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Landwirtschaft unter Kriegsbedingungen

Trotz aller Verluste und Herausforderungen setzen die Landwirte in der Ukraine ihre Arbeit nicht nur fort, sie investieren sogar weiter. Dabei sind sie jeden Tag aufs Neue gefordert. Endlose Kampfhandlungen, extreme Wetterbedingungen, kaum prognostizierbare Preise sowie fehlende Logistik und schwierige Verkaufswege prägen ihren Alltag am Limit.

Wassil Schtendera, der Besitzer des Betriebs „Dodola 2021 GmbH“ im Gebiet Kherson in der Südukraine, ist ein Fan der Direktsaat. Seit gut 15 Jahren arbeitet er sehr erfolgreich mit dieser Methode. Präzise Landwirtschaft und moderne Technik sind für ihn selbstverständlich. Vor dem Krieg brachte er zwei Ernten pro Jahr und Feld ein, denn auf den bewässerten Flächen wurde nach Wintergetreide noch Soja angebaut.

Tun, was möglich ist

Durch den russischen Einmarsch wurde plötzlich der gesamte Betrieb – insgesamt etwa 4.200 ha, auf denen früher Weizen, Raps, Sonnenblumen und Soja angebaut wurden – zum Kriegsschauplatz, durchzogen von Verteidigungslinien. „Unser gewohntes Leben brach von einem Moment auf den anderen zusammen. Dennoch haben wir getan, was möglich war. Als erstes halfen wir den Menschen vor Ort: Wir produzierten Mehl und Öl und verteilten es. Außerdem unterstützten wir Krankenhäuser mit Treibstofflieferungen, um die Stromversorgung sicherzustellen. Und natürlich evakuierten wir unsere Mitarbeiter mit ihren Familien“, erinnert sich Wassil Schtendera.
Auch um die Technik mussten sie sich sofort kümmern. Da Kontrollposten den Abtransport gefährdeten, versteckte man viele Maschinen in privaten Gärten und auf den Höfen der Mitarbeiter, die vor Ort geblieben waren. Kleinere Maschinen wurden sogar vergraben. So gelang es, die wichtige Technik zumindest teilweise zu retten.

Auf dem Hof und in den Lagerhallen waren Plünderungen an der Tagesordnung: Lastwagen, die Krananlage, Bewässerungsausrüstung sowie ein Merlo-Lader mit 9 m Hubhöhe sowie eine JCB-Maschine verschwanden. Etwa 300 t Düngemittel (flüssiges AHL), Pflanzenschutzmittel und Saatgut wurden entwendet. Die Lagerfässer für 150 bis 200 t Flüssigdünger wurden beschädigt und zerstört. Die Schäden am Bewässerungssystem sind irreparabel. Zudem verbrannten Felder durch feindliche Raketenangriffe. So wurden zum Beispiel Anfang März 2022 180 ha Winterweizen (erwartete Ertrag: 4 t/ha), 200 ha Winterraps und weitere 150 ha Raps innerhalb einer Erntesaison vernichtet. Der Gesamtschaden beläuft sich auf über 40 Millionen UAH (ca. 1 Mio. Euro) – die Bewässerungsanlage nicht mitgerechnet.

Der staatliche Dienst der Ukraine für Notfallsituationen berichtete, dass 156.000 km² wahrscheinlich vermint bleiben werden. Für die Minenräumung werden 37 Milliarden Dollar und über 10.000 Pioniere benötigt. Seit Beginn des Krieges sind 128 ukrainische Landwirte durch Minen umgekommen.

Laut dem Landwirtschaftsministerium der Ukraine belaufen sich die Verluste im Agrarsektor seit Beginn des Krieges auf über 11 Mrd. Dollar und die Summe steigt weiter. Ein erheblicher Teil der Schäden entfällt auf die Zerstörung und Plünderung von Landmaschinen. Es wurden sehr viele Getreidelagerkapazitäten (Hochsilos und Elevatoren) zerstört und das darin gelagerte Getreide vernichtet oder gestohlen. Ein geringerer, aber immer noch bedeutender Teil der Verluste ist auf die Zerstörung mehrjähriger Obstgärten zurückzuführen.

Neustart mitten im Krieg

Im November 2022 gelang es, etwa 70 % der Flächen zurückzugewinnen. Die Regenerierung dauerte allerdings bis Juni 2024. Etwa 80 % der Mitarbeiter sind inzwischen zurückgekehrt. Derzeit sind bei der Dodola 2021 GmbH 30 Personen beschäftigt.

