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Kultureller Auftrag

Die HORSCH Praxistage 2020 hätten im Mai und Juni auf Betrieben in Frankreich und Österreich stattfinden sollen, kombiniert mit einem ausgiebigem Rahmenprogramm. Jedoch zerstörte die Corona-Krise diese Pläne. Veranstaltungsort für die Praxistage in Österreich wäre der Seehof in Donnerskirchen gewesen, der zu den Esterhazy Gutsbetrieben gehört. Die beiden Geschäftsführer des Bio-Landguts, David Goldenits und Johannes Niegl, stellen uns den Betrieb nun stattdessen in der terraHORSCH vor.

terraHORSCH: Bitte erzählen Sie uns doch etwas über sich selbst und Ihre Aufgabe innerhalb des Bio-Landguts Esterhazy.
Johannes Niegl:
Seit 2018 bin ich einer der Betriebsleiter des Bio-Landguts Esterhazy und hauptsächlich für den kaufmännischen Bereich zuständig. Ich habe Betriebswirtschaftslehre studiert und bin auf einem kleinen landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb aufgewachsen. Außer den betriebswirtschaftlichen Themen beschäftige ich mich auch intensiv mit der Digitalisierung, die im Agrar-Bereich verstärkt Einzug nimmt. Wir binden geocodierte Daten sowohl in den operativen Alltag als auch in die grundlegende strategische Planung unserer Liegenschaftsverwaltung ein. Das ist für uns ein wichtiges Zukunftsthema, dem wir uns nicht verschließen.
David Goldenits: Ich bin für die operative Betriebsleitung in den Bereichen Ackerbau, Tierhaltung und Naturschutz zuständig und seit 2013 im Betrieb. Begonnen habe ich in der Assistenz und übernahm mit den gestiegenen Herausforderungen der Zeit immer mehr Verantwortung. Wie mein Kollege Johannes Niegl bin ich auch auf einem landwirtschaftlichen Betrieb aufgewachsen, einem Bio-Hof mit dem Fokus auf Gemüsebau. Diesen wertvollen praktischen Hintergrund habe ich durch ein Studium an der Universität für Bodenkultur im Bereich Agrar- und Ernährungswirtschaft sowie biologische Landwirtschaft ergänzt.

terraHORSCH: Dann sehen wir uns das Bio-Landgut doch mal näher an. Wie sind die klimatischen Voraussetzungen? Wie hoch ist der jährliche Niederschlag? Welche Bodentypen herrschen vor?
David Goldenits:
Das Bio-Landgut Esterhazy liegt in der Region des Neusiedler Sees im Osten Österreichs. Es herrscht ein kontinentales Klima, das geprägt ist von sehr kalten Wintern und sehr heißen Sommern mit bis zu 40°C. Wir befinden uns hier in einem der wärmsten und trockensten Gebiete Österreichs. Der Jahresniederschlag liegt bei nur 450 bis 600 mm. Das beeinflusst unser Handeln auf dem Betrieb stark, vor allem in Bezug auf die richtige Wahl der Kulturarten und Sorten. Die Region rund um den Neusiedler See ist außerdem sehr windreich und die damit verbundene Winderosion stellt uns vor allem im Frühjahr vor Herausforderungen. Dagegen gehen wir mit gezielten Maßnahmen wie das Anpflanzen heimischer Baum- und Straucharten als Windschutzgürtel an und setzen auf einen verstärkten Humusaufbau. Bodenproben, die jährlich vom Maschinenring Steiermark – Kompetenzzentrum Nährstoffmanagement durchgeführt werden, haben ergeben, dass durch eine konsequente Bewirtschaftung auf unseren Standorten der Humusanteil zwischenzeitlich auf 5 % angehoben werden konnte. Die Bodenarten reichen von seichtgründigem, sandigem Schotter bis hin zu schwerem, lehmigem Ton. Die Flächen bilanzieren im Schnitt allerdings nur bei 38 Bodenpunkten. Unsere Agrarstandorte liegen auf einer Höhe von 113 m NN bis 400 m NN und erstrecken sich in einem Umkreis von 60 km.

