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Rund um die Kartoffel

Nach Abschluss ihres Land­wirtschafts­studiums suchten Irena und Andrzej Paszota einen Übergangs­job – und fanden dabei die Chance ihres Lebens. Sie waren 28 Jahre alt und sich nicht wirklich des Risikos bewusst, das sie mit der Pacht eines 500 ha großen Betriebs eingingen.

Es war nicht einfach, aber ihre beharrliche Arbeit hat sich ausgezahlt. 30 Jahren später bewirt­schaften sie 1.000 ha und haben drei Betriebs­zweige etabliert, die alle mit Kartoffeln zu tun haben. Basis des Ganzen ist der Anbau. „Wir haben wirklich bei null angefangen. Der Betrieb, den wir übernommen hatten, war in einem katastro­phalen Zustand und es waren enorme Investi­tionen nötig. Im ersten Jahr erlebten wir eine große Dürre und kamen kaum wieder auf die Beine. Auch die nächsten Jahre waren schwierig. Erst nachdem wir 1997 einen Vertrag mit dem Chips-Hersteller Farm Frites Poland unter­zeichnet hatten, konnten wir den Betrieb konsequent aufbauen und weiter­entwickeln. Und zwar so erfolgreich, dass wir ihn 2003 auf Raten kaufen konnten“, erinnert sich Andrzej Paszota.

Kartoffel als Hauptfrucht

Der Betrieb befindet sich auf dem Gelände einer ehemaligen Pflanzen­zucht­station mit Schwer­punkt Kartoffeln in Podole Wielkie in der Woiwodschaft Pommern nur etwa 20 km von der Ost­see­küste entfernt. Die alte Brennerei, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts errichtet wurde, gibt dem Hof einen nostalgischen Charme. Dank des Engagements von Irena und Andrzej Paszota ist diese bis heute in Betrieb. Seit einigen Jahren wird sie haupt­sächlich von Schwieger­tochter Paulina und Sohn Michał geführt, die ihre eigene Marke von edlen Aquaviten und Wodkas produzieren. Es ist also nicht mehr nur eine landwirt­schaftliche, sondern auch eine hand­werkliche Brennerei.
In Podole Wielkie werden Kartoffeln (250 ha), Getreide (400 ha) und Raps (150 ha) angebaut. Die restliche Fläche ist Grünland. Die Frucht­folge ist klar: Nach den Kartoffeln wird Getreide gesät, dann Raps, gefolgt von Getreide. Der nächste Zyklus beginnt dann wieder mit Kartoffeln. Es werden frühe Winter­weizen­sorten angebaut, damit die anschließende Zwischen­frucht vor dem Pflügen im Winter für die Kartoffeln möglichst viel Grün­masse entwickeln kann. Haupt­frucht beim Getreide ist Weizen. Außerdem mit einem kleineren Flächen­anteil Roggen und Gerste, die teilweise an die eigene Brennerei geliefert werden.
Der Betrieb Paszota ist mittler­weile als Hersteller von Pommes-Frites-Kartoffeln, Chips-Kartoffeln und Speise­kartoffeln etabliert. Ein Teil davon geht an die Fabrik von Farm Frites Poland, ein Teil an die Brennerei und ein Teil ist für den Verzehr bestimmt. Seit 2020 gehört der Betrieb zur Polski Ziemniak Gruppe (dt.: Polnische Kartoffel), die aus mehr als einem Dutzend lokaler Landwirte besteht. Sie liefern die Kartoffeln, die das Unternehmen dann verpackt und vertreibt. Dieser Betriebs­zweig befindet sich noch im Aufbau. Geplant ist ein Absatz von 100.000 t Speise­kartoffeln pro Jahr. Kartoffeln sind also die Grund­lage für alle drei Betriebs­zweige: die Landwirt­schaft, die Brennerei und das Handels­unternehmen.

Erneuerung des Maschinenparks

Zur Pacht des Betriebs im Jahr 1993 gehörte auch der Kauf der dazu­gehörigen Technik. Allerdings waren das Traktoren und Maschinen, die aus der Zeit der staat­lichen land­wirt­schaftlichen Betriebe (PGR) in der Volks­republik Polen stammten und damit für eine moderne, wirt­schaftliche Bewirt­schaftung nicht wirklich geeignet waren. Deshalb wurden sie nach und nach durch moderne Maschinen, haupt­sächlich aus westlicher Produktion, ersetzt. Die Flächen für Kartoffeln werden gepflügt, weil es laut Andrzej Paszota keine andere Möglichkeit gibt, den Boden für diese Kultur vorzubereiten.