Die Technik konnte in Eigenregie repariert werden. Darüber hinaus mussten die Felder entmint werden. Da es noch keine staatlichen Programme gab und dessen Hilfe auf Notfälle beschränkt blieb, engagierte der Betrieb auf eigene Kosten einen Minenräumdienst. „Mit Hilfe von offizieller Stelle war kaum zu rechnen. Und weil es ums Überleben ging, haben wir uns eben selbst gekümmert“, erzählt der Betriebsleiter.
Er wählte die Flächen aus, die schnell und kostengünstig geräumt werden konnten. Zuvor waren jedoch noch viele weitere Schritte nötig: Erst musste man wirtschaftlich wieder auf die Beine kommen. Dafür war es notwendig, die noch vorhandene Vorkriegsernte zu verkaufen. Doch die meisten Getreidehändler sagten ab, da die Straßen zerstört und die Wege unsicher waren. Eigene Logistik fehlte und die Ware musste weit transportiert werden, da Kherson den Zugang zum Meer verloren hatte. Auch die Veredelungsinfrastruktur war zerstört. Die Logistik in der Region war 1,5-fach bis doppelt so teuer wie in anderen Teilen des Landes und die Transportwege waren doppelt so lang. Kostendeckendes Arbeiten war daher nicht möglich.
Dennoch gelang es, einen Teil der alten Ernte zu verkaufen. Mit dem Geld, das noch aus der Vorkriegszeit verfügbar war, sowie privaten Mitteln, konnte Wassil Schtendera eine Vereinbarung für das Entminen von 1.500 ha treffen: Kostenpunkt 7,5 Millionen UAH (umgerechnet ca. 187.000 Euro). Für diese Felder wurde ein später Aussaattermin, der 14. Juni 2023, mit Sonnenblumen und Soja eingeplant. Ohne Bewässerung wurden 14,5 dt/ha Soja und 19,8 dt/ha Sonnenblumen geerntet. Damit konnte die Pacht für 2023 bezahlt werden.

Eigene Strategie zur Minenräumung

Schon immer war das Testen von neuer Technik die Passion des innovativen Landwirts. Und auch für die Räumung von Minen entwickelte er sein eigenes System. Das Frühjahr war feucht und das schnelle Unkrautwachstum erschwerte die Arbeit. Zur Unkrautbekämpfung und für den Herbizideinsatz wurden Agrardrohnen eingesetzt – eine große Herausforderung, da kriegsbedingt grundsätzlich keine Genehmigungen für Drohnenflüge erteilt wurden. Alle Arbeiten wurden daher mit den örtlichen Gemeindebehörden und mit dem Militär abgestimmt. Der Herbizideinsatz hatte zwei Effekte: Zum einen wurde das Unkraut im Feld bekämpft, zum anderen trug er dazu bei, die Minenräumung zu beschleunigen und sicherer zu machen. Um den Prozess zu optimieren, wurden die Dorfbewohner miteinbezogen, die wussten, wo genau sich die Truppen befunden hatten und wo Minen oder Sprengfallen verlegt sein könnten. Anschließend wurden die Felder mit Metalldetektoren durchsucht. Dank der tatkräftigen Hilfe von Pionieren des Heeres konnten bis Juni 2024 weitere 1.500 ha entmint werden.
Auf schwierigeren Flächen kann der Preis für die Minenräumung bis zu 350 UAH/m² betragen (das sind ca. 87.500 Euro/ha). Besonders betroffen sind die Flächen, die von einer Verteidigungslinie durchzogen waren. Bei Wassil Schtendera galt dies für rund 1.000 ha. Auf diesen Feldern wurden bis zu 300 Minen pro Feld (47 ha) gefunden. Die entstehenden Kosten hängen auch vom Verunkrautungsgrad, der Art der Verschmutzung (Reste von Artilleriegeschossen oder Minen) usw. ab. Für die Entminung dieser 1.000 ha erhielt Wassil Schtendera Zuschüsse aus humanitären Programmen. Übrig sind nun noch etwa 400 ha mit gefährlichen Antipersonenminen.

