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HORSCH Live

Zum Abschluss des Jahres 2021 veranstaltete HORSCH zum zweiten Mal das digitale Event HORSCH Live. Vom 30. November bis zum 2. Dezember wurde ein vielfältiges Programm bestehend aus Fachvorträgen, Maschinenpräsentationen und Talkrunden geboten.

Hierzu hat HORSCH, wie bereits beim ersten Event dieser Art, verschiedene Referenten aus unterschiedlichen Bereichen der Landwirtschaft eingeladen, mit denen man gemeinsam über agronomische Themen, technische Neuheiten und aktuelle Trends informierte und diskutierte. Teilnehmen konnte man wieder ganz einfach über den Livestream auf der HORSCH Webseite, aber auch über verschiedene Social-Media-Kanäle.
Den Auftakt machte eine Talkrunde zum Thema „Werden die Preise der Agrarrohstoffe mit dem Rohstoffmarkt mitgezogen?“. Darüber diskutierten Dr. Marlen Wienert (BayWa, Leitung Bereich Agrar/Technik), Heinrich von der Decken (landwirtschaftlicher Unternehmensberater), Dr. Oliver Balkhausen (Director Economic Research ADM Germany GmbH) sowie Michael Horsch. Moderiert wurde die Runde von Guido Höner, Chefredakteur der Zeitschrift TopAgrar.

 

In vielen Bereichen gehen die Preise aktuell nur nach oben. Betroffen sind Stahl, Baustoffe, Holz, der Energiesektor, aber auch Dünger u.v.m. Zusätzlich werden die Preise durch eine Verknappung dieser Rohstoffe erhöht. Auch für Getreide, Raps oder Zucker steigen sie. Was sind die Ursachen für diese Entwicklungen? Handelt es sich ggf. nur um eine Blase oder stehen wir vor einer weitreichenden Verknappung von Ressourcen und Nahrungsmitteln? Auch wie die aktuelle Lagersituation einzuschätzen ist und welche Auswirkungen das Klima auf die aktuelle Situation hat, waren Bestandteil der Fragestellung.

Für Dr. Balkhausen ist einer der Faktoren, dass es in fast allen Bereichen mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Produktion vor allem in Südostasien und China aufgrund von Fabrikschließungen zu Produktionsengpässen kam. Dies führte weltweit zu großen Fertigungsproblemen aufgrund von Fehlteilen. Aber nicht nur die Auswirkungen der Pandemie sind spürbar. Auch das Klima sorgt mit steigenden, kleinräumigen Extremen für schwankende Ernteerträge und damit steigende Preise.

Der Raps als Cashfrucht

Am zweiten Tag beschäftigte sich HORSCH Live unter anderem mit dem Thema Raps als „Cashfrucht“. Wieso enttäuschte der Rapsertrag vielerorts und wie können wir ihn 2022 stabilisieren?“ Denn der Raps hat in vielen Betrieben eine zentrale Position in der Fruchtfolge. Aus wirtschaftlichen Gründen wurde er in einigen Regionen Zentraleuropas in der Fruchtfolge immer enger gestellt, was den erfolgreichen Anbau erschwert. Zusätzlich wird ein rentabler Rapsanbau durch das Wegfallen verschiedener Pflanzenschutzbausteine immer schwieriger. Der Raps ist ein wichtiges Fruchtfolgeglied, das in vielen Betrieben wirtschaftlich hochrentabel war. Mit Blick auf das letzte Jahr, wo die Landwirte in vielen Regionen am Ende der Saison enttäuschende Erträge einfuhren, stellt sich natürlich die Frage, wie es für die nächste Ernte im Jahr 2022 aussieht und was man tun kann, um die Erträge wieder zu steigern.

