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Klima und Landwirtschaft im Wandel

von Jeremy B Hughes, HORSCH LLC

Seitdem die Erde geschaffen wurde, hat sich das Klima ständig entwickelt und verändert, noch bevor überhaupt Menschen auf der Erde lebten. Das ist eine wissenschaftlich belegte Tatsache. In welchem Maß wir Menschen einen Einfluss auf das Klima haben, wird eine kontinuierliche Studie bleiben.

Klimawandel. Fällt dieses Wort in einer Diskussionsrunde, stehen sofort die unterschiedlichsten Meinungen und Gefühle im Raum. Die heutigen Informationen zum Klimawandel erhalten wir überwiegend durch die Medien, Filmstars, Aktivisten und diejenigen, die mit der Angst Geschäfte machen. Was wir jeden Tag immer wieder hören, ist meist komplett negativ: Naturkatastrophen, Hungersnot, Zusammenbruch der Gesellschaft. Es wird kaum eine vernünftige, objektive Diskussion über den Klimawandel geführt.

Aber ein Punkt wird meist völlig außer Acht gelassen: In welcher Hinsicht kann der Klimawandel auch positive Auswirkungen haben? Gibt es Beispiele, wo er Fruchtfolgen und damit auch Erträge positiv verändert? In diesem Artikel gehe ich auf die regionale Klimaentwicklung in Norddakota ein, wo ich lebe und wo sich in Mapleton auch der Firmensitz von HORSCH in USA befindet. Ich verwende absichtlich den Begriff Klimaentwicklung statt Klimawandel, weil letzterer sehr überbeansprucht und negativ behaftet ist und auch zu viele Emotionen hervorruft.

Der Norden der Great Plains ist seit jeher als großes Weizenanbaugebiet bekannt. In Norddakota bestand die Fruchtfolge jahrelang aus Weizen, Leguminosen, Ölsaaten, Hackfrüchten und Reihenkulturen. Heute ist Norddakota einer der Topproduzenten der USA von Sonnenblumen und Bohnen für den menschlichen Verzehr, Flachs, Hafer, Zuckerrüben, Raps, Sommerweizen und Hartweizen. Ebenso werden Öl-Sonnenblumen, Kartoffeln, Linsen, Sojabohnen und Erbsen angebaut. Ackerbau in den USA ist sehr vielfältig. Die Produktion von Ethanol, Kartoffel-, Zuckerrüben-, Sonnenblumenverarbeitung und Getreidevermahlung zusammen mit einer umfangreichen logistischen Infrastruktur unterstützen diese Vielfalt.

Von Süden nach Norden

1998 kam ich als Teenager zum ersten Mal mit dem Ernteteam eines Lohnunternehmers nach Norddakota. In den USA beginnen jede Saison Hunderte von Erntehelfern im Mai in Texas mit der Weizenernte und führen diese dann bis in den späten Sommer bis nach West-Kanada durch. Für die Herbsternte läuft das dann in anderen Gegenden der USA nach dem gleichen Schema ab. Dieses Umherziehen für die „Große Amerikanische Weizenernte“ (Great American Wheat Harvest), begann während des Zweiten Weltkriegs zwischen 1939 und 1945 und ist seitdem zur Tradition geworden. Wenn ich an 1998 und meine erste Zeit in Norddakota zurückdenke, sahen die Anbaumethoden ganz anders aus als heute. Wie in der Graphik unten ersichtlich, war 1998 Weizen die Hauptfrucht in Norddakota. Der Weizen wurde meist im Frühjahr gesät zusammen mit Hartweizen und Gerste. Norddakota verfügte über die zweitgrößte Weizenanbaufläche, Kanada hatte nur etwa 200.000 Acres (81.000 ha) mehr.

Bis Mitte der 1980er-Jahre war das Klima in Norddakota überwiegend arid: durchgängig heiße Sommer, wenig Niederschlag, kühle Nächte und oft kalte Winter. Für eine Fruchtfolge von überwiegend Getreide, einigen Ölsaaten und Sonnenblumen war dieses Klima optimal. Zwischen den späten 1980ern und den frühen 1990ern veränderte sich das Klimamuster. Seit den frühen 1990ern bis heute gab es die folgenden Veränderungen im Vergleich zu den 100 Jahren davor:

  1. Reduzierung der extrem heißen Tage (Abb.1)
  2. Durchgängig warme Nächte
  3. Extrem unterdurchschnittlich kalte Tage (Abb.2)
  4. Gleichmäßige, überdurchschnittliche Niederschläge (Abb.3)
  5. Anstieg von extremen Niederschlägen (Abb.4)

(Quelle: https://statesummaries.ncics.org/chapter/nd/ )

Betrachtet man diese Dynamik der letzten 30 bis 40 Jahre, wird deutlich, dass die bisherigen 100 Jahre der Klimaentwicklung Norddakota 30 zusätzliche Vegetationstage beschert haben. Laut Langzeitvorhersagen werden die durchschnittlichen Niederschläge durch Schnee und Regen in Norddakota weiterhin steigen – dazu kommen zusätzliche Vegetationstage.