Bewährte Kooperation und neue Investitionen

In den vergangenen zwei Jahren investierte Wassil Schtendera über 30 Millionen UAH (ca. 750.000 Euro) in den Wiederaufbau seines Betriebes. Langjährige Geschäftsbeziehungen und entsprechende Kreditlinien ermöglichten den Erwerb neuer Maschinen. Vor dem Krieg leaste er eine 18 m HORSCH Avatar Sämaschine, für die die finanzielle Belastung natürlich weiterlief. Dank der langjährigen, vertrauensvollen Zusammenarbeit konnte jedoch eine Umstrukturierung der Schulden vereinbart werden. Außerdem gelang es ihm, einen Kredit im Rahmen eines Weltbankprogramms zu niedrigen Zinssätzen (3 bis 7 %) zu erhalten. Um die Logistik sicherzustellen, kaufte Schtendera fünf neue Lkw. Außerdem schaffte er in diesem Jahr einen Selbstfahrer HORSCH Leeb VL an, den er bereits vor Kriegsbeginn angezahlt hatte. Für den Betriebsleiter ist er die Schlüsselmaschine für das Direktsaatverfahren. Denn der Betrieb benötigt leistungsstarke Großflächentechnik. Die vorherige Spritze war alt und die Ersatzteilsituation problematisch.

Eingeschränkte Arbeitsbedingungen

Während die Maschinen früher während der Saison rund um die Uhr im Einsatz waren, um die Zeitfenster optimal zu nutzen, ist es aktuell streng verboten, in den Sperrstunden, d.h. zwischen 21 und 5 Uhr, außerhalb des Hofes tätig zu sein. Das verkürzt den Zeitraum insbesondere für den Herbizideinsatz erheblich. Die frühen Morgenstunden ab 5 Uhr und die Abendstunden zwischen 17 und 21 Uhr müssen also gut geplant und möglichst effizient genutzt werden.
Gesät wird nur tagsüber. „Mit unseren leistungsfähigen Maschinen hat das auch gut funktioniert“, bestätigt Wassil Schtendera. Winterraps, Sonnenblumen und Soja wurden mit einer Maestro 24.70 SW und einer Maestro 36.50 SW, Getreide mit der älteren Pronto 2 NT und der neuen Avatar 18.25 SD gesät.

Derzeit bringt Raps den größten Ertrag, allerdings ist er auch die anspruchsvollste Kultur. Die Fruchtfolge musste angesichts der verfügbaren Zeitfenster erweitert werden. So wurde dieses Jahr Mais in die Fruchtfolge aufgenommen. Obwohl Weizen weniger rentabel war, bleibt er eine der Hauptkulturen auf den Feldern.
Der Mangel an qualifizierten Fachkräften sowie die fehlenden Unterstellmöglichkeiten für die Technik sind weitere Herausforderungen. Es ist viel zu riskant, die Maschinen in einer Lagerhalle zu überwintern, daher müssen sie weiterhin versteckt und entsprechend gesichert werden. Es kommt immer wieder vor, dass dadurch technische Schäden entstehen. Deshalb muss jedes Detail, jede Taste vor Saisonbeginn überprüft werden. Qualifizierte Techniker für Service- und Feldarbeiten fehlen in der Region jedoch an allen Ecken und Enden.

Ernte bei extremer Hitze und Trockenheit

Dieses Jahr war es extrem heiß und trocken. Es gab keinerlei Wasserreserven. Im ersten Halbjahr 2024 fielen nur 50 bis 60 mm Niederschlag, während der jährliche Durchschnitt in dieser Region bei etwa 380 mm liegt. Durch die Minenräumung verdunstete zusätzlich Feuchtigkeit aus der oberen Bodenschicht. „Unsere Böden wurden 10 bis 15 Jahre lang nicht bearbeitet. Dadurch wurde etwas Feuchtigkeit im Boden gehalten. Betriebe, die ihre Felder mit der Scheibenegge zur Einebnung bearbeitet haben, erlitten nur Verluste“, erzählt Wassil Schtendera.
Die Temperaturen lagen längere Zeit bei über 40 °C. Das führte häufig zu Bränden und erschwerte auch die Nahrungssuche wild lebender Tiere. So wurden z.B. ganze 4 ha Sonnenblumen vollständig von Feldhasen aufgefressen. Aufgrund der hohen Temperaturen vertrockneten sehr viele Maiskolben. Die Folge: signifikante Verluste bei der Ernte.
Negative Auswirkungen auf die Ernte hatte auch die rund zwei Jahre andauernde Brache der Felder. Hier konnten sich Unkräuter stark ausbreiten. So lag dieses Jahr der Weizenertrag bei 35 dt/ha und der von Raps bei 20 dt/ha.
„Aufgrund des späten Aussaattermins war auch keine einträgliche Sonnenblumenernte zu erwarten. Generell haben wir mit der Ernte zwei Wochen früher als im Durchschnitt der vergangenen Jahre begonnen. So etwas habe ich bisher noch nie erlebt“, berichtet Wassil Schtendera bedrückt.
Die Ernte an sich war eine Herausforderung. Der Betrieb besitzt eigene Mähdrescher und normalerweise werden vier weitere Maschinen bei einem Lohnunternehmer angemietet. Da wegen der Gefahrenlage viele nicht in die Region kommen wollten, musste eine Alternative gefunden werden. Glücklicherweise stellte die Stiftung „Zhniva Peremohy“ in dieser Saison kostenlos Erntemaschinen zur Verfügung.

