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Neuentwicklungen in der Roboterisierung

Themen wie Automatisierung und Roboterisierung werden bei HORSCH schon lange verfolgt. Im Interview erzählt Michael Horsch, wie gemeinsam mit seinem Bruder Philipp die Idee zum Gantry entstand, wie sie sich weiterentwickelt und wo die Reise damit hingehen soll.

terraHORSCH: Wie ist HORSCH auf die Idee Gantry gekommen?
Michael Horsch:
Wir beschäftigen uns schon lange mit den Aspekten der Automatisierung und dem Bau von Robotern für die Landwirtschaft. Auslöser für den Gantry war eine Problemstellung, die hauptsächlich aus Südamerika kam. Seit ca. fünf bis sechs Jahren verkaufen wir dort unsere 18-Meter-Maestros, speziell in Brasilien, an die größeren Soja- und Maisbauern. Diese Betriebe haben verstanden, wie eine ordentliche Wirtschaftsweise auf ihren Standorten funktioniert, machen absolute Direktsaat, beherrschen das Thema Zwischenfrucht. Dadurch hat der Boden mehr Humus und Nährstoffe und kann mehr Wasser halten. Die Zwischenfrucht ist mittlerweile der Schlüssel für den Fortschritt in Brasilien – vor allem die richtigen Zwischenfruchtmischungen, sauber und zum richtigen Zeitpunkt gesät. Dadurch funktioniert auch die Direktsaat langfristig ohne Bodenbearbeitung und Lockerung. Lediglich auf den sandigen Standorten muss gezielt nachgelockert werden, was man auch nutzen kann, um ein Düngerdepot in tiefere Schichten abzulegen.
Die meisten Landwirte dort haben jedoch das Problem, immer weniger Mitarbeiter für die Bewirtschaftung ihrer sehr großen Flächen zu bekommen. Deshalb haben sie lieber ein, zwei größere Maschinen als mehrere kleine.
Die Anforderungen gehen Richtung 24 m oder noch mehr Arbeitsbreite. Allerdings gibt es aus maschinenbaulicher Sicht eine magische Grenze – die 18 m. Hier kann man noch gut klappen, hat relativ wenig Maschinengewicht und eine gute Stabilität. Ab 24 m werden die Maschinen sehr schwer und man hat das Gewicht da, wo man es am wenigsten braucht, nämlich in der Mitte. Um die Kräfte beim Klappen noch bewältigen zu können, ist genau dort sehr viel Stabilität und dadurch Gewicht nötig.
Wir haben uns damit befasst und überlegt, was sinnvoll ist, damit die Maschinen nicht zu groß und schwer sind, aber eben noch schwer genug für die Direktsaat und vor allem mit guter Verteilung des Gewichts über die gesamte Arbeitsbreite. Da sind wir auf den Gantry gekommen. Allerdings ist er nicht unsere Erfindung.  

terraHORSCH: Woher stammt die Idee zum Gantry?
Michael Horsch: Die Idee zum Gantry ist schon ca. 40 Jahre alt. Ich verfolge seit Anfang der 80er diese Entwicklung in England, z.B. amNational College of Agricultural Engineering inSilsoe. Heute befassen sich neben uns einige Unternehmen mit der Idee mit ganz interessanten Anwendungen und auch dem Aspekt der Automatisation.
Viele Hersteller, Unis und Start-ups beschäftigen sich oft mit kleinen, meist vollelektrisch betriebenen Robotern. Dabei wird oft in Schwärmen gedacht. Es gibt mittlerweile jetzt schon Unternehmen, die das kommerzialisieren. Wir haben uns z.B. Farmdroid angeschaut und gemerkt, dass hier sehr pragmatische junge Leute, die aus der Landwirtschaft stammen, arbeiten. Die gehen mit einem sehr praktischen Ansatz ran, was das Ganze aus meiner Sicht auch schneller hoffähig macht. Versucht man, viel in der Theorie zu arbeiten und Dinge auf kleinen Testflächen umzusetzen, kommt man viel langsamer voran.
Wir haben uns zunächst auf die großen Arbeitsbreiten, vollautomatischen Sävorgänge etc. konzentriert.
Besonders große 12- und 18-m-Sämaschinen, die nach vorne klappen und kompakte Transportbreiten sowie große Sätanks haben, lassen sich gut autonomisieren. Natürlich müssen wir nach wie vor weiter Untersuchungen vornehmen und Ideen entwickeln.
Eine der ersten Erkenntnisse der letzten Jahre, die wir durch unsere Testeinsätze mit den Robotern gemacht haben, ist, dass man nur ein geringes personelles Einsparpotenzial hat. Die Aufgabenbereiche verändern sich nur – man sitzt nicht mehr in der Kabine, sondern kontrolliert, dass die Maschine ihre Arbeit macht, und optimiert permanent die Einstellungen für ein optimales Arbeitsergebnis – und das oft nur durch Hinterherlaufen

