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Auf dem Weg zum Full-Liner

„Wann kann ich denn von euch endlich eine Anbauspritze kaufen?“ Diese Frage hören HORSCH Händler inzwischen sehr häufig. Und dieser Wunsch geht nun in Erfüllung. terraHORSCH sprach mit Theo Leeb über den aktuellen Entwicklungsstand, die zusätzlichen Erweiterungen der neuen Selbstfahrer-Linie und seine Gedanken zur Zukunft des Pflanzenschutzes.

terraHORSCH: Im Interview der terraHORSCH Sonderausgabe zur Agritechnica 2019 erwähnten Sie bereits, dass Sie auf dem Weg sind, ein Full-Liner im Bereich der Pflanzenschutztechnik zu werden. War damit eine Anbauspritze gemeint?
Theo Leeb:
Die Entwicklungen in diesem Bereich schreiten tatsächlich mit großen Schritten voran. Im Herbst 2020 wird es bereits den ersten Prototyp mit einem Behältervolumen von 2.000 l geben. Für das Frühjahr 2021 ist dann die erste Vorserie geplant. Die Anbauspritze wird voraussichtlich mit drei verschiedenen Tankgrößen erhältlich sein – und zwar mit 1.200 l, 1.600 l und 2.000 l. Um das Volumen noch weiter zu erhöhen, ist jede Variante mit einem Fronttank erweiterbar.

terraHORSCH: Wie wird sich die Anbauspritze auf dem Markt abheben?
Theo Leeb:
Wir werden auch im Bereich Anbauspritze viele neue Ideen und bewährte Techniken aus unserem bisherigen Programm einfließen lassen. Das war schon im Ausbau des bestehenden Spritzenprogramms immer ein Erfolgsgarant. Die Lösungen in den Bereichen Gestängeführung, Pumpenleistung, Reinigung, Bedienung und Kopplung an den Schlepper werden sich deutlich von bisherigen Standards abheben. Auf der technischen Seite sticht das serienmäßige BoomControl System für eine automatische Gestängeführung heraus. Dieses System kommt auch bei unseren gezogenen Spritzen und den Selbstfahrern zum Einsatz. Ein hydraulischer Antrieb für die Spritzpumpe in Verbindung mit einem intelligenten Kopplungssystem ermöglicht es, den Schwerpunkt der Anbauspritze sehr nahe an den Traktor zu verlagern. Gleichzeitig wird dadurch ein schnelles und einfaches Ankoppeln an den Schlepper sichergestellt, da keine Gelenkwelle mehr nötig ist. Beim Wassersystem setzen wir alternativ auf CCS und CCS Pro, das bereits bei den gezogenen Pflanzenschutzspritzen Leeb LT oder Leeb GS zum Einsatz kommt. Eine Kreiselpumpe sorgt dabei für eine Leistung von 400 l in der Minute. Außerdem ist in diesem System eine automatische Innenreinigung integriert.
Die Gestängebreiten werden zwischen 15 und 30 m liegen und optional einseitig klappbar sein.

terraHORSCH: Welche Kunden wollen Sie mit der Anbauspritze ansprechen?
Theo Leeb:
Ziel ist es, mit der Anbauspritze Kunden anzusprechen, die aufgrund ihrer Betriebsstruktur keine gezogene Pflanzenschutzspritze nutzen können.Dabei handelt es sich zum Beispiel um Betriebe, die über Flächen in starker Hanglage verfügen oder vorwiegend kleine Flächen bearbeiten. In erster Linie kommen wir mit der Anbauspritze dem westeuropäischen Markt entgegen. Der Absatzmarkt wird hauptsächlich Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Österreich und die Schweiz umfassen. Wir wissen sehr genau, aus welchen Gebieten uns die Nachfragen zu diesem Produkttyp erreichen.