Im Rahmen seines Vortrags beantwortete Ferenc Kornis von der N.U. Agrar GmbH diese Fragen. Er erklärte, dass der eigentlich als „Cashfrucht“ geltende Raps aktuell eher ein Sorgenkind sei. Verschiedene Faktoren haben ihm in diesem Jahr besonders zu schaffen gemacht. Das waren zum einen das Wetter und zum anderen die Problematik der Rapsschädlinge wie Erdfloh oder Rüsslerarten, aber auch Fruchtfolgekrankheiten wie Kohlhernie oder Sklerotinia. Spätfröste, Regen und starke Hitze haben dem Raps ebenfalls zugesetzt, aber auch der Mangel an Nährstoffen.
„Im Bundesvergleich ergaben unsere Auswertungen, dass die wichtigen Raps-Anbaugebiete ca. 10 % weniger Ertrag hatten“, so Kornis. Es gab Regionen, die weniger als 3 t Raps geerntet haben. Der Raps kann viel kompensieren, wenn er am Anfang weniger Pflanzen hat (25-40 Pfl./m2). Dieses Kompensationsvermögen besteht einmal über die Korndichte und über das Tausendkorngewicht (TKG). In guten Anbaugebieten ist das Ertragsniveau bei einem TKG von 6 g und 110.000 Kö/m2 etwa 6 t Raps. Aber Einflussfaktoren wie Extremwetterereignisse, Probleme mit Schädlingen oder Nährstoffmangel machen es schwieriger, das Ertragsziel zu erreichen. Bei großer Hitze über 35 Grad, wie auch in diesem Jahr, macht der Raps zu und man erhält nur sehr kleine Körner mit geringem TKG. Ähnlich verhält es sich bei Nässe: Hier sterben die Feinwurzeln ab. Auch das hat Einfluss auf das TKG und die allgemeine Korndichte. Was außerdem häufig unterschätzt werde, sei das Licht, so Kornis. Gibt es zur Blüte zu wenig Licht, bilden sich zu wenig Pollen und man hat folglich eine schlechte Befruchtung.
„Die Aussaatbedingungen waren im Herbst 2020/2021 eigentlich gut. Der Oktober war feucht-nass, der November trocken-mild. In den meisten Regionen waren die Wurzeln gut entwickelt. Das Problem war, dass auch der Dezember noch recht mild war und der Raps immer weitergewachsen ist. Das ist zwar ein Vorteil für die Spätsaaten, aber ein Nachteil für die Frühsaaten, denn wenn der Raps weiterwächst, braucht er auch weiterhin Nährstoffe. In Regionen, wo z.B. Stickstoff ohnehin schon knapp war, war dann keiner mehr vorhanden. Dann wird der Raps langsam lila. Wenn das passiert, speziell ab dem Acht-Blatt-Stadium, weiß man, dass der Raps hungert und man verliert früh schon Knospen“, erklärt Kornis.
Der Regen während der Rapsblüte in diesem Jahr begünstigte Sklerotinia. Durch die Kombination aus einem sehr kühlen Tag (unter 10 °C) und einem kurz darauffolgenden sehr heißen Tag (über 34 °C) verlief die Korneinlagerung schlecht und schlussendlich war das TKG gering. Bis zu dieser Phase waren die Bestände schön grün und fett. Mit der plötzlichen Hitze wurde dann alles gelb. Um im nächsten Jahr die Rapserträge zu sichern, muss man eine weitere Reduktion von Knospen, Trieben und Schoten verhindern, Krankheiten oder Schädlinge rechtzeitig und richtig bekämpfen und die Nährstoffversorgung trotz der derzeit hohen Stickstoffpreise sichern.

Kornis empfiehlt, im Frühjahr Gelbschalen an der richtigen Stelle aufzustellen, um rechtzeitig auf Rüsslerbefall reagieren zu können – beim Kohltriebrüssler am Feldrand zu Hecken und Waldrändern, beim Stängelrüssler in und zu benachbarten letztjährigen Rapsschlägen.
Um dem Erdfloh in Zukunft entgegenzuwirken, sollte man eher früher und dünner säen, denn der große Schaden entsteht hier nicht durch Blattfraß, sondern durch die Eiablage. „Hat man eine kräftigere Pflanze mit dickerem Blattstiel, frisst die Larve, die darin ist, länger und geht weniger in den Rapsstängel hinein. Eine große Pflanze kann mehr Larven aushalten und trotzdem noch gut kompensieren – und auch noch Ertrag bilden. Eine spät gesäte, dünne Pflanze hat kaum Reserven und der Erdfloh frisst sich einfach durch. Da reichen auch schon ein bis zwei Erdflohlarven“, sagt Kornis.

