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Bodenbearbeitung - falsche Nostalgie oder Notwendigkeit?

Der Klimawandel stellt die Landwirtschaft zunehmend vor Herausforderungen. Daher wird das System aus intensiver Bodenbearbeitung und Aussaat vermehrt hinterfragt.

Der Klimawandel führt kein Schattendasein mehr, er schlägt zu. Wir erleben verregnete Frühjahre, heiße Sommer, nasse Herbste und milde Winter. Doch hohe Jahres­nieder­schlags­mengen bedeuten nicht zwangsläufig ausreichend Wasser für die Kulturpflanzen. Ein mittelschwerer Boden speichert zwar bis zu 180 l/m², ein wüchsiger Getreidebestand benötigt aber auch 4-6 l/m² pro Tag. Spätestens nach drei bis vier Wochen muss also neues Wasser nachkommen, ansonsten reduzieren die Pflanzen Ertrag. Das Wiederauffüllen kann in Form von Regen, Tau oder dem Erschließen tieferer Bodenschichten erfolgen.

In einer Trockenphase ist die Kapillarfunktion der bedeutendste Mechanismus, um akzeptable Feldaufgänge zu erreichen. Während unter regnerischen Bedingungen das für die Keimung notwendige Wasser von oben kommt und auch bei flacher Saat die Körner keimen können, muss bei trockenem Boden und/oder fehlenden Niederschlägen nach der Saat das Keimwasser aus dem umliegenden Boden bzw. ggf. dem Unterboden kommen. Ölhaltige, fette Samen benötigen aufgrund der stärkeren Hygrophobie höhere Wassermengen im Vergleich zu stärkehaltigen Samen. Hat das Saatkorn keinen ausreichenden Anschluss an den umliegenden Boden oder ist die Kapillarwirkung z.B. durch Bodenbearbeitung unterhalb des Saathorizonts gestört, wird die Keimung nicht eingeleitet.
Aber nicht nur das. Kapillare Kräfte transportieren in Trockenphasen auch mobile Nährstoffe wie Calcium, Nitrat, Sulfat, Bor etc. wieder nach oben in den Wurzelraum. Ist dieser Transport durch Verdichtung oder eine Sohle gestört, stockt nicht nur der Wasser-, sondern eben auch der Nährstofftransport. Eine gute Bodenstruktur sichert also nicht nur die Durchwurzelung ab, sondern schützt auch die Kulturpflanzen in Trockenphasen vor Verhungern und Verdursten. Insbesondere der große Tauwurm schafft hier durch seine großen vertikalen Röhren regelrechte Drainagesysteme, da er seine Nahrung bevorzugt von der Bodenoberfläche holt und in seine tiefer ausgebauten Röhren zieht.
Wenn dann der erwartete Niederschlag kommt, muss man unter allen Umständen dafür sorgen, dass das wertvolle Wasser auf den Flächen bleibt. Erosion und Staunässe sind bei guter Boden-/Mulchbedeckung geringer. Auch eine gute Infiltrationsleistung spielt beim Speichern von Wasser eine wesentliche Rolle. Diese ist stabil bei intakten Böden ohne Stör- und Verdichtungszonen und entwickelt sich in tieferen Schichten besser, je länger der Boden nicht bewegt wurde und sich über Lebendverbau (Durchwurzelung) und biologische Aktivität weitgehend natürlich entwickelt hat.

Rolle der Bodenbearbeitung

In bestimmten Situationen ist eine Bodenbearbeitung unerlässlich, um die Erträge akzeptabel hochzuhalten. Beispiele hierfür sind viele Fahrspuren, die während der Ernte hinterlassen wurden, oder Probleme mit schlecht verteiltem Stroh/organischem Material und folglich schlechter Saateinbettung und zunehmenden Krankheitserregern.
Bei reduzierter Bodenbearbeitung nimmt auch der Druck durch Mäuse und Schnecken zu. Je milder das Klima und je geringer die Niederschläge im Winter, desto explosionsartiger können die Vermehrung und damit auch die Schäden sein. Um dem entgegenzuwirken, besteht die Wahl zwischen Bodenbearbeitung und Chemie. Dieselbe Entscheidung steht an, wenn schwer bzw. nicht sicher bekämpfbare Unkräuter/-gräser zu beseitigen sind. Zunehmende Resistenzen und wegfallende Wirkstoffe verstärken dieses Problem.
Auch zur Dichtlagerung neigende Sandböden müssen gelockert werden. Die natürliche Lockerung durch Wurzeln von Kulturpflanzen und Zwischenfrüchten ist durch das geringere Ertragspotenzial dieser Standorte meist nicht ausreichend.
Grundsätzlich ist es bei reduzierter Bodenbearbeitung Aufgabe der Zwischenfrüchte (auf allen Standorten), den Boden im Zeitraum zwischen den Kulturpflanzen zu stabilisieren. Sind die zeitlichen und räumlichen Lücken ohne Bewuchs zu groß, fällt der Ertrag der nachfolgenden Kultur ab.
Aber auch gute Zwischenfruchtbestände können zur Ertragsreduktion der Folgekultur führen. In Gebieten mit geringen Winterniederschlägen und oftmals Frühsommertrockenheit stiehlt die überwinternde Zwischenfrucht zu viel Wasser. Hier muss man den Wasserverbrauch der Zwischenfrucht genau im Auge behalten. Das Problem von fehlendem Wasser ergibt sich auch, wenn vor einer Kultur der Boden tiefer bearbeitet wird, etwa bei Bodenreparaturmaßnahmen. Erreicht man aber durch die Bearbeitung z.B. das Aufbrechen einer Pflugsohle, ist dies trotzdem positiv, da die Pflanzen nachher Anschluss zu mehr nutzbarem Bodenvolumen haben. Die Tiefe der Verdichtungsschicht bestimmt dabei die Bearbeitungstiefe.