terraHORSCH: Der Seehof in Donnerskirchen ist eines der Standbeine der Esterhazy Gutsbetriebe. Was genau steckt denn hinter dem Namen Esterhazy?
Johannes Niegl:
Die Familie Esterhazy prägte über vier Jahrhunderte den pannonischen Raum. Durch die Wirren des 2. Weltkrieges verloren sie in Ungarn den Großteil ihrer Flächen. Im österreichischen Burgenland blieben ihnen allerdings 44.000 ha erhalten. Der Wunsch des letzten Fürsten Paul V. Esterhazy war es, die familiären Besitztümer bedeutender Kulturgüter für nachfolgende Generationen zu bewahren. Diesem Wunsch kam seine Gattin Melinda Esterhazy nach und gründete ab 1994 unauflösliche Stiftungen. Die Tätigkeitsbereiche der Esterhazy Stiftungen erstrecken sich über Forst- und Landwirtschaft inklusive des Naturschutzes, Weinbau, Immobilienverwaltung und -entwicklung bis hin zu Tourismus und Kultur.
David Goldenits: Ziel der Stiftungen ist unter anderem ein gesundes und modernes Wachstum der Wirtschaftsbetriebe. Des Weiteren sollen mit den daraus resultierenden Erträgen die großen historischen Baudenkmäler und kulturellen Sammlungen erhalten und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Als einer der größten landwirtschaftlichen Biobetriebe Österreichs - und als einer der ersten „Großen“ überhaupt - hat das Bio-Landgut Esterhazy bereits 2002 sämtliche eigenbewirtschafteten Flächen auf ökologische Bewirtschaftungsweise umgestellt. Neben weiteren Betriebsstandorten richtet sich das Augenmerk derzeit verstärkt auf den Seehof bei Donnerskirchen. Dieser wird gerade als Leit- und Besichtigungsbetrieb ausgebaut, auf dem mittlerweile regelmäßig auch größere Veranstaltungen stattfinden. So etwa die Biofeldtage, die nach einem erfolgreichen Start 2018 im Juni 2021 in die nächste Runde gehen.

terraHORSCH: Wie viel Fläche bewirtschaften Sie?
David Goldenits:
Wir verwalten 5.600 ha Ackerland, von denen etwa 2.200 ha unter der Marke Bio-Landgut Esterhazy bewirtschaftet werden. Die restlichen Flächen werden an Dritte verpachtet. Unser mittelfristiges Ziel ist es, dass sämtliche Esterhazy‘schen Flächen biologisch unter einer gemeinsamen Marke produzieren.Neben weiteren 22.400 ha Waldfläche werden zusätzlich noch circa 16.000 ha nicht oder nur gering genutzt. Diese werden vorrangig für spezielle Natur- und Artenschutzanliegen zur Verfügung gestellt.

terraHORSCH: Was für ein Ziel wollen Sie mit ihrer Form der Landwirtschaft erreichen?
Johannes Niegl:
Im Jahr 2002 schlug die Esterhazy-Stiftung neue Wege ein. Die Landwirtschaft sollte wieder stärker in den Mittelpunkt gerückt und öffentlichkeitswirksamer werden. Zwar wurde bereits vor dem Jahr 2002 auf den Esterhazy Gutsbetrieben erfolgreich Landwirtschaft betrieben, aber niemand in der Region kannte den Betrieb. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Veranstaltungen auf unseren Gutshöfen. So findet zum Beispiel am Seehof, neben den Biofeldtagen auch jährlich das Hoffest statt. Dadurch gibt es nun viel mehr Besucher auf unserem Hof. Die Errichtung einer modernen Fleischmanufaktur, eines Besucherzentrums und eines Seminarraums sind die logische Konsequenz daraus. Als Leitbetrieb wollen wir Verantwortung übernehmen – gegenüber der Natur und der Gesellschaft mit ihren sozialen und kulturellen Werten. Die Verbundenheit mit dem Land, der Region und ihren Bewohnern ist ein wichtiger Grundsatz unseres Handelns. Diese Verantwortung wird nicht nur im Unternehmen gelebt, sondern soll auch über seine Grenzen hinausgetragen werden.

