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Nasser Herbst – schlechte Ernte?

„Noch nie seit Messbeginn im Jahr 1881 gab es in Deutschland so nieder­schlags­reiche zusammen­hängende zwölf Monate.“ Das meldete der Deutsche Wetterdienst (DWD) – wohlgemerkt im Juni 2024! Dass sich an dieser Wetterlage nichts grund­sätzlich geändert hat, werden wohl viele Betriebs­leiter im Spätherbst 2024 bestätigen können.

Externe Umfragen bestätigen, dass knapp die Hälfte der diesjährigen Winter­getreide­flächen verspätet ausgesät wurde. Aber auch termin­gerechte Aussaaten sind meist stark von Nässe beeinflusst.
Die vom Deutschen Wetter­dienst veröffentlichten Boden­feuchten in den oberen Boden­schichten zeigen Anfang November – bis auf das nordöstliche Deutschland – voll wasser­gesättigte Böden. Das Wasser im Boden bestimmt auch maßgeblich unsere Boden­temperaturen. Während im zeitigen Frühjahr ein warmer Regen aus westlicher Richtung für eine schnellere Boden­erwärmung sorgen kann, führt ein wasser­gesättigter Boden im Herbst zu einem geringeren Luftanteil im Boden und damit zu einer langsameren Abkühlung.

Mehr Masse im Boden verhält sich träger bei den Temperatur­schwankungen im Tages­verlauf. Folglich müssten durch die gleich­mäßigeren Tempe­raturen die Pflanzen besser wachsen. Warum das nicht immer der Fall ist, sehen wir, wenn wir die Notwendig­keit von Sauerstoff im Boden näher betrachten. Bakterien, das Bodenleben allgemein, benötigen Sauerstoff. Ohne Sauerstoff verfällt der Boden in den reduzie­renden Zustand und vermindert die Nährstofffrei- und -umsetzung. Fein­wurzel­bildung ist abhängig vom Sauerstoff­gehalt im Boden. Ohne Sauerstoff werden Wurzeln reduziert oder verfaulen. Überschüssiges CO2 der Wurzel­atmung kann nicht entweichen und führt zusätzlich zur Schädigung. Diese Hypoxie beeinflusst schließlich den gesamten Hormon­haushalt der Pflanze nachhaltig und verändert deren Lebensziel von „Ertrag bringen“ zu „irgendwie überleben“.

Da mehr Masse im Boden zu einer lang­sameren Erwärmung im Frühjahr führen kann, das Wurzel­system eher schlechter ausgeprägt sein wird, die Infiltration und Trocknung langsamer ablaufen wird, erwarten uns zu Vegetations­beginn einige Heraus­forderungen. Nähr­stoffe, die mineralisiert werden müssen (Stickstoff, Schwefel…), kommen zu einem späteren Zeitpunkt in den Vegetations­kreis­lauf und können nicht mit maximaler Effizienz (Phosphor…) aufgenommen werden.

Einfluss der Bodenbearbeitung im Herbst

Um entscheiden zu können, ob und wie wir mit veränderten Maßnahmen die Situation abmildern können, betrachten wir zuerst die Rolle der Boden­bearbeitung und knüpfen hier an den Beitrag der letzten Ausgabe von terraHORSCH an (Nostalgie oder Notwendigkeit?).
Um eine zeitige Minerali­sierung und gleich­mäßige Nährstoff­frei­setzung erwarten zu können, müssen wir erst dafür sorgen, dass die Ausgangs­stoffe dafür abgebaut werden. „Man kann nur etwas aus dem Kühl­schrank herausnehmen, wenn vorher auch etwas hinein­gelegt wurde.“

Stroh und anderes organisches Material brauchen zum mikrobiellen Abbau (es gibt auch andere Abbau­mechanismen, die uns aber weniger nützen, z.B. die UV-Verwitterung) vereinfacht Luft (Sauerstoff), Wärme und Feuchtigkeit. Je tiefer wir in den bearbeiteten Boden graben, desto weniger Grob­poren finden wir vor und desto weniger Sauer­stoff kann die Rotte einleiten. Dabei hat sandiger Boden durch die gröberen Partikel in der Regel auch in tieferen Schichten noch ausreichend Sauer­stoff, wohingegen bei tonigen Böden der Anteil an Grob­poren zugunsten der Fein­poren schnell geringer wird. Wie in der folgenden Abbildung zu sehen, sollte abzubauendes Material zwar gleichmäßig, aber je nach Bodentyp nicht zu tief eingemischt werden. Eine hohe Wasser­sättigung verschiebt nun diese Zonen nach oben, da der Sauer­stoff der Grob­poren vom Wasser verdrängt wird.