Hinzu kommt bei der Bodenbearbeitung das Ziel, organisches Material in den Boden einzumischen, um so die mikrobakterielle Zersetzung zu fördern. Hier hängt die Bearbeitungstiefe von der Aktivität des Bodens ab. Ein luftdurchlässiger Boden kann auch in tiefere Schichten eingemischtes Stroh umsetzen, wohingegen schwere, tonige Böden durch die reduzierenden Bedingungen (ohne Sauerstoff) in dieser Tiefe das Stroh bzw. das organische Material eher konservieren als umsetzen. Für einen gleichmäßigen mikrobiellen Umbau wird eine Einarbeitungstiefe von 2 cm pro Tonne Stroh je ha empfohlen. Auf schweren Böden und bei kontinentalem Klima kann aber auch eine etwas flachere Bearbeitung sinnvoll sein. Grundsätzlich gilt: Je gleichmäßiger die Einarbeitung, desto gleichmäßiger auch der spätere Nährstofffluss.
Beim Planen einer Bodenbearbeitungsmaßnahme sollte uns jedoch auch, wie oben bereits angesprochen, bewusst sein, dass jede Bodenbearbeitung Wasser kostet. Bei tiefer Bearbeitung und sehr schlechter Rückverfestigung ohne Bodenmulch können das bis zu 40 l/m² sein. Kritisch sind auch die durch falsche Bodenbearbeitung entstehenden Störschichten. Eine gravierende Pflugsohle in 30 cm Tiefe lässt z.B. ein Wassernutzungspotenzial von 180 mm/m² schnell auf 40 mm/m² tatsächlichen Wasserspeicher schrumpfen. Die gängigen Kulturen, die 1,5 m bis 2 m tief wurzeln – vorausgesetzt der Bodentyp gibt diese Mächtigkeit auch her, können dann den eigentlich nutzbaren Teil nicht mehr vollständig durch ihre Wurzeln erschließen.
Hinzu kommt, dass durch Bodenbearbeitung die in Trockenzeiten essenzielle Kapillarwirkung gestört wird. Hier muss dann der Fokus auf die optimale Einbettung bei der Aussaat und die Rückverfestigung bei der Bodenbearbeitung gelegt werden. Den Anschluss an die Bodenkapillare erreicht man durch ein feinkrümeliges Saatbett, durch angepassten Druck der Schließrollen an der Sämaschine und/oder durch ein Walzen nach der Saat.

Optimale Rückverfestigung erreicht man mit schweren Packern nur bei ausreichender Bodenfeuchte. Trockener Boden rückverfestigt sich wegen der nicht vorhandenen „Kleberfeuchte“ auf natürliche Weise erst mit ausreichend Zeit, die oft Mangelware ist.
Vor allem der letzte Punkt zeigt, dass weniger Bodenbearbeitung in einigen Fällen mehr sein kann. Dabei spielt es eine untergeordnete Rolle, an welchem Punkt der Fruchtfolge man sich befindet. Um wechselnde Umweltbedingungen besser zu puffern, bekommt Direktsaat immer mehr Berechtigung, ein Teil unseres Anbausystems zu werden. Akuter Problemlöser ist Direktsaat allerdings nie. Im Gegenteil: Sie setzt gute ackerbauliche Bedingungen voraus und wird, wie oben beschrieben, durch gehobenere Standortanforderungen stärker eingegrenzt als andere Bearbeitungssysteme.
Aber warum eine strikte Grenze zwischen Bodenbearbeitung und Direktsaat ziehen, wenn auch hybride Ansätze, wie z.B. StripTill, rotative Direktsaat und das absätzige Verfahren, Alternativen darstellen und die Vorteile beider Systeme verbinden?