terraHORSCH: Inwiefern hat das auch eine Auswirkung auf die Vermarktung Ihrer Produkte?
David Goldenits:
Alle Erzeugnisse aus Forst, Landwirtschaft und Gesteinsabbau werden durch unser Unternehmen „PANNATURA“ vermarktet. Viele der angebauten Feldfrüchte wie etwa Weizen, Körnerleguminosen und verschiedene Ölpflanzen werden durch unser Unternehmen selbst oder gemeinsam mit Partnern zu Produkten weiterverarbeitet. Auch die Eier der Legehennen unseres mobilen Hühnerstalls am Seehof, oder der Honig der Bienen, die auf den Esterhazy’schen Feldern ihre Nahrung finden, werden unter diesem Siegel vermarktet. Das Fleisch unserer Angus-Rinder sowie auch das Wildfleisch aus unseren zahlreichen Revieren wird in unserer gerade erst am Seehof entstandenen Fleischmanufaktur unter anderem zu Burger-Patties oder Rohschinken weiterverarbeitet.Diese und weitere veredelte Produkte, wie auch unsere Mehl-, Gebäck- oder Pflanzenöllinie, werden lokal in unserer Markthalle im nahe gelegenen Eisenstadt oder auch österreichweit in Supermärkten vermarktet. Zwischenzeitlich gehen wir auch neue Wege und sind mit Food Trucks auf allen unseren Veranstaltungen und Standorten unterwegs. Wir werden gerade in diesen Bereich noch stärker investieren, um nicht nur die Produktion, sondern auch den regionalen Vertrieb zu fördern.Die Vermarktungsmöglichkeiten über unser Unternehmen „PANNATURA“ bzw. über die Marke Bio-Landgut Esterhazy wollen wir in Zukunft auch den Pächtern unserer landwirtschaftlichen Flächen anbieten. Somit schaffen wir für sie auch eine Möglichkeit, Preisturbulenzen entgegenzuwirken und auch ihre Rohstoffe zu veredeln und regional vermarkten zu können.

terraHORSCH: Welche Kulturen bauen Sie an? Was haben Sie für eine Fruchtfolge?
David Goldenits:
Anhand einer zehn-gliedrigen Fruchtfolge holen wir das Beste aus unseren Standorten heraus. Körnerleguminosen nehmen dabei mit 20 % einen bedeutenden Anteil ein. Wir fokussieren uns dabei schwerpunktmäßig auf Soja- und Ackerbohnen, Wintererbsen und nutzen Platterbsen als Zwischenfrucht. Die bedeutendsten Kulturarten stellen allerdings nach wie vor Speisegetreidearten, dabei v.a. Winterweizen und Winterbraugerste, dar. Getreide eignet sich ideal für unsere klimatischen Voraussetzungen. Durch Hitze, Trockenheit und Wind im Sommer ist der Pilzbefall im Winterweizen sehr gering. Der Ertrag liegt bei durchschnittlich 3,3 t pro Hektar. Die Winterbraugerste ist mittlerweile auch sehr wichtig für uns, da wir gemeinsam mit einer lokalen Brauerei ein eigenes Bio-Bier in unsere Produktpalette aufgenommen haben. Weitere Getreidekulturen, die wir anbauen sind: Roggen, Dinkel und Sommerhafer. Den Hafer verkaufen wir hauptsächlich an einen Großhändler, im Durchschnitt ernten wir 4 t pro Hektar. Rund ein Viertel unserer Ackerflächen wird für Futterzwecke für die Tierhaltung angebaut. Unser Fokus liegt klar auf dem Anbau von Speisekulturen. Durch die bereits erwähnte hohe Trockenheit in unserer Region sind mittlerweile 35 % unserer Flächen bewässerungsfähig, davon mehr als ein Drittel auch bereits elektrifiziert. Bei etlichen Flächen können wir aufgrund von zu tiefem Grund- und fehlendem Oberflächenwasser auch zukünftig keine Beregnungsmöglichkeiten herstellen. Dort regulieren wir Probleme durch Trockenheit über das Bewirtschaftungsmanagement, etwa eine Tiefenlockerung, kombiniert mit einer lediglich seichten, vollflächigen Bearbeitung und passen die Fruchtfolge mit trockenstresstoleranteren Kulturarten an.