Um Nährstoffmangel rechtzeitig zu erkennen, bietet sich die Pflanzenanalyse an. Diese führt man am besten schon im Herbst durch. So sieht man früh, wo die Probleme liegen. Spurenelemente wie z.B. Molybdän sind in der Pflanze für die Stickstoffverwertung notwendig. Herrscht ein Mangel an Spurenelementen, sinkt auch die Stickstoffeffizienz. Deshalb ist eine regelmäßige Analyse der Mikronährstoffversorgung in den Beständen sinnvoll. Wichtig sei es, den Raps nicht hungern zu lassen. Auf die Frage eines Zuschauers, wie man die richtige Startgabe erkennt, antwortet Kornis: „Wenn Raps bereits früh anfängt, lila zu werden bzw. die ältesten Blätter schon gelb sind, dann weiß man, dass hier schon eine Stickstoffumlagerung stattgefunden hat. Hier kann man je nach Standort eine hohe N-Menge geben, sprich 100 kg/ha Stickstoff, damit der Raps nicht weiterhungert. Denn ein früh gesäter Raps muss früh gefördert werden und braucht früh seinen Stickstoff“.

Die Züchtungsziele der Zukunft

Auch der Vortrag von Dr. Hubert Kempf (SECOBRA GmbH) zum Thema „Herausforderungen der Weizenzüchtung in der Zukunft“ lieferte interessante Einblicke. Hier wurde vor allem die Frage gestellt, welche Züchtungsziele man 2022 verfolgen muss, um 2030 aktuell zu sein. Züchtungsziele sind ein sehr langfristiger Prozess. Von der Kreuzung der Sorten über die Erstellung der Variabilität, der Selektion bis hin zur Wertprüfung und Sortenzulassung vergehen ca. 10-14 Jahre. Die Weizenzüchtung stellt sich besonders auf Herausforderungen und Problemfelder hinsichtlich der Reduktion von Pflanzenschutzmitteln und des Düngereinsatzes, durch den Klimawandel bedingte trockenere und wärmere Vegetationsperioden (Hitze- sowie Trockenstress) und auf die Zunahme des Öko-Landbaus ein. Es gibt bereits Lösungsansätze wie Resistenzzüchtung, Ökoqualität sowie hitze- und trockenstress-tolerantere Sorten. Um im Jahr 2030 Lösungen und Sorten präsentieren zu können, muss man sich schon heute Gedanken machen. Gesellschaftliche und politische Entwicklungen, aber auch der Klimawandel bestimmten die Züchtungsziele für die Zukunft.

Um überhaupt züchten zu können, erklärte Dr. Kempf einige wichtige Grundvoraussetzungen, wie z.B. eine ausreichende Variabilität im Genpool der jeweiligen Art. Nicht jeder Züchtungsvorteil ist für den Landwirt rentabel. Manche Ziele können technisch oder pflanzenbaulich günstiger umgesetzt werden. Die Züchter versuchen vor allem, Ertragsstabilität und die Anpassung an den Klimawandel in das Sortenmaterial zu züchten. Durch eine an verschiedenen Orten und in verschiedenen Klimaregionen mehrjährige Selektion kann dies erreicht werden. Das sind Voraussetzungen, um der Landwirtschaft regional angepasste Sorten anbieten zu können.
Besondere Erfolge weist die Resistenzzüchtung auf. Hier zeigen einige Sorten eine gute Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten, wie z.B. die Sorte „Kastell“. Diese brachte in den Versuchen bei unbehandelter und behandelter Variante kaum Ertragsunterschiede. „Ohne Wachstumsregler und Fungizide haben wir im letzten Jahr im Schnitt aller Werteprüfungen über 100 dt/ha gedroschen. Das ist für mich ein ganz toller Erfolg in der Resistenzzüchtung“, so Kempf. Um Dünger zu reduzieren, könnte ein Lösungsansatz sein, hinsichtlich Stickstoffeffizienz zu selektieren oder auf Sorten mit hoher Proteinqualität zu setzen. Hier müsse man aber beachten, dass bei hoher Qualität ein geringerer Kornertrag entsteht, den der Markt honorieren müsse, so Kempf. In Deutschland existieren aktuell 18 Zuchtprogramme in Winterweizen. Diese werden zum größten Teil von mittelständischen Züchtern betrieben. Dr. Kempf betonte an der Stelle, dass diese Arbeit sicherstelle, dass ausreichend Sortenmaterial neu entstehe und für unterschiedliche Standorte passend sei.