Fruchtfolge verändert

Wie das nun den Ackerbau in Norddakota verändert? Zur Jahrtausendwende war die Veränderung der Fruchtfolge schon in vollem Gange. In den frühen 2000er-Jahren begann vor allem der Aufstieg einer Frucht im Norden der Great Plains: der Sojabohne. In Gegenden bis zum 49. Breitengrad begannen Landwirte mit Sojabohnen zu experimentieren. Die Genetik verbesserte sich und brachte Sorten für kürzere Vegetationszeiten hervor. Das Klima selbst war gut geeignet dank der höheren Feuchtigkeit und der längeren Vegetationstage. Wenn man diese Dynamik mit den langen Tageslichtstunden im Sommer in der Gegend kombiniert, waren die Voraussetzungen für eine große Veränderung der Fruchtfolgen geschaffen. In den Gegenden, wo sich Sojabohnen etablierten, folgte bald auch Mais.

Der Anbau von Sojabohnen stieg in den frühen 2000er-Jahren kontinuierlich an. Soja und Mais erwiesen sich als hervorragende Ertragsbringer. In den 2010er-Jahren konnten dann sogar die höchsten Getreidepreise seit über einer Generation erzielt werden. Da sich Mais und Sojabohnen in der Region mit hohen Rohstoffpreisen als enorm erfolgreich erwiesen hatten, ging die Gesamtanbaufläche für beide Früchte drastisch nach oben.

Wenn ich heute auf meine erste Zeit in Norddakota 1998 zurückblicke, bin ich erstaunt, welche Veränderungen sich in weniger als einer Generation ergeben haben. Seit 1998 hat sich die Anbaufläche für Sojabohnen fast verfünffacht: von 1,5 Millionen Acres (607.000 Hektar) auf etwas über 7 Millionen Acres (2,8 Millionen Hektar). Die Anbaufläche für Mais hat sich in derselben Zeit vervierfacht: eine Million Acres (404.686 Hektar) auf 4 Millionen Acres (1,6 Millionen Hektar). 2021 lag Norddakota auf Platz 4 der gesamten Sojabohnenanbaufläche in USA. Die einzigen Staaten mit mehr Anbaufläche sind Iowa, Minnesota und Illinois.

Die Klimaentwicklung, die dazu beigetragen hat, die Vergrößerung der Anbaufläche für Reihenkulturen in den nördlichen Great Plains voranzutreiben, hat aber nicht nur die Fruchtfolgen, sondern auch andere Bereiche der Landwirtschaft verändert. 1998 war der Großteil der Logistik für Getreide auf den Anbau von nicht-bewässertem Weizen ausgerichtet. Das Logistiksystem basierte auf Durchschnittserträgen von 30 bis 60 Bushels pro Acre (2 bis 4 t/ha) und der Tatsache, dass die Weizenernte im Spätsommer stattfand. Düngernutzung, Getreidesilolagerung, Getreidetrocknung, Lkw-Transport, Ernteausrüstung, Eisenbahn und die lokale Getreideverarbeitung orientierten sich überwiegend an diesem System.

Ty Brown, Landwirt aus Indiana:

Ohne Zweifel erleben wir Landwirte in Indiana die Klimaentwicklung ganz direkt. Im Frühjahr wird es später warm. Zusätzlich gibt es mehr Niederschläge im Frühjahr kombiniert mit teilweise sehr heftigen Regenfällen. Positiv ist allerdings, dass der erste Frost erst später in der Saison kommt. Unsere größte Herausforderung sind die zunehmenden Starkregenfälle und dass diese sich intensivieren. Es regnet z.B. an zwei Tagen so viel wie normalerweise über einen Monat verteilt. Dafür gibt es im nächsten Monat überhaupt keinen Regen. Um sich an diese sich ändernden Wettermuster anzupassen, werden umfangreiche Drainagesysteme installiert, die den Ablauf des Wassers kontrollieren sollen. Zusätzlich müssen unsere Getreideanbaumethoden widerstandsfähiger werden gegenüber den Perioden mit Nässeextremen. Wir haben mehr Gesamtniederschläge als jemals zuvor, aber während der Wachstumssaison hat sich die Zeit zwischen den Regenfällen verlängert. Das bedeutet, dass wir jeden Wassertropfen nutzen müssen, den wir bekommen können. Wir möchten, dass unsere Böden wie ein riesiger Schwamm sind. Deckfrüchte, bodenschonende Bodenbearbeitungsmethoden, Bio-Landbau und Drainagesystem sind alles Teile unserer Anpassung an die Klimaentwicklung. 