terraHORSCH: Bauen Sie auch alte Sorten oder Sonderkulturen an?
David Goldenits
: Ja, der Anbau von Sonderkulturen spielt für uns auch eine wichtige Rolle. Beispielsweise ist dabei der Anbau von Ölkürbis zu nennen. Denn er eignet sich durch seine hohe Trockenheitstoleranz ideal für unsere Standorte. Der Ertrag liegt im Schnitt bei 400 kg getrockneter Kerne pro ha. Seit einiger Zeit sammeln wir auch erste Erfahrungen im Anbau von Kichererbsen. Dem massiven Problem des Schädlingsdrucks treten wir mit auf den Standorten angepassten Anbauzeitpunkten und gezielten Bewässerungsgaben entgegen. Kichererbsen kommen im Vergleich zu anderen Körnerleguminosen grundsätzlich besser mit Trockenheit zurecht. In der Vergangenheit bauten wir auch alte Getreidesorten an, wie Emmer- und Einkornweizen. Wir erzielten damit auch gute Erträge. Die Vermarktung dieser beiden alten Weizensorten am Markt stellte sich jedoch als schwierig heraus. Für die anstehenden Biofeldtage planen wir jedenfalls wieder eine umfassende Bio-Sortenschau mit über 170 unterschiedlichen Sorten, darunter auch wieder mit Emmer- und Einkornweizen. Vielleicht gelingt es uns dadurch, sie in der Gesellschaft bekannter zu machen und sie in Zukunft wieder in unsere Fruchtfolge zu integrieren.

terraHORSCH: Welche Projekte sind sonst noch für die Zukunft in Planung?
Johannes Niegl:
Abgesehen von den bereits erwähnten Projekten haben wir noch viele Pläne für die Zukunft. Sowohl was die weitere Modernisierung der Landwirtschaft betrifft als auch die Öffentlichkeitsarbeit.
Dafür werden wir in nächster Zeit noch weitere Bauprojekte umsetzen. Es wird sehr viel Geld darin investiert, öffentlichkeitswirksame Hofbereiche des Seehofs weiterzuentwickeln. Der Dachboden im alten Getreidelager wurde bereits zu einem Seminarraum umgebaut und die alte Schmiede zu einem Veranstaltungsraum. Bei allen Planungen steht im Vordergrund, mit dem Seehof einen Ort zu schaffen, an dem in der Gesellschaft ein Bewusstsein für Lebensmittel und deren Produktion entsteht.

terraHORSCH: Wie kam die Kooperation mit HORSCH zustande? Was erhoffen Sie sich von dieser Kooperation?
David Goldenits:
Bei unseren Hoffesten oder auch anderen Veranstaltungen erkannten wir, wie wichtig es ist, mit Branchenkollegen und Konsumenten ins Gespräch zu kommen.
Wir sehen darin vermehrt einen Anknüpfungspunkt auch für andere Unternehmen. Wir sind daher mittlerweile stark damit beschäftigt, Kooperationspartner zu finden, die uns bei diesem Weg unterstützen und mit denen wir gemeinsame Projekte realisieren. In dem Unternehmen HORSCH haben wir den idealen Ansprechpartner dafür gefunden. Mit unserer Lage im Ballungsraum zwischen Wien, Bratislava und Budapest bieten wir außerdem das ideale Einzugsgebiet regional wie überregional hin in den Osten Europas - Regionen, in denen HORSCH stark vertreten ist. Durch diese Kooperation hoffen wir, noch mehr zukünftige Besucher anzusprechen, die sonst nicht den Weg zu uns finden würden. Neben den eigenen Praxistagen hätte HORSCH auch an unseren diesjährigen Biofeldtagen teilgenommen, die im Juni einige Tage früher stattgefunden hätten. Bereits jetzt hat HORSCH angekündigt, an den Biofeldtagen 2021 teilzunehmen. Wir freuen uns darauf, in Zukunft gemeinsame Projekte umzusetzen.