Mikroorganismen in der Landwirtschaft

Auch Mikroorganismen spielen für die Landwirtschaft eine wichtige Rolle. Aber nicht nur hier: Sie sind die Basis des gesamten Lebens auf der Erde. Jedes Lebewesen, ob Mensch, Tier oder Pflanze, hat sein eigenes Mikrobiom. Es gibt eigentlich keinen Flecken auf der Welt, wo man keine Mikroorganismen findet. Auch in extremen Regionen und Umgebungen, wie z.B. in heißen Quellen, wo es sonst kein Leben gibt, findet man Mikroorganismen

Dabei sind Mikroorganismen nicht nur Bakterien oder Pilze, auch Algen gehören dazu. Oder wie Prof. Michael Schloter es erklärt: „Alles, was kleiner als 50 Mikrometer ist und man mit bloßem Auge nicht sehen kann“. In einem Gramm Boden leben mehr Mikroorganismen als Menschen auf der Erde. In seinem Vortrag erklärt er die Bedeutung des Mikrobioms von Böden für die Qualität von Pflanzen und die menschliche Gesundheit. In den Böden sind diese Organismen sehr wichtig für die Bodenqualität. Gerade im landwirtschaftlichen Kontext haben diese eine sehr wichtige Funktion z.B. für die Mobilisierung von Nährstoffen, die Speicherung von Kohlenstoff, den Schadstoffabbau im Boden oder die Qualitätserhaltung des Grundwassers. Außerdem produzieren Mikroorganismen Substanzen, die als eine Art Klebstoff verhindern, dass Erosion stattfinden kann.
Allerdings werden diese kleinsten Organismen durch die Art und Weise, wie wir leben und Landwirtschaft betreiben, beeinflusst. Ein Problem ist der Verlust von Diversität bei Mikrobiomen weltweit, die wir nicht wieder regenerieren können. Dieser Verlust wird besonders durch einen übermäßigen Einsatz von Dünger hervorgerufen, aber auch durch Monokulturen, Pflanzenschutzmittel und bestimmte Arten der Tierbewirtschaftung. Das heißt für den Menschen, dass er Vielfalt und damit die Ökosystemdienstleistungen, die Böden für ihn leisten, verliert.