„Ich war schon lange auf der Suche nach einer Sämaschine für Getreide und Raps, die auch unter nassen Bedingungen eingesetzt werden kann. In unserem Betrieb ist das eine immer wieder­kehrende Heraus­forderung: Die Suche nach einem Kompromiss zwischen der Aussaat zu dem aus agrono­mischer Sicht richtigen Zeit­punkt und der optimalen Boden­feuchte. Nach der Kartoffel­ernte ist das Feld oft regel­recht verwüstet, und die Zeit für den Anbau ist knapp. So kommt es vor, dass bei der Aus­saat einige Bereiche des Schlages noch sehr nass sind. Nicht jede Sämaschine kann unter solchen Bedingungen arbeiten. Deswegen habe ich mich für die HORSCH Pronto 4 DC entschieden. Ich nutze sie seit acht Jahren und mit der Maschine wurden bereits über 3.400 ha gesät. Um in extrem nassen Böden säen zu können, haben wir die Uniformer der Säschare entfernt. Das hat sich für unsere Zwecke hervor­ragend bewährt“, erklärt Andrzej Paszota.

Precision Farming von der Aussaat bis zum Pflanzen­schutz

Derzeit wird auf den Feldern des Betriebs von Irena und Andrzej Paszota mit einer variablen Stick­stoff­düngung mit dem aus Satelliten­bildern abgeleiteten NDVI-Index gearbeitet. „Wir haben uns entschieden, die Gesamt­dünger­menge nicht zu reduzieren, sondern sie basierend auf dem Ertrags­potenzial der Pflanzen, die auf den jeweiligen Teil­bereichen des Ackers wachsen, aufzuteilen. Daher reichen die Dosier­mengen von 120 bis 270 kg Stick­stoff auf hetero­genen Böden“, erklärt Andrzej Paszota.
In den kommenden Jahren sollen auf dem Betrieb weitere Precision Farming-Lösungen eingeführt werden. Der Plan ist, mit einer variablen Aussaat über Ertrags­potenzial­karten zu starten. Andrzej Paszota denkt über den Kauf einer Sämaschine HORSCH Focus nach, die auch das Ausbringen von Mineral­dünger auf der Basis von Applikations­karten ermöglicht. Bei diesem Dünger handelt es sich um Ammonium­phosphat, das entsprechend dem Phosphor­gehalt des Bodens dosiert wird. „Eine weitere große Einsparung ergibt sich meines Erachtens aus dem variablen Einsatz von Pflanzen­schutz­mitteln, vor allem Fungi­ziden und Wachstums­regulatoren. Das herkömmliche Spritzen führt dazu, dass die höchste Aufwands­menge an Pflanzen verabreicht wird, die sie nicht benötigen, d. h. auch an Pflanzen, die an schwachen Stellen des Feldes wachsen. Die stärksten Stellen bekommen hingegen häufig eine zu geringe Dosis. Die Behandlung auf der Grundlage der Ertrags­potenzial­karte löst dieses Problem“, sagt Andrzej Paszota.

Sensationelles Gestänge

In Podole Wielkie ist seit fünf Jahren eine HORSCH Leeb 5 LT Anhängespritze im Einsatz. „Die Gestänge­stabilisierung der Maschine ist sensationell. Das Gestänge wird in geringer Höhe über den Pflanzen geführt und sorgt dafür, dass die Genauigkeit auch bei Windböen gegeben ist. Trotz der 36 m Arbeits­breite bleibt die Höhe über dem Boden oder dem Bestand konstant. Keine Spritze eines anderen Herstellers, die bei unseren Nachbarn läuft, kann da mithalten“, sagt Andrzej Paszota.