Vergleich hybrider Ansätze

Der Begriff „Rotative Direktsaat“ beschreibt dabei die wechselnde Bearbeitung innerhalb der Fruchtfolge. Nach Pfahlwurzlern wie Raps oder auch Soja lässt sich meist auch ohne tiefe Grundbodenbearbeitung Getreide etablieren. Zusätzliche Eingriffe zerstören hier eher die natürliche Bodenstruktur und verbrauchen unnötig Energie und Zeit. Der Dieselverbrauch der Direktsaat zum Beispiel beträgt unter mitteleuropäischen Bedingungen nur knapp 1/3 des Verbrauchs der wendenden Bearbeitung pro ha und Jahr.

StripTill als kombiniertes Verfahren bietet eine Lösung für enge Zeitfenster und kommt meist zum Einsatz, wenn die Kulturen eine zusätzliche tiefe Lockerung auch ökonomisch danken oder die schnellere Erwärmung durch die Lockerung in einer verlängerten Vegetationszeit ausnutzen können. Raps oder auch Mais sind hier die klassischen Kulturen. Während StripTill bei Mais nicht immer Mehrerträge bringt, bietet es bei Raps die Möglichkeit, die Pfahlwurzel mit konzentriert angelegten Düngedepots in die Tiefe zu locken.

Absätzige Verfahren eignen sich dann, wenn Variabilität gefragt ist. Hier werden die Grundbodenbearbeitung und das Anlegen des Düngedepots zeitlich von der Saat getrennt. Oft kommen zur Saat dann klassische Sämaschinen mit nur noch geringem Bodeneingriff zum Einsatz. Auf Problemstandorten mit Fuchsschwanz kann so mit zusätzlichen flachen Bearbeitungsgängen Druck herausgenommen werden. Außerdem hat diese Trennung den Vorteil, dass sich der Boden über den längeren Zeitraum zwischen Bearbeitung und Saat wieder dichter lagern bzw. natürlich rückverfestigen kann und auch bei späten, trockenen Saatbedingungen die Kapillarität hergestellt ist. Vorlaufende Werkzeuge in der Sämaschine sollten dann aber maximal auf Saattiefe geführt werden.

Schartechnik für das jeweilige Aussaatverfahren

Doch welches ist das optimale Werkzeug für die verschiedenen Bedingungen und Gegebenheiten?
Generell stellt ein kompakter, rückverfestigter Boden höhere Anforderungen an die Saattechnik. Leichte Scharformen funktionieren hinter Kreiseleggen wunderbar, erreichen aber nicht die für die Direktsaat benötigten Schargewichte. Schwere Saatkörper mit meist weiterem Reihenabstand und der Möglichkeit, sektional viel Schardruck zu geben, legen die Saatkörner auch unter wechselnden Bedingungen auf die gleiche Saattiefe ab. Zinkenschare funktionieren am besten bei kurz geschnittenem organischem Material. Steine werden zur Seite geschoben und auch bei schweren Böden wird der kapillare Anschluss erreicht. Scheibenschare passen sich bei unebenem Boden besser an und bewegen weniger Erde, haben aber Nachteile bei Steinen und kämpfen unter ungünstigen Bedingungen und ohne vorlaufende Räumsterne manchmal mit Hairpinning - dem Einklemmen von Körnern zwischen Strohresten.

Da Scheibenschare unter extrem trockenen Bedingungen auf schweren Böden und tiefer Saatgutablage den Saatschlitz wegen fehlender Feinerde nur mit guter Maschineneinstellung schließen, setzt sich auch in klassischen Direktsaatgebieten ein vorausgehender Arbeitsgang mit ultraflacher Bearbeitung immer mehr durch. Hier reicht oft ein schneller Durchgang mit einer Messerwalze oder eine sehr flach eingestellte Scheibenegge, um die austrocknende Kaminwirkung intakter Stoppeln zu vermeiden, um leicht einzuebnen und um schließlich genügend Feinerde für das Schließen der Saatrille zu hinterlassen.

Fazit

Im Hinblick auf klimatische Veränderungen ist das klassische, altbewährte System zwischen intensiver Bodenbearbeitung mit anschließender Aussaat immer mehr zu hinterfragen. Der Aspekt, Bodenbearbeitung mehr als eine Art Werkzeug zu sehen, um zum Beispiel organisches Material einzuarbeiten, Unkräuter mechanisch zu bekämpfen oder Bodenreparaturmaßnahmen durchzuführen, zeigt jedoch auch die breite Daseinsberechtigung. Demgegenüber stehen aber nach wie vor die Vorteile der Direktsaat bzw. der reduzierten Bodenbearbeitung – vor allem mit Blick auf das Sparen von Wasser.
Hier hilft es, das Schwarz-weiß-Denken aufzugeben. In Bezug auf die sich ändernden klimatischen Bedingungen können z.B. die rotative Direktsaat, StripTill und das absätzige Verfahren als flexiblere und anpassungsfähigere Alternativen gesehen werden. Die Integration in unsere Fruchtfolgen ist schon jetzt in den von Trockenheit (Mitte von Deutschland), Ungräsern (Westeuropa) oder Nässe (England) geprägten Regionen sichtbar.

Der Artikel wurde am 30. August 2024 aktualisiert.