terraHORSCH: In der Agritechnica-Ausgabe der terraHORSCH berichteten Sie außerdem, dass die neue Selbstfahrer-Linie künftig über viele variable Ausstattungsvarianten verfügen wird. Warum stellen Sie sich im Bereich der Selbstfahrer breiter auf?
Theo Leeb:
Wie bereits oben erwähnt, sind wir aktuell auf dem Weg, ein Full-Liner im Bereich der Pflanzenschutztechnik zu werden. Wir wollen jedem Landwirt die für ihn passende Technik bieten. Weltweit gibt es in jedem Land und in jeder Ackerbauregion sehr unterschiedliche Rahmenbedingungen. Der Markt in Westeuropa fordert andere Produktmerkmale als in Osteuropa und wiederum nochmals andere als in Nordamerika. Im Einzelnen betrifft das vor allem Bodenfreiheit, variabel verstellbare Spurweite, Behältervolumen, Gesamtgewicht, Komfort, Motorleistung, Abgasstufen und gesetzliche Vorgaben. Regionen, in denen beispielsweise überwiegend Sonnenblumen angebaut werden, stellen andere Anforderungen an einen Selbstfahrer als dies vergleichsweise in Getreideanbauregionen der Fall ist. Ein weiteres Beispiel ist, dass in Deutschland ein hoher Bedarf an einer verstellbaren Spur besteht (zum Beispiel auch bei Lohnunternehmen). In anderen Ländern spielt das nur eine untergeordnete Rolle. Wir wollen den relevanten Agrarmärkten auf der Welt die perfekt passenden Selbstfahrer-Konzepte bieten. Mit den variablen Ausstattungsvarianten der neuen Selbstfahrer-Linie können wir alle Anforderungen sehr gut erfüllen.

terraHORSCH: Wie setzen Sie diese auf der technischen Seite um? Wird es für die neue Selbstfahrer-Linie noch mehr Erweiterungen geben als die bereits bekannten?
Theo Leeb:
Es wird drei verschiedene Varianten des Selbstfahrers geben. Bereits bekannt ist dabei der neue Leeb PT 6.300 und 8.300 mit einem Behältervolumen von 6.000 l oder 8.000 l. Dieser wurde auch bereits auf der Agritechnica gezeigt. Besonders zu erwähnen ist hierbei noch das Querlenker-Radaufhängungssystem mit hydropneumatischer Federung. Diese Baureihe ist mit einer festen Spureinstellung von 2 bis 2,25 m erhältlich und wird in Zukunft mit einem 5.000-l-Behälter nach unten abgerundet.
Die beiden anderen Selbstfahrer-Varianten sind der VN und der VL. Die neue Selbstfahrer-Baureihe VN (variable narrow) ist mit teleskopierbaren Achsen und einer neuen Einzelradaufhängung ausgestattet und wird über eine variabel verstellbare Spureinstellung verfügen. Diese bewegt sich in zwei Bereichen: entweder von 1,80 bis 2,25 m oder von 2,25 bis 3 m. Der Kunde kann individuell wählen, welche Variante für ihn am besten passt. Die Spureinstellung von 2,25 bis 3 m kann optional mit einer Höhenverstellung bis 2 m ausgestattet werden. Der VN ist zunächst mit einem Behältervolumen von 5.000 l oder 6.000 l erhältlich. Das ganze Konzept ist vor allem für die Anforderungen auf dem europäischen Markt entwickelt und erinnert vom Einsatzbereich ein wenig an den PT 350. Ende des Jahres wird der erste Prototyp gebaut und der Plan ist es, im Frühjahr 2021 die erste Vorserie zu produzieren.
Für den weltweiten Markt gibt es mit dem VL (variable large) die dritte neue Selbstfahrer-Variante. Der VL ist mit einem ähnlichen Achs- und Radaufhängungskonzept ausgestattet. Hier ist die variabel verstellbare Spurweite auch in zwei Bereichen verfügbar – einmal zwischen 2,60 und 3,50 m und von 3 bis 4 m. Beide können mit einer optionalen Höhenverstellung von bis zu 2 m ausgestattet werden. Zunächst wird der VL mit einem Behältervolumen von 6.000 l und 8.000 l verfügbar sein. Hier werden die ersten Prototypen gerade gebaut. Die Kollegen und Kunden in der Ukraine, Russland, Ungarn, Nordamerika, Brasilien und Australien freuen sich bereits auf die ersten Tests und Erfahrungen mit den Maschinen und den neuen Innovationen, die wir auch hier einbringen werden. Darüber hinaus wird es auch eine Einstiegsvariante mit 4.000 l geben.