Er will die Streifen­spritzung bei Kartoffeln einführen. Seine Idee war eine Lösung, bei der die Düsen auf dem Gestänge alle 22,5 cm angebracht werden, was zu dem Damm­abstand von 90 cm passen würde. Doch Paweł Miś, Produkt­spezialist bei HORSCH Polska, empfahl ihm ein System, bei dem eine Pflanzen­reihe mit zwei im richtigen Winkel angeordneten Düsen besprüht wird – und zwar mit eigens dafür vorge­sehenen Körpern. „Diese Lösung ist besonders für Kartoffel­anbau­betriebe interessant, da die beiden Düsen in Richtung des Dammes ausgerichtet werden können. Die hier eingesetzte HORSCH Leeb 5 LT kann mit dieser Lösung nach­gerüstet werden. Man muss also keine neue Spritze kaufen“, erklärt Paweł Miś.
Andrzej Paszota weiß es zu schätzen, dass er mit der HORSCH Leeb Spritze unter extremen Boden­bedingungen arbeiten kann. Diese treten häufig beim Spritzen von Kartoffeln auf, wo manchmal sogar Wasser zwischen den Dämmen steht. „Die großen Räder der Spritze können sogar in Schlamm arbeiten“, sagt Andrzej Paszota. Das ist zwar landwirt­schaftlich ein Kompromiss. Doch der Landwirt ist der Meinung, dass es besser ist, die Boden­struktur lokal zu schädigen, als alle Kartoffel­pflanzen von Krankheits­erregern vernichten zu lassen.
„Meine nächste Spritze soll die Sprüh­menge an die Größe der Pflanzen anpassen. Die Dosis pro Biomasse-Einheit sollte konstant sein. Dazu ist eine geeignete Software nötig und ein System, mit dem die Flüssig­keits­menge aus der Düse in einem sehr weiten Bereich variiert werden kann. Auf dem Markt gibt es schon Maschinen mit Pulsweiten­modulations­system“, sagt Andrzej Paszota. Paweł Miś ergänzt: „HORSCH verfügt bereits über ein solches System – PrecisionSpray, das ein PWM-Pulsweitenmodulationssystem in die Software der Spritze integriert. Dadurch konnte die bekannte Benutzer­ober­fläche der HORSCH Leeb Spritzen bei­behalten werden“.

Brennerei als Schmuckstück

Beim Besuch des landwirt­schaft­lichen Betriebs in Podole Wielkie fällt sofort das historische Gebäude der Brennerei ins Auge. Hier wird Roh­spiritus mit 91-92 % Vol. Alkohol her­gestellt. Er wird haupt­sächlich aus Kartoffeln gewonnen und an Wodka­hersteller verkauft. Die Jahres­produktion beträgt etwa 2 Mio. l, wofür fast 20.000 t Kartoffeln benötigt werden. Es ist die größte Brennerei in Polen, die Kartoffel­spiritus herstellt.

Die Brennerei wird haupt­sächlich von Paulina und Michał Paszota geführt. Sie beschränken sich aber nicht auf die land­wirtschaf­tliche Brennerei, sondern stellen auch einzig­artige Craft-Spirituosen her: Aquavit und Wodka. Sie entstehen im selben Gebäude, aber ihr Herstellungs­prozess ist rein hand­werklich. Die erste Charge des Aquavits von Podole Wielkie wurde im Jahr 2015 her­gestellt. Jeder Jahr­gang hat im wahrsten Sinne des Wortes sein eigenes Gesicht: Auf dem Etikett ist immer das Konterfei eines ehemaligen oder aktuellen Mitarbeitenden der Brennerei zu sehen. Einige Spirituosen werden in Fässern gelagert, was ihnen nach einer mindestens drei­jährigen Reifung einzig­artige Aromen verleiht. Die Spirituosen aus der Brennerei von Podole Wielkie haben bereits Dutzende von Medaillen bei polnischen und ausländischen Wett­bewerben gewonnen. Sie entstehen unter dem Motto „Vom Feld in die Flasche“, d.h. aus­schließlich aus Produkten, die auf den Feldern des Betriebs geerntet werden.

Doch warum teilte die Brennerei in Podole Wielkie nicht das Schicksal vieler anderer Brennereien in Polen und ging bankrott? „Ich habe mich entschieden, Stroh als Brennstoff zu verwenden. Das sicherte die Rentabilität der Brennerei. Diese Wärme­quelle nutzen wir bis heute. Deshalb sammeln wir unser gesamtes Stroh und kaufen zusätzlich bei lokalen Bauern zu. Die Schlempe und die Asche aus der Stroh­verbrennung verwenden wir dann wieder auf unseren Feldern“, erklärt Andrzej Paszota.
Irena und Andrzej Paszota sowie Paulina und Michał Paszota betrachten ihren Betrieb nicht nur als ein Familien­unternehmen. Für sie ist es die gemeinsame Vision eines modernen Unter­nehmens, bei dem nicht nur das Geschäft im Vorder­grund steht. Es ist – im über­tragenen und im buch­stäblichen Sinn – ihr gemeinsames Haus, in dem sie im Einklang mit der Natur leben wollen. Dazu passen auch die bereits erwähnten Pläne, in Technik für Precision Farming zu investieren. Eine weitere Idee ist der Bau einer Biogas­anlage, die vor allem mit Schlempe betrieben werden soll. Die Pläne sind fertig. Nur die Genehmigung für den Anschluss an das Strom­netz steht noch aus.