Kalkuliertes Wagnis
Bei der Umstellung auf ökologische Landwirtschaft steht beim Betrieb Agr’Estuaire der Maschinenpark im Mittelpunkt. Denn er spielt eine wichtige Rolle in der Betriebsstrategie. Zum einen, um die Arbeitszeit zu optimieren, zum anderen, um sich letztendlich auf die Kulturen zu konzentrieren, die einen hohen Mehrwert bringen.
Agr’Estuaire liegt nordöstlich von Bordeaux. Vom 25. Mai bis 12. Juni 2020 hätten dort eigentlich die HORSCH Praxistage stattfinden sollen. Neben einer Besichtigung des Betriebes wären Mais und Hacken sowie die neuen Einzelkornsämaschinen der Maestro Familie die Hauptthemen gewesen. Aufgrund der Corona-Entwicklung musste die Veranstaltung jedoch abgesagt werden.
Yoann Gauchery ist Agraringenieur. Er leitet hauptverantwortlich den Betrieb, der seit diesem Jahr komplett auf Bio umgestellt ist. 2015 wurde er durch ihn und vier weitere Partner mit einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von 880 ha übernommen. Er wurde konventionell bewirtschaftet, die Fruchtfolge bestand ausschließlich aus Mais und Hartweizen. Heute werden 45 ha Braugerste, 245 ha Mais und 570 ha Soja angebaut. Die Unkrautbekämpfung erfolgt überwiegend mechanisch. „Wir wollten die Produktion aufwerten. Nach einigen Überlegungen haben wir uns daher für die Umstellung auf Bio entschieden. Außerdem hat uns auch die technische Herausforderung gereizt. Alle fünf Partner ticken da sehr ähnlich. Außerdem hatten viele von uns bereits Flächen, sowohl im Freiland als auch unter Glas für den Gemüseanbau, die bereits biologisch bewirtschaftet werden“, erklärt Yoann Gauchery.
Finanzielle Vorleistungen
Den Betrieb dahin zu bringen, wo er heute steht, war ein gewaltiges Stück Arbeit. Agr’Estuaire liegt mitten in der Mündung der Gironde, die Böden sind eben und sumpfig. Nach der Übernahme 2015 musste einiges getan werden, um zunächst einmal das Hauptproblem des Betriebs zu lösen: das Wassermanagement. Der Aufwand dafür wurde im Vergleich zu der Zeit vor der Übernahme des Betriebs vervierfacht – das Ziel war es, 200 ha pro Jahr für die Bewirtschaftung zu optimieren. Hartweizen wurde in die Fruchtfolge aufgenommen, um im Sommer so früh wie möglich wieder damit weiter machen zu können. Durch Kalkdüngung stieg der pH-Wert in den oberen 15 bis 20 Zentimetern und der Boden wurde kreuzweise gelockert. Green Tillage wurde eingeführt, um früher Mais säen zu können. Dabei wird eine Zwischenfrucht in den künftigen Zwischenraum eingebracht und ein Damm über den Maisreihen geschaffen, damit der Boden schneller wieder abtrocknet. Pflügen stand seit der Übernahme des Betriebs nicht mehr zur Diskussion.
„Uns war außerdem klar, dass die Stromversorgung- und die Bewässerungstechnik wieder auf den neuesten Stand gebracht werden mussten. 97 % unserer Felder werden nämlich beregnet. Wir haben eigens einen Mechatroniker eingestellt, der für den Betrieb der Bewässerungssysteme und die Instandhaltung von allem, was mit Elektrik zu tun hat, zuständig ist. Dazu gehört auch die Wartung der Schlepper und der GPS-Systeme“, fügt Yoann Gauchery hinzu.
Maschinen als Schlüssel zur Umstellung
Eine der größten Herausforderungen bei der Umstellung auf Bio war der Arbeitskräftebedarf. Die Fruchtfolge besteht zu mehr als 90 % aus bewässerten Sommerkulturen. Daher verdoppelte sich der Bedarf an Mitarbeitenden: von einer Arbeitskraft pro 200 ha war man nun bei einer pro 100 ha! Über die Arbeitsbreite der Maschinen, Controlled Traffic Farming und eine neue Aufteilung der Schläge konnte dieses Problem gelöst werden. „In der Hochsaison arbeiten auf dem Betrieb jetzt sechs Angestellte – das ist einer pro 150 Hektar. Unsere Felder sind eben, rechteckig und zwischen 30 und 100 ha groß. Ein weiteres Problem bei der ökologischen Landwirtschaft sind die engen klimatischen Fenster. Auch hier war die größere Arbeitsbreite der Maschinen die Lösung. Wenn die Bedingungen es zulassen, arbeiten die Maschinen rund um die Uhr“, erklärt Yoann Gauchery.
„Der Vorbesitzer bearbeitete den Boden nur oberflächlich, aber die Bewässerung hat der Bodenstruktur sehr geschadet. Wir haben uns daher entschieden, tiefer zu arbeiten, um den Lehm aufzulockern, die für die Wurzeln verfügbare Oberfläche zu vergrößern und so den Ertrag zu erhöhen. Wenn man sich für intensivere Bearbeitung entscheidet, muss man aber auch die Tragfähigkeit der geschwächten Böden berücksichtigen. Dank der Einführung von Zwischenfrüchten und CTF konnten wir dieses Problem lösen“, beschreibt Yoann Gauchery.
