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Hilfe aus der Natur

von Evaristo de Miranda

In nur wenigen Ländern der Welt sind Nützlinge in der Landwirtschaft so ein großes Thema wie in Brasilien. Es werden hunderte Arten von Bakterien, Protozoen, Pilzen, Mykorrhiza, Milben, Insekten und deren Pheromone identifiziert und anschließend vermehrt. Sie werden in Labors, Biotechnik-Unternehmen und in landwirtschaftlichen Betrieben hergestellt. Ziele sind vor allem, die Produktivität mittels symbiotischer Stickstoffdüngung zu steigern, zur biologischen Aktivität von Böden beizutragen und Schädlinge sowie Krankheiten biologisch zu bekämpfen.

Benutzt werden die Nützlinge und biologischen Hilfsstoffe auf den verschiedensten landwirtschaftlichen Flächen: auf großen und kleinen Betrieben, vom Äquator bis hin in die gemäßigteren Regionen Brasiliens. Der Absatz nimmt dabei jedes Jahr zu. Das gilt auch für die Ausbringungstechnik, von der Transportlogistik, über Spritztechnik bis hin zu Drohnen oder landwirtschaftlich genutzten Flugzeugen. Start-ups, nationale und internationale Unternehmen tummeln sich auf diesem Markt.
Herstellung, Vertrieb und Anwendung werden durch Gesetze kontrolliert. Sie regeln die Produktion und den Handel von Düngemitteln, Regulatoren, Impfstoffen, Biofertilisatoren, Remineralisatoren und Substraten für Pflanzen, die für die Landwirtschaft bestimmt sind. Es gilt das Gesetz 12.890/ 2013.
Die Hauptanwendungsgebiete für Nützlinge und biologische Hilfsstoffe sind:

- Biologische Stickstoffdüngung

In Brasilien hat die biologische Stickstofffixierung über Knöllchenbakterien eine echte Bedeutung zur Nährstoffversorgung von Nutzpflanzen. Über sie wird der Stickstoffbedarf von vielen Hülsenfrüchten (Bohnen, Sojabohnen und Erdnüssen) erfüllt, was eine Stickstoffdüngung komplett überflüssig macht. Um eine Tonne Sojabohnen zu produzieren, sind etwa 80 kg Stickstoff erforderlich, die durch die Verbindung der Pflanzenwurzeln mit den Stickstoff-fixierenden Bakterien vollständig aufgenommen werden.
Auf etwa 35 Millionen ha Anbaufläche für Sojabohnen werden mehrere ausgewählte Bakterienstämme eingesetzt. Die Behandlung des Saatgutes mit mindestens 160.000 Bakterien pro Korn führt zu einer jährlichen Einsparung bei Stickstoffdünger im Wert von 8,5 Milliarden US-Dollar. Dabei ist die biologische Stickstofffixierung an den Bedarf der Kultur angepasst. So minimiert diese Technologie Umweltprobleme, die sonst mit mineralischen Stickstoffdüngern einhergehen, wie die Eintragung ins Grundwasser, die Eutrophierung von Seen, die Emission von Lachgasen usw.
Brasilianische Forschungsinstitute und Privatunternehmen haben hocheffiziente Bakterienstämme der Gattungen Rhizobium und Bradyrhizobium sowie beispielsweise Azospirillum brasilense entwickelt. Diese neuen Bakterien erhöhen die Stickstofffixierung in der Rhizosphäre von Weizen, Mais und Weiden. Darüber hinaus produzieren sie Phytohormone, die das Wurzelwachstum stimulieren. Dies vergrößert die Wasser- und Nährstoffaufnahmefläche und stärkt die Trockenresistenz der Pflanzen. Versuche von Vogel et al. (2015) sowie von Stets (2013) und Roesch et al. (2005) zeigten tatsächlich positive Auswirkungen von Azospirillum brasilense in Bezug auf das Wurzel- und Blattwachstum bei Weizen. Zusammen genommen führen die verschiedenen verfügbaren biologischen Hilfsstoffe für brasilianische Landwirte zu Einsparungen von schätzungsweise 15 Milliarden US-Dollar pro Jahr.