Andere Infrastruktur

Dann lassen Sie uns doch einmal die Fruchtfolge so verändern, dass sie Sojabohnen und Mais enthält. Das Logistiksystem, das vorher auf 30 bis 60 Bushel pro Acre Weizen (2 bis 4 t/ha) ausgelegt war, musste auf einmal auch im Herbst geerntete Kulturen mit höheren Erträgen pro Acre einplanen. Heute sind Maiserträge von 150 bis 200 Bushels pro Acre (9,4 bis 12,5 t/ha) keine Seltenheit. Darüber hinaus werden jetzt die drei häufigsten Anbaufrüchte im Herbst geerntet. Damit veränderte sich auch das komplette bisher bekannte Logistiksystem. Von Ende der 2000er-Jahre bis in die 2010er-Jahre hinein erfolgte eine massive Kapazitätserweiterung der Infrastruktur, die bis heute andauert, um der Veränderung der Fruchtfolge Rechnung zu tragen. Die Lagerkapazität für Getreide auf den Betrieben und bei den Abnehmern steigt nach wie vor, ebenso die Getreidetrocknungskapazität auf beiden Seiten. Bahnhöfe wurden erweitert, sowohl um die Kapazität für Erntegüter, aber auch für Betriebsmittel zu vergrößern. Die Düngerlogistik musste durch den erhöhten Bedarf, insbesondere von Mais, an NPK (Stickstoff, Phosphor, Kalium) angepasst werden. Bei den Maschinen hat sich die Technik für die Getreideernte verändert und es gibt mehr Lkw-Kapazitäten, um die Erntemengen zu bewältigen.

Höhere Ernteerträge – nicht nur mengenmäßig, sondern auch vom Erlös her – tragen zu schnellen Veränderungen bei. Grundstückswerte und Pachtpreise schossen nach oben. Die Einkünfte der landwirtschaftlichen Betriebe stiegen ebenso wie die der Agrarindustrie. Das Wachstum der Großbetriebe und der Agrarindustrie brachte auch mehr Beschäftigungsmöglichkeiten und ein insgesamtes Wirtschaftswachstum für den Bundesstaat.

Durch die Veränderungen in der Fruchtfolge hat sich auch die Geschäftstätigkeit von HORSCH hier in Nordamerika verändert. Als ich 2006 bei HORSCH anfing, war unser Hauptprodukt das Panther- (AirTillDrill-) Säsystem, das ideal für die in Nord- und Süddakota übliche Direktsaat war. Ende der 2000er-/Anfang der 2010er-Jahre veränderte sich der Markt in den nördlichen Regionen rasant. Die Landwirte gingen weg von Weizen/Gerste/Hafer/Roggen und hin zu Reihenkulturen und stellten dadurch ihren Maschinenpark breiter auf. Das hat auch unseren Markt verändert.

2008 führten wir die Joker in Nordamerika ein. Wir starteten mit Vorführungen und der Validierung des Konzepts, da es eine solche Scheibenegge in den USA noch nie gegeben hatte. Wir dachten an den Maisgürtel und die Mitte der Great Plains als unsere ersten Märkte. Aber bis 2010 machten wir ganz andere Erfahrungen. Wie bereits beschrieben, stiegen in diesen Jahren die Niederschläge, was wiederum dazu führte, dass es im Frühjahr zur Aussaatzeit sehr nass war. Hier in Norddakota wurden die westlichen zwei Drittel des Bundesstaates in Direktsaat bewirtschaftet. Und auf einmal hatten wir Rückstände im Feld. Das Frühjahr war also nasser und wir begannen, andere Kulturen wie Mais anzubauen, die sogar noch mehr Rückstände hinterließen.