Nach den Hauptkulturen werden so viel Zwischenfrüchte wie möglich gesät, damit der Boden nicht unbedeckt bleibt. Mehr organisches Material erhöht auch die Tragfähigkeit und das Leben im Boden. Die Zwischenfrüchte wurden früher in zwei Überfahrten ausgebracht. Der Tiger DT sorgte wieder für Struktur im Boden und mit der Joker kombiniert mit einem Partner Tank wurde oberflächlich gemischt und die Zwischenfrucht-Mischung in Breitsaat gesät. In diesem Jahr wurde nun in einem Arbeitsgang mit dem Tiger MT - ausgerüstet mit Scheiben und Zinken - gesät, der mit dem Partner kombiniert ist. Er läuft gleich nach dem Mähdrescher. Die Scheiben mischen vor, die Zinken arbeiten hinten tief auf 25 bis 30 cm. Der Terrano FG schneidet die Zwischenfrüchte kurz ab. Die Zinken zerkleinern das Material und der Striegel verteilt die Rückstände auf der Oberfläche. Der Terrano arbeitet ohne Walze, so wird das Anwachsen von Unkräutern verhindert. Der Tiger MT und der Terrano FG arbeiten je nach Bedarf in verschiedenen Tiefen. Yoann Gauchery macht deutlich: „Unsere Strategie ist: wenige, aber dafür Topmaschinen. Und die lasten wir maximal aus!“
Die Revolution mit CTF
„Wie viele andere auch haben wir CTF bei Veranstaltungen und Vorführungen von HORSCH kennengelernt. Wir arbeiten mit einer Spur von 9 m und den entsprechenden Vielfachen. Unsere Felder sind optimal daran angepasst. Verdichtungen auf den Felder werden so auf das absolute Minimum begrenzen. Die Fahrer fahren in den vorgegebenen Spuren. So garantieren wir die bestmögliche Schonung unseres Hauptproduktionsmittel: des Bodens“, betont der Betriebsleiter.
Agr’Estuaire hat sich für 9 m statt für 12 m entschieden, weil das Gewicht der Maschinen so besser zur Tragfähigkeit der sumpfigen Böden passt. Auch die Verteilung des Strohs und der Spreu hinter dem Mähdrescher und das Ausbringen von Mist sind bei dieser Breite gleichmäßiger und besser.
Als die Arbeitsbreite der Maschinen einmal feststand, war die größte technische Herausforderung, die Fahrspuren anzulegen. Kein Feld ist ja genau rechteckig und bedingt durch die Topographie der sumpfigen Böden ist teilweise alle 100 bis 200 Meter ein Graben. Vor und nach diesen Gräben gibt es also zwei Fahrspuren. Pro Feld gibt es durchschnittlich fünf bis sieben Spuren.
Dieses System wurde auf allen Parzellen umgesetzt, um die Abläufe für die Angestellten so einfach wie möglich zu machen. In jedem Schlepper gibt es eine Übersicht dieser CTF-Fahrspuren. Diesen kann man so immer exakt folgen und schafft keine neuen.
Neue Technologien
„Wir benutzen ein GPS-System von Trimble und die Software Climate Field View zum Kartografieren, um unsere Felder in Echtzeit zu überwachen und um bei Veränderungen sowie bei der Düngung leichter Anpassungen machen zu können!“, erzählt Yoann Gauchery und fügt hinzu: „So können wir die Aussaatstärke entsprechend der bewässerten und unbewässerten Flächen anpassen. Bei der Aussaat wird eine Vielzahl von Daten aufgezeichnet: Aussaatstärke, Anteil des organischen Materials, Bodenfeuchtigkeit…. Sie sind alle per iPad abrufbar. Das ist einfach und praktisch.“
Und als nächstes? Neue Kulturen…?
„Unser Ziel ist es, so weiterzumachen wie bisher und dabei unsere Strategie ständig zu verbessern. Das ist das erste Jahr, in dem wir komplett ökologisch arbeiten. Wir möchten den Weg, den wir mit unserer Technik eingeschlagen haben, auf die sogenannten klassischen Kulturen anpassen: wie Mais, Soja oder Gerste. Letztendlich möchten wir uns Zeit nehmen, um uns auf die Kulturen zu konzentrieren, die uns einen hohen wirtschaftlichen Mehrwert bringen“, erläutert Yoann Gauchery.
Er fährt fort: „Unsere Fruchtfolge besteht überwiegend aus Mais, deshalb denken wir über eine mögliche Diversifizierung mit Sorten wie Zuckermais, Popcornmais oder Maissaatgut nach. Wir haben den Anbau dieser Frucht sehr gut im Griff und durch die Erweiterung mit den verschiedenen Sorten könnten wir die Wertschöpfung erhöhen und gleichzeitig die Bewässerungssysteme nutzen, die wir sowieso schon haben. Diese Kulturen sind allerdings noch etwas anspruchsvoller. Da sind erhebliche Investitionen und ein hoher Aufwand nötig. Wir denken aber auch über den Anbau von grünen Bohnen oder Tomaten nach.
Wir arbeiten ständig daran, unsere Systeme zu verbessern. Deshalb haben wir zusammen mit der Landwirtschaftskammer des Departements Gironde Versuchsflächen für verschiedene Sojasorten angelegt. Grundsätzlich nutzen wir jährlich etwa 10 ha dafür. Wir versuchen zum Beispiel, Zwischenfruchtkulturen zu entwickeln wie Braugerste kombiniert mit Soja als Zwischenfrucht. Wir haben auch noch andere Ideen in der Pipeline wie Mais mit einem Abstand von 1,5 m und einer Zwischenfrucht links und rechts der Reihen.“
Den Plan für die Zukunft fasst Yoann Gauchery wie folgt zusammen: „Interessen, Wissen und Erfahrungen sind bei uns Partnern gut gemischt. Deshalb hoffen wir, dass wir bis in fünf Jahren neue Kulturen und neue Systeme entwickeln und diese Erkenntnisse auch an andere Betriebe weitergeben können.“