terraHORSCH: Gibt es auch Neuigkeiten im Bereich der gezogenen Pflanzenschutzspritzen?
Theo Leeb: Wir arbeiten aktuell daran, die Baureihe der Leeb AX, die es im Moment mit einer Behältergröße von 3.800 l gibt, wesentlich zu erweitern. Das heißt, die Leeb AX wird in Zukunft über Fassgrößen zwischen 3.800 l und 8.000 l verfügen.

terraHORSCH: Das Bandspritzen ist eine der Entwicklungen im Bereich des Pflanzenschutzes, die in Zukunft mehr Aufmerksamkeit erhalten könnte. Welche Erfahrungen haben Sie bisher damit gesammelt?
Theo Leeb: Beim Bandspritzen handelt es sich um eine Methode, bei der nur die Pflanzenreihen oder die Zwischenräume behandelt werden. Es ist vergleichbar mit einer teilflächenspezifischen Behandlung, die aber in Streifen auf dem gesamten Feld durchgeführt wird. Ziel ist dabei ein präziserer Einsatz des Pflanzenschutzmittels und eine Reduzierung des Mittelaufwands. Dieses Verfahren wurde bereits vor 35 Jahren angewandt, allerdings mit sehr schmalen Arbeitsbreiten oder in Kombination mit Hackmaschinen. Zum einen war hier die Flächenleistung ein Problem und zum anderen bei der Kombination mit Hackgeräten die unterschiedlichen optimalen Einsatzbedingungen. Für das Hacken sollte es möglichst trocken sein. Temperatur und Wind spielen keine Rolle. Für die Bandspritzung allerdings ist der optimale Einsatzzeitpunkt sehr stark von Wind und Temperatur abhängig. Das ist einer der Gründe, weshalb es in den letzten Jahren nicht mehr so intensiv in der Praxis angewandt wurde. Auf Grund der knapper werdenden Wirkstoffvarianz und der steigenden Umweltauflagen gewinnt diese Technik jedoch wieder mehr an Bedeutung. Gleichzeitig ist es aber auch sehr wichtig, die Flächenleistung zu erhöhen und möglichst flexibel in den Anwendungszeitpunkten zu sein. Bei uns kam bereits vor mehreren Jahren der Gedanke auf, mit einer Flächenspritze – ausgestattet mit schmalkegeligen Düsen – auf die Pflanzenreihe oder zwischen den Pflanzenreihen zu applizieren. Dank unserer 25-cm-Düsenteilung kann der Zielbereich Reihe oder Zwischenreihe einfach ausgewählt werden. Seit vier Jahren forschen und testen wir deshalb umfangreich im Bereich des Bandspritzens. Dabei haben wir bisher festgestellt, dass zwei wichtige Voraussetzungen erfüllt sein müssen: Erstens ist die Gestängesteuerung von großer Bedeutung – hier setzen wir mit unserem BoomControl System aktuell sicher den Maßstab. Für ein optimales Bandspritzen muss das Gestänge äußerst präzise geführt werden. Zweitens sind auch die Reihenabstände sehr wichtig, denn nur durch einen perfekten Anschluss ist sichergestellt, dass sich die Spritzdüse exakt über der Reihe oder zwischen den Reihen befindet. Eine Voraussetzung dafür liegt allerdings nicht nur in der Pflanzenschutztechnik, sondern auch in der Sätechnik. Für optimales Bandspritzen ist auch der Anschluss von Säbreite zu Säbreite sehr wichtig. In hügeligem Gelände kommt zusätzlich erschwerend hinzu, dass die Maschine abdriftet und aktiv gegengelenkt werden muss. Um dieses Problem zu lösen, verfolgen wir zwei Ansätze: Basierend auf GPS-Daten eines zusätzlichen GPS-Empfängers auf der Spritze wird dabei per Implement Steering die Lenkachse der Anhängespritze gesteuert. Beim zweiten Ansatz, den wir verfolgen, kommt ein Kameralenksystem zum Einsatz. Hier wird eine Kamera auf dem Gestänge montiert, die die Pflanzenreihe erkennt. Diese Information nutzen wir, um die Spritze exakt über den Reihen zu führen.