Grobporen sind für die Infiltrations­leistung von Böden wichtig. Allerdings reicht bei höheren Nieder­schlags­mengen diese Betrachtung nicht aus. Es kommt dann auf die Kontinuität der Grob­poren an, wenn es darum geht, größere Mengen Nieder­schlags­wasser in tiefere Schichten zu leiten. Fehlen Grob­poren z.B. am Bearbeitungs­horizont entstanden durch schmierende Bearbeitung, wird das zum Nadelöhr. Wasser staut sich im Bereich darüber und die Flächen sind für längere Zeit nicht befahrbar. Am eindrücklichsten zeigt es sich, wenn es zwischen dem etwas zu nassen Pflügen der Fläche und der Aussaat etwas zu viel regnet. Die übermäßig vielen Grob­poren in den oberen 20-30 cm saugen sich schnell voll und bringen das Wasser nicht schnell genug in tiefere Schichten.
In Grobporen steigt Wasser in Trocken­phasen nicht wieder auf. Hier sind die kapillaren Kräfte zu gering. Erst bei ausreichend Rück­verfestigung und entsprechend kleinen Poren­zwischen­räumen ist die Kapillar­kraft groß genug, dass ein Aufsteigen von Wasser und den darin gelösten Mineralien (freies Ca²+, Kalium etc.) erwartet werden kann.

Rolle der Fahrspuren

Ein Punkt, dem zu wenig Beachtung geschenkt wird, ist die Rolle der Fahr­spuren auf die Infiltration. Wasser fließt außerhalb der Fahr­spuren nicht aus­schließ­lich senkrecht nach unten in den Boden. Auch wenn ober­flächlich meist keine Erosion des Nieder­schlags­wassers sichtbar ist, fließt es selbst bei minimalem Gefälle in Richtung des niedrigsten Punkts. Wasser, das nicht im Boden fest­gehalten wird, sammelt sich entweder am tiefsten Punkt oder an Stau­schichten. Fahr­spuren verdichten den darunter­liegenden Boden und verhindern ein schnelles, horizontales Abfließen des Wassers. Wasser staut sich in der Krume an der Ober­seite der verdichteten Fahrspur und fließt langsamer nach unten ab. Man kann nach größeren Nieder­schlags­mengen beobachten, dass nicht nur die Fahrspur keinen Ertrag bringt, sondern sich auch die Pflanzen im Bereich daneben schlechter entwickeln. Je schwerer die Achslast ist und je weniger tragfähig die Fahrspur, desto tiefer geht die Verdichtung und desto größer wird der negativ beeinflusste Bereich.

Voll wasser­gesättigter Boden lässt sich, wie auch trockener Boden, nicht ausreichend rück­verfestigen, da der Kitt für das Verkleben der Boden­teilchen nicht stark genug wird. Am besten lässt sich Boden bearbeiten und ausreichend rück­verfestigen, wenn er zu ca. 2/3 (nFK: 60-70 %) mit Wasser gesättigt ist.
Bearbeiten wir zu nass, können wir nicht ausreichend rück­verfestigen bzw. die Hohl­räume komprimieren, da die Grobporen mit Wasser unelastisch besetzt sind. Im Wasser gelöste Fein­teilchen fließen bei späterer Abtrocknung nach unten ab und verstopfen Infiltrations­kanälchen bzw. lagern sich wie Beton in einer tieferen Bearbeitungs­schicht ab, die wie ein Filter wirkt. Der Boden verkrustet und sackt zusammen, da auch stabilisierende Teilchen (Kalk) mit nach unten durchgespült werden. Die Boden­struktur leidet und kann sich kurz­fristig nur in geringem Maße selbst heilen.
In unseren Breiten kann nicht auf aus­reichende Frost­sprengung als natürlicher Regenerations­mechanismus vertraut werden. Daher müssen wir mit schlechter Boden­struktur bis mindestens zur nächsten Grund­bearbeitung kalkulieren.

Schlechte Boden­struktur hat nicht zur Folge, dass unser imaginärer Kühl­schrank plötzlich leerer wird, sondern dass wir nicht mehr Zugriff auf alle Fächer darin haben. Im Gegensatz dazu können Pflanzen aber nicht heimlich aus anderen Fächern stehlen. Es muss bedarfs­gerecht gedüngt bzw. die wenigen Fächer müssen möglichst immer voll­gehalten werden. Bedarfs­gerechte Düngung bedeutet, notfalls über Pflanzen­analysen die Falsch­information, die wir durch die Boden­untersuchung bekommen, zu erkennen. Die Boden­untersuchung gibt uns bestenfalls die Füllmenge des ganzen Kühl­schranks.

Welche Poren­verteilung wollen Wurzeln?

