Es ist in dem Zusammenhang auch schwierig zu sagen, wie so ein Jahr noch enden wird, denn es sieht nicht so aus, als ob sich die Liefersituation und Teileverfügbarkeit verbessert. Man kann vorher nicht sagen, wie es weitergeht - es ist alles sehr unsicher. Der Arbeitsaufwand ist in allen Abteilungen extrem erhöht, die Situation sehr angespannt und für unsere Mitarbeiter und Partner sehr anstrengend. Aber am Ende kommen wir auch da gemeinsam durch. Am Ende werden wir immer wieder einen Weg finden.

terraHORSCH: Welche Hoffnungen haben Sie für die Zukunft?
Philipp Horsch:
Zunächst selbstverständlich, dass der Krieg aufhört. Und dass wir wieder Stabilität in Europa bekommen, dass wir eine Friedenssicherheit haben in der Ukraine und Europa. Das nächste wäre, dass sich dadurch auch die Kosten für Energie, Rohmaterialien usw. wieder normalisieren. Aktuell können wir die Kosten nur sehr schwer planen, da man nicht vorhersagen kann, was noch kommt.
Ich habe die große Hoffnung, dass sich die starke Inflation, die wir heute in allen Bereichen sehen, auf einem Niveau normalisiert, wie wir es kannten. Unmittelbar vor dem Krieg war z.B. der Stahlpreis am Stagnieren und ist leicht nach unten gegangen. Durch den Krieg ist er wieder durch die Decke gegangen. Ich weiß nicht, wie lange es dauern wird, aber ich hoffe, dass es vielleicht schneller geht, als wir glauben. Auch, dass sich die Energiepreise schnell wieder normalisieren, ebenso die für Rohstoffe. Dann könnten wir auch Preiserhöhungen wieder zurücknehmen. Das ist meine bzw. unsere große Hoffnung. Leider ist es aktuell noch nicht absehbar, ob und wann es so weit kommt.
Und es ist uns ein großes Anliegen, uns für die Zeit nach dem Krieg vorzubereiten und vor allem durch unsere HORSCH Stiftung aktiv sowohl den Wiederaufbau zu unterstützen als auch uns für Versöhnung und Heilung zwischen den Völkern einzusetzen.