terraHORSCH: Wie hoch schätzen Sie die Marktrelevanz des Bandspritzens ein?
Theo Leeb:
Aufgrund der bereits erwähnten hohen Voraussetzungen ist das Bandspritzen nicht für jeden Landwirt geeignet. Neben der präzisen Pflanzenschutztechnik braucht der Landwirt auch eine Sämaschine mit RTK-System, denn die Spritzbreite ist nicht dieselbe wie die Sämaschinenbreite. Beim Bandspritzen sind die Probleme vorgelagert und nicht unbedingt eine Herausforderung an die Spritztechnologie. Bandspritzen funktioniert nur, wenn das gesamte System beherrscht wird – und das beginnt bereits bei der Aussaat. Absolute Perfektion beim Säen ist die Grundvoraussetzung, für die man mit der HORSCH Technik bestens gewappnet sein kann.
Wir bewegen uns mittlerweile in einem Bereich, in dem technologisch sehr viel möglich ist. Ob es dann allerdings im Gesamtpaket auch wirtschaftlich immer einen Sinn ergibt, muss im Einzelfall betrachtet werden. Meiner Meinung nach hängt sehr viel davon ab, welche gesetzlichen Einschränkungen in Zukunft auf uns zukommen werden. Bei einer Mengenbeschränkung von beispielsweise Wirkstoffmenge je Hektar pro Jahr wäre eine Technik wie das Bandspritzen sehr sinnvoll, da ein Einsparpotenzial von bis zu 60 % vorhanden ist.

terraHORSCH: Eine weitere Entwicklung im Bereich des Pflanzenschutzes, die zukünftig an Bedeutung gewinnen könnte, ist die Einzelpflanzenerkennung. Inwieweit haben Sie sich mit dieser Thematik bereits befasst?
Theo Leeb:
Neben dem Bandspritzen ist natürlich auch die Einzelpflanzenerkennung eine Methode, um zukünftig die Aufwendung von Pflanzenschutzmittel zu reduzieren. Die Einzelpflanzenerkennung ist für uns auch ein immer größer werdendes Thema. Wir haben aber das Gefühl, dass hier viele Erwartungen geweckt wurden, die in der Praxis noch weit von der Realität entfernt sind. Gerade auf der Agritechnica war das der Fall. Die große Gefahr ist dabei, dass sich politische Entscheider auf Basis von solchen Visionen ein Bild von der Landwirtschaft machen, das nicht der Wirklichkeit entspricht.
Wir sind gerade mit zwei Herstellern von Kameras im Gespräch, die an einer Einzelpflanzenerkennung von Beikrautpflanzen in einem grünen Bestand arbeiten. Diese Technologie der grün-in-grün-Erkennung basiert auf künstlicher Intelligenz und steht noch am Anfang, da die KI mit einer Vielzahl von unterschiedlichsten Gegebenheiten trainiert werden muss. Die grundlegende Frage dabei ist, für welche Kulturpflanzen sich eine Einzelpflanzenerkennung eignet und auch einen wirtschaftlichen Vorteil bringt. Mit einer 50-cm-Standarddüsenteilung ist der kleinstmöglich zu besprühende Spot ungefähr 50 x 50 cm groß. Wenn die nächste zu behandelnde Pflanze auch in diesem Spot liegt, dann bleibt die Düse angeschaltet. Eine Einzelpflanzenerkennung ist bislang nur dann sinnvoll, wenn ein größerer Abstand zwischen den Unkräutern/Ungräsern liegt oder diese nesterweise auflaufen.
Die Einzelpflanzenerkennung ist eine sehr spannende Technologie, die ich für zukunftsweisend halte und in der wir eine führende Rolle einnehmen wollen. Aber es wird noch eine Weile dauern, bis sie in größerem Ausmaß in der Praxis umsetzbar sein wird und auch viele Landwirte davon profitieren können.