Diese Frage kann man sehr komplex beantworten. Oder man betrachtet das Grund­prinzip und leitet den Rest davon ab: Wurzeln wollen keine starken Boden­dichte­wechsel! Hohl­räume werden genauso gemieden wie Schmier­schichten. Kleinere Verdichtungs­zonen werden mit der Zeit erschlossen. Auch den Sprung von lockerer Krume zu festerem Unter­boden verträgt die Wurzel gut, solange der Übergang gleich­mäßig ist. Eine Verzahnung der Bearbeitungs­horizonte durch angepasste Schare hilft dabei. Fließ­fähiger Boden kann mit breiteren Scharen und engerem Strich­abstand bearbeitet werden als grob brechender, stark toniger Boden. Durch trockene und tiefe Bearbeitung hinter­lassene Hohl­räume lassen sich vor allem in tieferen Schichten nur durch den für den Standort passenden Packer reduzieren. Der Packer reduziert auch die oben erwähnte Einwaschung von Fein­teilen in tiefere Schichten.

Als letzten Punkt betrachten wir, wie unsere Kultur­pflanzen besten­falls in die anstehende Vegetations­ruhe gehen sollten. Diese fängt lang­jährig im Advent an, wenn die Boden­temperatur durch­gehend unter 5 °C sinkt. Die Zell­teilung der Kultur­pflanzen beginnt sehr langsam zu werden und Weidel­gras und Fuchs­schwanz keimen unterhalb dieser Temperatur nur selten. Eine richtige, über Wochen andauernde Vegetations­ruhe schrumpft in unserem Breiten­grad und führt bei Kulturen mit geringerem Temperatur­anspruch (Raps) nur noch zu minimalen Wachstums­pausen. Nichts­desto­trotz muss bei regel­mäßigen Frost­nächten das richtige Kultur­stadium angepeilt werden.

Die Raps­pflanzen sollten bis zum 10- bis 12-Blatt­stadium entwickelt sein und eine tief liegende Rosette bilden. Es ist außerdem eine tief reichende Pfahl­wurzel mit einem Wurzel­durch­messer von 0,8 bis 1 cm anzustreben. Besonders auswinterungs­gefährdet sind sehr schwache Bestände, also auch solche, die deutlich überwachsen sind und bei denen der empfindliche Vegetations­kegel zu weit aus dem Boden ragt.
Auch bei Weizen ist das Entwicklungs­stadium der Pflanzen für die Wider­stands­fähigkeit entscheidend. Weizen­bestände sind kurz vor oder kurz nach dem 3-Blattstadium (Umstellung Korn zu Wurzel­ernährung) sehr frosthart und gehen in diesem Stadium am günstigsten in den Winter. Dies gilt auch für bestockte Pflanzen. Diese verfügen mit ihren Nähr­stoff­reserven über ein gutes Regenerations­vermögen. Prinzipiell ist eine Bestockung vor dem Winter anzustreben, denn die Triebe, die im Herbst ausgebildet werden, sind meist etwas ertrags­stärker und widerstands­fähiger als die Triebe, die spät im Frühjahr gebildet werden.

Aufgrund der früheren Schoss­phase ist bei Gerste das Erreichen einer bestimmten Mindest-Ziel­bestands­dichte noch bedeutender und ertrags­relevanter als beim Weizen. Auch hier sind die im Herbst gebildeten Triebe ertrags­stärker. Daher ist eine gute Vorwinter­entwicklung mit Bestockung bis maximal EC 25 anzustreben. Ein Überwachsen der Bestände führt auch hier zu erhöhter Auswinterung und höherem Krankheits­befall. Grundsätzlich können durch gesunde Pflanzen Auswinterungen vermieden werden. Nach einer ausreichenden Abhärtungs­phase übersteht Raps und Winter­weizen auch ohne Schneedecke Temperaturen von -15 bis -20 °C und Winter­gerste Temperaturen von -12 bis -15 °C.

Drängt die Zeit für die rechtzeitige Etablierung der Kultur, gilt der Satz „Saatbett geht vor Saatzeit“ bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Aussaat der Kultur wirklich keinen Sinn mehr macht. Fehlen Alternativen, kann eine Konsequenz sein, Kulturen ohne vorherige Grundbodenbearbeitung zu säen, auch wenn sich langjährig eine vorhergehende Bearbeitung am Standort etabliert hat. Langjährig ist ein unter nicht optimalen Bedingungen gesäter Bestand besser als die falsche Bodenbearbeitung. Prädestiniert sind hierfür Sämaschinen ohne Vorbearbeitungswerkzeuge und trotzdem sauberer Tiefenanlage.

Bei erfolgter nasser Bearbeitung gilt es, die Flächen im Blick zu behalten und ggf. in den nächsten Jahren Reparatur­maßnahmen durchzuführen sowie die trägen Nähr­stoff­flüsse und das schlechte Wurzel­system bei den Bestandes­führungs­maßnahmen im Früh­jahr im Hinter­kopf zu behalten. Das bedeutet z.B. nicht nur eine Anpassung der Start­gabe (Zeitpunkt, Nährstoffe und Menge), sondern auch ein möglicher­weise höheres Risiko bei lang anhaltenden Wachstums­regler­einsätzen vor Trocken­phasen.

„Nasser Herbst – schlechte Ernte“ muss nicht stimmen, wenn wir uns anpassen.