- Struktur-Hilfsstoffe

Ziel dabei ist es, die biologische Vielfalt im Boden zu maximieren, die Fruchtbarkeit zu steigern und eine Bodenstruktur zu schaffen, die für die Entwicklung von Wurzeln und Pflanzen günstig ist - auch ohne Pflügen und für die Direktsaat. Basierend auf der molekularen Genomik wird diese Biotechnologie in Brasilien wie ein Probiotikum verwendet und stimuliert die biologische Vielfalt im Bodenmikrobiom.
Die Kulturmedien werden von Landwirten auf ihren eigenen Betrieben produziert. Die Aufwandsmenge liegt bei einer Größenordnung von 150 Litern pro Hektar und kann zusammen mit einem Herbizid ausgebracht werden. Ein Teil der Kosten für die mikrobiologische Düngung wird durch Kraftstoffeinsparungen ausgeglichen, da Bodenbearbeitungs- und Tiefenlockerungsmaßnahmen entfallen. Die größten Kosten für mikrobiologischen Dünger fallen für das Nachfüllen der Fermenter für die Produktion an.
Hierbei geht es aber nicht um Düngemittel oder organische Stoffe, sondern um mikrobiologische Hilfsstoffe, die für jeden Bodentyp geeignet sind. Die Technologie passt sich der lokalen Umgebung an und reagiert auf den sogenannten „biologischen Fingerabdruck“ jeder Kultur. Es ist sozusagen ein mikrobiologischer Dünger, der auf die jeweilige landwirtschaftliche Fläche genau zugeschnitten ist. Der Produktionsprozess kann an jede Betriebsgröße sowie an jede Pflanzenart angepasst werden.
Aufgrund der Multifunktionalität im Produktionssystem liegt der Schwerpunkt der mikrobiologischen Düngung bei der Wiederherstellung der biologischen Vielfalt im Boden, insbesondere von Bakterien. Molekularanalysen zeigen die Existenz von bis zu 500 verschiedenen Gruppen von Bakterien in einer gut durchgeführten Fermentation. Dies schließt Gruppen ein, die ein Bakteriengel (Polyuronsäure) produzieren, das Bodenpartikel aggregieren kann. Das Gel bildet Bodenstruktur, baut Bodenkrümel auf und versorgt den Boden mit mehr Sauerstoff und Wasser. Dies wirkt sich positiv auf die Fruchtbarkeit aus.
Darüber hinaus erweitert diese mikrobiologische Düngung die Verbindung des Bodens mit der Pflanze durch Exsudation. Ein Großteil der durch Photosynthese erzeugten Energie (durchschnittlich 30 %) wird zur Exsudation verwendet. In einem Anbaujahr gibt Mais etwa eine Million Liter Polysaccharide pro Hektar (oder 10 t trockene organische Substanz pro ha) ab. Diese Exsudate füttern die Mikrobiota um die Wurzeln. Sie bringen der Pflanze viele Vorteile, z.B. steigern sie die Verfügbarkeit von Mineralien, die für die Krankheitsresistenz verantwortlich sind. Untersuchungen zufolge waren selbst in Gebieten mit Nematoden durchschnittliche Produktivitätssteigerungen zu verzeichnen.

- Biologischer Pflanzenschutz

Das ist die allgemeine Bezeichnung für mikro- und makrobiologische Wirkstoffe zur Bekämpfung von Schädlingen und Krankheiten. Sie werden von Firmen hergestellt, die auf die Identifikation und Vermehrung von Pilzen, Bakterien, Milben und Insekten spezialisiert sind, die auf Kulturen im integrierten Pflanzenschutz eingesetzt werden sollen. In diesem Sektor wurden Hunderte von Unternehmen gegründet, er macht in Brasilien bereits knapp 25 % des Pflanzenschutzmarktes aus.

Die Produktion von biologischen Hilfsstoffen orientiert sich an der Entwicklung neuer Produkte, Anwendungsformen und der besseren Anpassung von bestehenden Organismen an die unterschiedlichen Klimazonen in Brasilien. Neben den kommerziellen Unternehmen beschäftigen sich mehrere öffentliche Forschungsinstitute mit der Entwicklung neuer Technologien. Durch das tropische Klima im Land werden unterschiedliche biologische Mittel nachgefragt, da das ganze Jahr über gesundheitlicher Druck auf den Kulturpflanzen lastet.

Zahlreiche Parasitoide, Krankheitserreger, Schädlinge und Antagonisten werden in Programmen zur biologischen Bekämpfung an Produkten (Soja, Mais, Baumwolle und Kaffee) in kleinen Gärten und Obstplantagen in allen brasilianischen Regionen eingesetzt. Die meisten biologischen Wirkstoffe bekämpfen Schädlinge und Krankheiten, die unter anderem durch Raupen, weiße Fliegen, Gallennematoden, Wurzelblattzikaden, Rohrbohrer, phytophagische Milben und Pilzmückenfliegen verursacht werden, einschließlich bodenbürtige Erreger und Schädlinge.

Die häufigsten biologischen Pflanzenschutzmittel sind Insektizide, Fungizide und Nematizide. Die wichtigsten biologischen Wirkstoffe sind: Bacillus thuringiensis, Trichogramma pretiosum, Beauveria bassiana, Trichoderma spp., Bacillus spp., Bacillus pumilus, Metarhizium anisopliae, Cotesia flavipes, Trichogramma galloi und Raubmilben.

