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Landwirtschaft in Zeiten von Corona

Wer hätte sich noch vor drei Monaten vorstellen können, dass die Landwirtschaft und der Landwirt einmal systemrelevant werden würden - und das weltweit? Corona hat das möglich gemacht. Gerade jetzt dürfen die wichtigen Ansätze der regenerativen Landwirtschaft nicht in den Hintergrund rücken. Michael Horsch erklärt warum.

„Die Diskussion zwischen ökologischer und konventioneller Landwirtschaft hat sich versachlicht. Beim Gesetzgeber spürt man, dass alles, was die Wirtschaft zusätzlich belastet, nicht um jeden Preis durchgesetzt wird. Das heißt aber nicht, dass Themen wie Klima, gesunde Nahrungsmittel usw. verschwinden. Im Gegenteil: Sie bekommen jetzt eine neue Qualität und rücken auf eine Ebene, auf der wir Landwirte rationaler mit der Gesellschaft diskutieren können.

Nehmen wir das Beispiel Reduktion von Pflanzenschutzmitteln. Hier ist vielen Landwirten bewusst, dass es sich nicht nur um eine Forderung der Gesellschaft handelt. Die Erfahrungen aus unserem Wirtschaften bringen uns automatisch dorthin. Resistenzen gegen Pflanzenschutzmittel (z.B. Ackerfuchsschwanz) nehmen stetig zu und das Erhöhen der Aufwandmengen bringt nur kurzfristig eine Verbesserung. Des Weiteren stellen wir von Jahr zu Jahr fest, dass sich enge Rapsfruchtfolgen (25 % +) rächen. Die Rapserträge steigen nicht mehr. Im Gegenteil. Sie gehen mancherorts sogar zurück - trotz oder wegen mehr Pflanzenschutzeinsatz!?

Das führt dazu, dass die Fruchtfolgen zunehmend erweitert (Diversität) und Pflanzenschutzmaßnahmen automatisch zurückgefahren werden. Ich sehe immer mehr Frühjahrskulturen und damit auch Reihenkulturen, die ebenfalls mit Einzelkornsämaschinen gesät werden. In diesem Zusammenhang denkt man darüber nach, nur noch die Reihe mit Herbizid zu behandeln und dazwischen auf mechanische Unkrautbekämpfung zurückzugreifen. Zu diesen Kulturen zählt übrigens auch Raps, der durchaus auf 50 cm gesät werden kann.
Regenerative Landwirtschaft (Hybrid-Landwirtschaft) wird langfristig eine weitere Alternative zur Öko- bzw. konventionellen Landwirtschaft sein. Wir wollen uns auch in diesem Segment profilieren und helfen, die „regenerativen“ Gedanken voranzutreiben. Viele denken bei regenerativer Landwirtschaft automatisch an eine neue Form der Öko-Landwirtschaft. Doch das stimmt nicht. Der regenerative Aspekt passt sehr wohl auch in die konventionelle Landwirtschaft.
Klar ist, dass man beim regenerativen Ansatz versucht, den Einfluss von chemischer Düngung und Pflanzenschutz auf die Biologie im Boden und in der Pflanze zu reduzieren, ja sogar zu ersetzen. Dabei muss man besser verstehen, wie die Pflanze bzw. die Wurzel mit dem Boden und der Biologie zusammenspielt und welche Rolle Bodenorganismen einnehmen, wenn man die Umgebung, in der sie leben, so beeinflusst, dass sie die Funktion von z.B. chemischer Düngung teilweise ersetzen können.
Uns muss auch bewusst sein, dass wir mit regenerativer Landwirtschaft nicht in erster Linie Erträge weiter steigern, sondern mehr Bodenqualität, natürliche Pflanzengesundheit und eine höhere Qualität in Form von höherer Nährstoffdichte in unserem Getreide erhalten werden. Nicht zu vergessen, dass die Kohlenstoffspeicherung im Boden (Humusaufbau) nur mit dieser Wirtschaftsweise möglich sein wird, auch wenn das Thema Klima jetzt mit Corona etwas ins Hintertreffen geraten ist.
Aus diesem Grund möchten wir uns auch in den folgenden Ausgaben mehr mit regenerativer Landwirtschaft beschäftigen. In Deutschland, Österreich, Frankreich und England gibt es schon jahrelange Erfahrungen zu diesem Thema. Wir möchten aber auch internationale Erkenntnisse einbeziehen. Dazu konnten wir mit Joel Williams einen international anerkannten Spezialisten gewinnen. Wir werden mit Joel einige Artikel verfassen – den ersten finden Sie gleich auf den nächsten Seiten - und hoffentlich auch viel darüber lernen, was schon alles an Wissen und Erfahrungen zu regenerativer Landwirtschaft international vorhanden ist.“