„Man hat im Bereich Pflanzenzüchtung immer nur versucht, das Genom der Pflanze zu optimieren, hat aber dabei die Mikroorganismen vergessen, mit denen die Pflanze eng vergesellschaftet ist. Dies hat zu einem Funktionsverlust geführt, weshalb wir heute sehr viel Dünger einsetzen müssen“, erklärt Schloter. Jetzt, wo man das Problem erkannt hat, versucht man besonders das Mikrobiom in der Wurzel so zu stabilisieren, dass die Funktionalität wiederhergestellt wird. Will man wieder mehr mikrobielle Biomasse und mehr Bakteriendiversität, muss man u.a. den Kohlenstoffspeicher im Boden regenerieren. Dies führt zu mehr Resilienz, Standfestigkeit und Widerstandsfähigkeit der Standorte. Es könne auch sinnvoll sein, das Mikrobiom von Samen zu nehmen und aus der einen Region in eine andere zu bringen. Es kostet die Pflanze Energie, sich ein Mikrobiom zu halten. Mit der Zeit wird aber auch die Pflanze „faul“. Hat eine Pflanze nicht ganz so optimale Bedingungen, wird das Biom automatisch wieder diverser, da die Pflanze Ausscheidungen bildet, um die Mikroorganismen zu füttern. „Als Vergleich kann man z.B. eine Gegend nehmen, wo es viele Stürme gibt. Hier bauen sich die Menschen Häuser mit stabileren Wänden als in Regionen, wo es selten stürmt“, so Schloter.
Das menschliche Mikrobiom wird – wie auch das der Pflanze – stark durch die Umwelt beeinflusst. Dabei erwähnt Schloter auch das „One-Health-Konzept“, das besagt, dass ein gesunder Mensch in einer gesunden Umwelt lebt. Die Gesundheit von Menschen, Tieren und der Umwelt ist untrennbar miteinander verknüpft. Wird die Umwelt nicht geschützt, können vermehrt pathogene Mikroorganismen entstehen, die Erkrankungen hervorrufen – bei Menschen, Tieren oder auch Pflanzen. In den letzten 40 Jahren wurde ein Anstieg an Infektionskrankheiten registriert, weil sich Pathogene aufgrund der Verringerung der kleinsten Organismen in der Umwelt besser durchsetzen können. Hier kann eine hohe Diversität der Mikrobiome auch als Schutzfunktion vor Pathogenen dienen, weshalb die Erhaltung der vielen verschiedenen Mikroorganismen so wichtig ist.
Ist die Bodenqualität schlecht, leidet auch die Gesundheit des Menschen. Es gibt also einen negativen Feedbackloop zwischen menschlicher Gesundheit und Bodenqualität. „Wir müssen versuchen, wieder in eine positive Entwicklung zu kommen. Das können wir schaffen, indem wir wieder mehr Natur zulassen – sowohl im ländlichen als auch im urbanen Raum. Wir müssen in der Landwirtschaft durch landwirtschaftliche Techniken dafür sorgen, dass wieder mehr Diversität von Mikroorganismen entsteht, wodurch wir gesunde Böden, damit auch gesunde Pflanzen bekommen und folglich auch gesünder leben“, betont Schloter.

Neue Ansätze, um Pflanzenschutz technisch zu reduzieren

Rechtliche Rahmenbedingungen schränken den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln immer weiter ein. Um die vorgegebenen Reduktionsziele zu erreichen, die auch im neuen Koalitionsvertrag festgelegt sind, aber trotzdem weiterhin gute Erträge bei der Ernte einzufahren, braucht es neue technische und ackerbauliche Ansätze. Prof. Dr. Bernhard Bauer (HSWT Triesdorf) beantwortet in seinem Vortrag die Frage „Welche neuen Ansätze und Ideen gibt es, um Pflanzenschutz technisch zu reduzieren?“.

Für ihn ist vor allem auch die Umsetzbarkeit dieser Lösungen in der Praxis wichtig. Der Fokus liegt auf der Anwendbarkeit: Was kann man machen? Welche Produkte sind machbar? Wie muss man diese weiterentwickeln? Lösungen findet man hier durch Substitution, z.B. im mechanischen Pflanzenschutz. So kann man Herbizide durch vermehrtes Hacken und Striegeln ersetzen. Eine andere Möglichkeit könnte die Erweiterung von Fruchtfolgen sein. Andere Ansätze unterstützen Ideen zur Reduktion von Pflanzenschutzmitteln durch Technik. Durch das Optimieren von Applikationstechnik kann man die Anlagerung, Bestandsdurchdringung oder Benetzung verbessern. Aber nicht bei jeder Pflanzenschutzmaßnahme kann die Applikationstechnik zur Optimierung der Aufwandmenge eingesetzt werden. Auch Techniken wie die Befallsmodelle oder Wetterdaten können als Entscheidungsunterstützung dienen, um bei optimaler Terminierung möglichst gezielt und mengenoptimiert Pflanzenschutz zu betreiben.
Im Bereich der Fungizide wird aktuell an einem ganz neuen Konzept gearbeitet. Der Gedanke dabei ist z.B. den Winterweizen nicht mehr als Flächenkultur zu sehen, sondern als Raumkultur. Es werden weite Reihen angelegt. Mit speziellen Düsen taucht man zwischen die Reihen ein und appliziert von der „Seite“. Der Vorteil dabei könnte sein, dass man gezielt auch untere Bereiche der Pflanze bei der Applikation einfacher und sicher treffen kann. Hierzu laufen am Standort Triesdorf erste Versuche, so Bauer.
Großes Potenzial sieht Bauer auch in der Pulsweitenmodulation, kurz „PWM“. Hier ist jeder Düsenstock am Spritzgestänge in der Lage, mehrmals pro Sekunde zu öffnen und zu schließen. Ist das Verhältnis von Verschlusszeit zur Öffnungszeit 50 %, wird die halbe Menge ausgebracht. Einen großen Vorteil sieht er in der Möglichkeit, Tropfenspektrum und Ausbringmenge fast getrennt voneinander steuern zu können. „Manchmal brauchen wir wenig Wasser, aber feine Tropfen. So etwas lässt sich mit einem PWM-System relativ einfach realisieren und sogar teilflächenspezifisch im Schlag anpassen“, so Prof. Dr. Bauer.