terraHORSCH: Wie wird es in Zukunft aussehen?
Michael Horsch:
Es geht jetzt zügig voran, aber es gibt noch viel Softwarearbeit. Z.B. in der Spurplanung oder in der Umfelderkennung gibt es noch viel zu tun und da liegt auch noch viel Know-how.  Das Ganze geht aber nur schnell weiter durch unsere ständige Testarbeit im Feld, vor allem auf unserem eigenen Testbetrieb AgroVation.
Das Thema Controlled Traffic Farming sind wir auch schon vor ca. zwölf Jahren auf unserem Betrieb angegangen. Wir wollten sehen, ob man mehr Effizienz aus den Maschinen herausholen kann und ob es sich auf die Bodenstruktur und damit auch auf die Erträge auswirkt, wenn man alle Überfahrten auf feste Spuren legt und den Rest nicht mehr überfährt. Wir haben erkannt, dass das auch der erste Schritt zur Robotik war, dass wir die Spuren planen und den Acker digitalisieren müssen.
Ackerbaulich hat uns Controlled Traffic jedoch nicht das gebracht, was wir uns erhofft hatten. Bei der Ernte macht es am meisten Sinn, die hohen Lasten auf festen Spuren zu bewegen. Gerade bei der Maisernte ist es oft nass und der Weizen, der nach Mais kommt, leidet. Hier hilft uns CTF sehr.  Ab und zu haben wir ein paar Effekte bei schweren Böden festgestellt. Wenn es nass war und man feste Spuren gelegt hatte, waren kleine Effekte bei Bestandsentwicklung und Ertrag im einstelligen Prozentbereich messbar zu erkennen.
Was auch eindeutig zu sehen war: Wenn Bodenbearbeitung ausschließlich mit CTF gemacht wird, werden die Böden unausweichlich uneben. Selbst bei Direktsaat und jahrelangem CTF in Australien macht man die gleichen Erfahrungen. Es bilden sich Längs- und Querwellen, wenn jedes Jahr auf derselben Spur in dieselbe Richtung gefahren wird. Und das hat sich auf die Bodenbearbeitungs- und Saatqualität und auf das schnelle Fahren z.B. beim Spritzen ausgewirkt. Auch beim Mähdrescher hat man zum Teil festgestellt, dass man dem Boden schlecht folgen kann, wenn man Lagergetreide hatte. Dazu kommt: Wenn man eine feste Spur fährt, dann wird die Spur, ganz gleich wo sie ist, zum „Feldweg“. Und jeder weiß, was aus einem Feldweg über mehrere Jahre wird. Er hat Schlaglöcher, er wird uneben und vor allem ist er bei Nässe immer schwieriger zu befahren.