Explosions- und Brandgefahr als Hauptrisiken

„Aufgrund der Dürre und der hohen Temperaturen, aber auch angesichts der anhaltenden Beschusslage – wir befinden uns immer noch in einer 20-km-Zone von der Frontlinie entfernt – müssen wir auch in Sachen Brandbekämpfung ständig einsatzbereit sein. Es gab schon Feuer infolge von Beschuss, bei denen wir ganze Dörfer, unsere eigenen, aber auch benachbarte Felder löschen mussten. Für uns heißt das: Täglich auf der Hut sein, ständig unter Anspannung!“, sagt der Landwirt.
Es besteht auch weiterhin die Gefahr, dass Bomben per Drohnen über den Feldern abgeworfen werden, um die Ernte zu verbrennen oder gezielt einen Mähdrescher zu beschießen, der gerade auf dem Feld arbeitet. Daher arbeitet der Betrieb eng mit den militärischen Aufklärungskräften zusammen, um rechtzeitig gewarnt zu werden.
Es steht viel auf dem Spiel: Zum einen ist die Verantwortung gegenüber den Mitarbeitenden, den Verpächtern und den Kreditgebern hoch. Zum anderen gilt: Die Kulturen müssen rechtzeitig und schnell vom Feld abgefahren werden.
Um der Brandausbreitung vorzubeugen, wurden mittlerweile gezielte Maßnahmen ergriffen: Die Feldränder wurden mit dem Grubber Tiger MT und der Scheibenegge Joker RT bearbeitet und dann in 50-ha-Streifen unterteilt. „Das hat definitiv unsere Ernte gerettet. Glück gehörte natürlich auch dazu. Aber Hauptsache, die Arbeit war nicht umsonst“, betont Wassil Schtendera.

Warum Bodenbearbeitung?

Dem Direktsaatverfahren ohne Bodenbearbeitung ist Wassil Schtendera seit vielen Jahren treu. So gibt es, wie bereits erwähnt, Schläge, auf denen der Boden seit 10 bis 15 Jahren nicht mehr bearbeitet wurde.
Bodenbearbeitungsgeräte wie Tiger und Joker hatte er vor dem Krieg angeschafft, um die Flächen für das geplante Bewässerungssystem vorzubereiten, das schrittweise auf allen Feldern installiert werden sollte. Nach der Sprengung des Kachowka-Staudamms wird eine technische Bewässerung in dieser Region jedoch auf lange Sicht nicht möglich sein. Davon betroffen sind vor allem Winzer, aber auch Gemüse- und Beerenanbauer.
Neuerdings setzt Wassil Schtendera den Tiger und die Joker für die Vorbereitung und Einebnung von Feldern ein, die früher andere Bauern gepachtet hatten, die jetzt jedoch ihren Betrieb aufgeben, weil sie nicht mehr wirtschaften können. Außerdem müssen nach der Ernte auch die abgebrannten Felder bearbeitet werden. Effizienz ist hier wichtig: Wenn schon gegrubbert wird, dann mit gleichzeitiger Düngerausbringung (vor allem Phosphor) in der Tiefe.
Generell versucht Schtendera die Bodenstruktur und Bodenbedeckung mit Stoppelresten zu erhalten. Selbst Felder mit Bombenkratern werden nicht bearbeitet. Stattdessen werden die Krater mit einem Bagger aufgefüllt und eingeebnet. Dieses Jahr wurden zudem die Feldgrenzen digital neu erstellt, da die Betriebsgröße und die Feldstruktur sich durch die neu dazu gepachteten Flächen geändert haben.

Herausforderungen und Lösungen in der Logistik

Aufgrund des eigenen Logistikparks konnte eine Zusammenarbeit mit Getreidehandelsunternehmen aufgebaut werden. Da die Erntelagerung in eigenen Getreidesilos nach wie vor zu riskant ist, wurde vereinbart, die Ernte bei den abnehmenden Unternehmen einzulagern und je nach Bedarf zu verkaufen. So wurde die Produktion bis zum Jahresende ausgeliefert und anschließend in Chargen verkauft. Dadurch war es möglich, den Betrieb am Laufen zu halten und sogar die Schuldenlast noch 2024 zu begleichen.