Bacillus pumilus zum Beispiel hat eine fungizide Wirkung, die die Pflanze vor der Entwicklung des Erregers auf der Blattoberfläche schützt und zusätzlich das Abwehrsystem der Pflanze aktiviert. Es wird für Soja-, Zwiebel-, Apfel- und Erdbeerkulturen verwendet und ist wirksam bei der Bekämpfung von Pilzkrankheiten wie Mehltau, Botritis, violettem Fleck und asiatischem Rost.

Beauveria bassiana ist ein natürlich vorkommender Pilz, der bei einigen Insekten tödliche Krankheiten verursacht. Wenn es auf die Blätter aufgetragen wird, ist es wirksam bei der Bekämpfung von Zikaden (Dalbulus maidis), der Weißen Fliege (Bemisia tabaci), Termiten und Ameisen sowie einigen Raupen (Brassolis sophorae). Dieses biologische Insektizid wird häufig beim Anbau von Zuckerrohr, Mais, Reis, Baumwolle und Bohnen eingesetzt.

Die wichtigsten Kulturen, bei denen diese Verfahren angewendet werden, sind in Brasilien Soja (Bt) sowie Zuckerrohr (Metarhizium und Cotesia). Die am häufigsten verwendeten Applikationsverfahren sind unter anderem: Blattspritzung, das Freisetzen von Puppen und adulten Nützlingen, die Saatgutbehandlung, das Animpfen des Bodens in die Furche während der Saat oder Pflanzung sowie der Einsatz von Drohnen bei der Verteilung von Schlupfwespen und Pilzen.

Schädlinge werden auch mit biologischen Fallen bekämpft, die von Unternehmen mit umfassender Erfahrung in diesem Sektor hergestellt werden. Das sind nicht nur Fallen, die auf Pheromonen basieren, sondern auch solche mit Klangattraktion, Farben und Licht. Es gibt eine Reihe von Strategien, die für Gemüse, Blumen, Baumwolle, Kaffee, Zitrusfrüchte, Apfel, Papaya, Mango, Kokosnuss, Tabak, Zuckerrohr, Mais, Soja, Bohnen und Lager-Getreide ganz unterschiedlich sind.

Infrastruktur

In Brasilien ist der biologische Pflanzenschutz sowohl in kleinen Betrieben (Gartenbau, Obstbau ...) als auch auf großen Flächen (Getreide, Baumwolle, Zuckerrohr, Wiederaufforstung und Obstbau) recht üblich. Dies führte zur industriellen Produktion der Nützlinge und biologischen Hilfsstoffe. Viele Landwirte haben eigene Anlagen eingerichtet, um sie auf ihren Betrieben selbst zu produzieren. Die Besonderheit dabei ist, dass Pilze, Milben und Wespen am Leben erhalten werden. Sie können nicht wie chemische Pflanzenschutzmittel einfach ins Regal gestellt werden. Um die Anwendung auf Millionen von Hektar unter den verschiedensten ökologischen und sogar sozioökonomischen Bedingungen Brasiliens sicherzustellen, mussten dafür enorme Anstrengungen im landwirtschaftlichen Bereich unternommen werden.
So ist ein Netzwerk von unterschiedlich großen Unternehmen entstanden, wie zum Beispiel für die Ausbringung lebender Wirkstoffe aus der Luft, das Aufstellen von Fallenanlagen, die Beurteilung des Befallsniveaus mittels automatisierter Überwachungssysteme.
Überall sind fundierte Kenntnisse über die Physiologie der Pflanzen, die Biologie der Schädlinge und Krankheitserreger, die Früherkennung, die richtige Einschätzung des Schweregrads des Schädlingsbefalls und der Umweltbedingungen unerlässlich. Anspruchsvollere Überwachungssysteme, die bereits im „Internet der Dinge“ (IOT) laufen, sind für das Pflanzenschutz-Management nötig. Der Erfolg hängt auch von der umsichtigen Verwendung resistenter oder toleranter Sorten ab, darunter gentechnisch veränderter Sorten (GVO).
Der weit verbreitete Einsatz von Nützlingen und biologischen Hilfsstoffen, aber auch die Industrialisierung des dafür nötigen Umfeldes machen meiner Ansicht nach die brasilianische Landwirtschaft zu einer der fortschrittlichsten in der landwirtschaftlichen Produktion allgemein, vor allem aber bei der Förderung der Pflanzengesundheit.

Lesen Sie mehr über die Praxiserfahrungen eines 600.000 ha Betriebs in Brasilien.