terraHORSCH: Wie sieht die HORSCH Gantry Lösung aus? Wie hat sich das weiterentwickelt?
Michael Horsch:
  Die Motivation war ja, kein weiteres schweres Eisenschwein zu bauen, das den Boden stark verdichtet. Wir gehen den Gantry-Weg mit zwei Rädern vorne und zwei Rädern hinten und der Rahmen ist zwischen den Rädern durchgeschoben. Die Vorderachse ist in unserem Fall breiter – die steht auf einer 12-m-Spur. Die Hinterachse steht auf einer 4-m-Spur. Der Grund dafür ist, dass es so nicht eine einzige Spur ist, die immer doppelt überrollt wird. Denn wenn es nass ist und man zweimal in der gleichen Spur fährt, auch zwischen den Reihen, kann es sein, dass man eine Riesenschweinerei macht und starke Verdichtungen die Folge sind.
Letztes Jahr in der Coronazeit um Weihnachten haben mein Bruder und ich uns weiter Gedanken gemacht und kamen so auf die Idee, nicht eine 24-m-Maissämaschine zu bauen, bei der man mit zu kleinen Rädern und zu viel Gewicht im Mittelteil schlechte Kompromisse eingeht, sondern die Maschine gleich als Roboter anzulegen. So war unsere Gantry-Idee geboren – in etwas abgewandelter Form mit dem Rahmen in der Mitte usw. Diese Idee war dann innerhalb weniger Tage auskonstruiert. Anfang Januar holten wir einen unserer Ingenieure, um alles fertig zu machen und die Maschine zu bauen.  

terraHORSCH: Was ist der Stand jetzt? Wo sind aktuell noch Probleme?
Michael Horsch:
Wir sind aktuell dabei, auszuprobieren und zu testen. Ende Mai ging der Gantry nach Brasilien, um dort die Großflächentests durchzuführen. Bei uns haben wir dafür zu wenig Möglichkeiten – er ist zu breit und es gibt keine Straßenzulassung.
Was außerdem noch aussteht, ist die Softwarefrage. Technisch ist es einfach zu lösen. Die Hauptarbeit macht wie immer die Software. Bis die Sensorik so weit ist, dass die Maschine auch schnell genug reagiert, bis alles das tut, was es soll, ist es noch ein weiter Weg.
Was uns bei Feldtests immer wieder bewusst wird, ist, dass man wesentlich mehr Effizienz und höhere Arbeitsqualität erzielt, wenn man die Kabine weglässt. Die Kabine wird ja doch gerne mal zweckentfremdet, um sich auszuruhen.
Der Vorteil ist aber auch, dass man viel Bauplatz gewinnt. Dadurch wird die Zugänglichkeit enorm verbessert und man kommt überall ran – auch von unten. Die Bauweise des Rahmens, besonders des Hauptrahmens, ist einfach, elegant und vor allem besonders stabil. So kann man auch breitere Maschinen bauen. Wir können unser Konzept wahrscheinlich auf bis zu 30 oder sogar 36 m ausweiten. Durch die großen Tanks generieren wir eine größere Reichweite und man kann sie dort platzieren, wo man das Gewicht benötigt.
Natürlich ist irgendwann eine Grenze erreicht, was vier Räder tragen können. Bei 40-50 Tonnen auf den Rädern wird es langsam kritisch, vor allem beim Wendevorgang, wenn der Särahmen hochgehoben ist oder bei nassen Bedingungen. Leer wiegt das Ganze ja schon fast 30 t, plus 10-15 t Saatgut – das Gewicht kommt schnell zusammen. Trotzdem ist dieses Konzept beherrschbarer als eine aufgelöste Bauweise. Man muss bei der Direktsaat das Gewicht überall gleichmäßig dahin bringen, wo die Reihenkörper sitzen, auch ganz außen. Je breiter die Maschine ist, desto schwieriger ist das zu realisieren.

terraHORSCH: Welche Bereiche lassen sich mit solchen Ideen gut automatisieren?
Michael Horsch:
In der Automatisierung ist es meines Erachtens wichtig, die Themen anzugehen, die am einfachsten umzusetzen sind, die mit Aussaat, Pflanzenschutz, Düngung und mechanischer Unkrautbekämpfung zu tun haben. Bodenbearbeitung steht nicht so sehr im Vordergrund, ist aber auch nicht so kompliziert und läuft eher nebenher. Erntevorgänge zu automatisieren, ist dagegen hochkompliziert. Wir sind weit davon entfernt, eine Erntemaschine fahrerlos auf dem Feld fahren zu lassen, egal ob das jetzt ein Mähdrescher, ein Kartoffel- oder Zuckerrübenernter ist. In dem Bereich gibt es einfach zu viele Einflussfaktoren. Jeder der z.B. schon einmal Lagergetreide mit einem Mähdrescher gedroschen hat, weiß, was das für eine Herausforderung ist.