Diese Kombination war ideal, um die Joker in Nordamerika zu pushen. Nach der Joker kam schnell die Maestro mit ersten Märkten in den nördlichen Great Plains, um Soja und Mais zu säen. Innerhalb weniger Jahre waren wir voll beschäftigt mit Aussaat und Bodenbearbeitung, was natürlich das Wachstum von HORSCH in Nordamerika gefördert hat.
Diesen massiven Einfluss der Klimaveränderung auf die Landwirtschaft gibt es auch in anderen Regionen in Nordamerika. Zur gleichen Zeit, als wir diese in Norddakota durchmachten, veränderten und entwickelten sich auch die anderen Regionen. Direkt nördlich von uns in Kanada wurden die gleichen Klimaveränderungen beobachtet:

  • Manitoba – 2009 lag die Anbaufläche für Sojabohnen bei unter 500.000 Acres (202.342 ha). 2019 waren es bereits 3.000.000 Acres (1.214.056 ha).
  • West-Kanada – 2017 war die Anbaufläche für Raps zum ersten Mal in der Geschichte größer als die für Weizen. In dieser Gegend hat sich der Durchschnittsertrag bei Raps in den letzten 20 Jahren mehr als verdoppelt.
  • Saskatchewan – In den späten 2010er-Jahren stieg die Anbaufläche für Sojabohnen und Mais deutlich an.

Auch in den USA beeinflusst die Klimaveränderung die Landwirtschaft:

  • Kalifornien – Viele Leute verlassen heute Kalifornien, darunter auch Landwirte, die mit ihren Betrieben wegziehen. Wegen der Trockenheit und der ständig zunehmenden staatlichen Vorschriften sind viele Milchbetriebe nach Idaho, Texas und andere Gegenden in der Mitte der USA abgewandert. Dieselbe Dynamik zeigt sich nun auch bei den Gemüsebauern. In diesem Sektor ist Kalifornien eigentlich der führende Produzent in ganz USA.
  • Idaho – 2021: Mehr Anbaufläche für Mais als für Kartoffeln. Beeinflusst durch den Anstieg der Milchviehherden als Folge der Betriebsabwanderungen aus Kalifornien.
  • Maisgürtel – Deckfrüchte: Laut wissenschaftlicher Studien trägt CO2 zum Klimawandel bei. Es gibt mittlerweile Leistungsprämienprogramme für Landwirte, die Deckfrüchte anbauen. Deckfrüchte werden in vielen Regionen – auch im Maisgürtel – immer mehr Teil der Fruchtfolge.
  • High Plains – Diese Region war viele Jahre lang als Weizengürtel bekannt. Die glorreichen Tage der Großen Amerikanischen Weizenernte haben sich allerdings grundlegend verändert. Auf den Feldern in Kansas, Texas, Nebraska, Colorado und der umliegenden Bundessaaten, wo früher nur Weizen zu sehen war, wird heute Mais, Futter und Hirse mit Bewässerung angebaut. Diese Umstellung wurde möglich durch die Nutzung des Ogallala Aquifer (größter Grundwasserspeicher in Nordamerika), der sich unter acht Staaten entlang zieht und Wasser für 27 % der gesamten, bewässerten Getreideflächen des Landes liefert. Heute wird ernsthaft über die Ausbeutung dieser Wasserreserven diskutiert, da die Wasserverfügbarkeit jedes Jahr sinkt.

Agil bleiben

Die Klimaentwicklung beeinflusst die Landwirtschaft auf der ganzen Welt – gestern, heute und in Zukunft. Die Entwicklung brachte positive Aspekte mit sich, die wir hier aufgezeigt haben, aber natürlich gibt es auch Gegenden, wo sich Veränderungen negativ auswirken. Hier in Norddakota profitieren wir in der Landwirtschaft von den Klimaveränderungen. Dafür mussten wir unsere Art, Landwirtschaft zu betreiben, verändern – die Fruchtfolge sowie unser komplettes Produktions-, Logistik- und Weiterverarbeitungssystem. Aber solange die Welt sich dreht, werden wir immer wieder in allen Regionen Veränderungen erleben, die von der Klimaentwicklung herrühren.

Während meiner Zeit bei HORSCH bin ich durch ganz Nordamerika gereist, habe Betriebe besucht und diese Veränderungen erlebt. Ich habe mit vielen Landwirten über die derzeitige und die zukünftige Situation der Landwirtschaft in den USA und weltweit gesprochen. Eine Dynamik, die ich bei vielen erfolgreichen, langjährigen Betrieben heute sehe, ist ein Lösungsansatz auf oberstem Niveau: Agilität. So wie sich das Klima ständig entwickelt, so müssen auch wir agil und flexibel bleiben – und bereit sein für Veränderungen, um auch zukünftig erfolgreich Landwirtschaft zu betreiben.