Es gibt hier definitiv noch Entwicklungspotenzial – einmal bei der Frage, wie man seinen Bestand betrachtet hinsichtlich Raum- oder Flächenkultur, aber auch bei der Ausschöpfung und Weiterentwicklung der technischen Möglichkeiten. Dennoch zeigt der aktuelle Stand auch, dass es Wege gibt, wie man die vorgegebenen Ziele erreichen kann, ohne sagen zu müssen, dass gewisse Applikationen nicht mehr möglich sind.

Kameras im Pflanzenschutz

Mit dem Thema Kamerasysteme im Pflanzenschutz, moderiert von Michael Braun, setzte sich auch Theodor Leeb (HORSCH LEEB Application Systems GmbH) in einer Talkrunde auseinander. Gemeinsam mit Dr. Jens König (Robert Bosch GmbH, Bereich Smart Agriculture), Prof. Dr. Bernhard Bauer (HSWT Triesdorf) und Dr. Robin Mink (Mitgründer und Co-Geschäftsführer von SAM-DIMENSION.com) beschäftigte er sich mit der Frage, ob Kameras im Pflanzenschutz das menschliche Auge ablösen, ob diese mit ihren Erkennungsalgorithmen den integrierten Pflanzenschutz unterstützen und ob es mit dieser Technik gelingt, signifikante Einsparpotenziale im Pflanzenschutz zu generieren.
Die Kameras mit Algorithmen werden das menschliche Auge im Pflanzenschutz künftig unterstützen. Doch aktuell muss der Landwirt im Fokus der Entscheidungsfindung stehen. Denn selbst die besten kamerabasierten Techniken können den Landwirt derzeit bei seinen agronomischen Entscheidungen nur als Unterstützung dienen.

Wichtig für den Einsatz von Kameras ist auch, dass sie etwas wahrnehmen können. Damit werden z.B. Vorauflaufherbizid-Maßnahmen aufgrund des noch nicht sichtbaren Unkrautes für optisch gestützte Verfahren ausgeschlossen. Vor allem bei blattaktiven Wirkstoffen oder der Bekämpfung von Problemunkräutern sieht Prof. Bauer Einsparpotenziale. Zur Reduktion des Pflanzenschutzes trägt auch der mechanische Pflanzenschutz mit einer kamerabasierten Reihenerkennung bei, um dadurch Herbizide zu substituieren. Auch bei Pilzerkrankungen bieten die Kameras die Möglichkeit, Symptome zu erkennen und dementsprechend mit Fungiziden teilflächig zu reagieren.
Aus technischer Sicht brauche man eine sehr exakte Gestängeführung, erklärt Theodor Leeb. Dies ist die Voraussetzung für kameragestütztes Bandspritzen und Spot Spraying, sonst funktioniere es nicht, denn die Düsen bzw. der Spot müssen ja exakt über der Kulturreihe bzw. dem Unkraut platziert werden.
Im Interview „Einzelpflanzenerkennung – Kamerasysteme mit Zukunft?“ mit Theodor Leeb lesen Sie außerdem noch mehr zu den verschiedenen Anwendungen der Kamerasysteme.

Mehr zu den HORSCH Live Themen können Sie über www.horsch.com/live erfahren.