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5 auf einen Streich

Theo Leeb

Theo Leeb im terraHORSCH Interview über die vielen Vorteile der Pulsdüsen und den Erfolg weiterer Neuheiten, die sich nun ein Jahr nach der Agritechnica erfolgreich im Feldeinsatz bewährt haben.

terraHORSCH: Lassen Sie uns etwas mehr als ein Jahr nach der Agritechnica ein Resümee ziehen. Es gab dort viele Neuheiten. Wie sind diese inzwischen im Markt angekommen?
Theodor Leeb: Wir haben als große Highlights die Tandemspritze Leeb 12 TD, die neue Selbstfahrerlinie PT und unser PrecisionSpray mit der Pulsdüsentechnik vorgestellt.

terraHORSCH: Über die Leeb 12 TD und die neue Selbstfahrer-Linie haben wir ja bereits in den zwei vergangenen Ausgaben der terraHORSCH berichtet. Gibt es hier Updates, wie die Maschinen nun im ersten Jahr im Feld gelaufen sind?
Theodor Leeb: Fangen wir mit der Tandemspritze 12 TD an. Hier dachten wir ja anfangs, dass es ein Nischenprodukt sei. Ein wichtiges Produkt zwar, aber ein Nischenprodukt für Kunden mit ganz speziellen Anforderungen hinsichtlich Schlagkraft und Logistik. Mit dem großen Tankvolumen will man ja die Flächen­leistung steigern und das Logistikproblem bei großen Hof-Feld-Entfernungen entschärfen. Doch die tatsächliche Nachfrage hat uns absolut positiv überrascht und wir können sagen, dass das neue Produkt in kurzer Zeit sehr gut im Markt angekommen ist und angenommen wird. Das liegt natürlich sicher auch am Zwei-Tank-System, das eine zentrale Herausforderung bei Tandemspritzen auf neue und innovative Art gelöst hat. Bei einem Gesamtvolumen von 12.000 Litern haben wir eine Aufteilung von 7000 Litern vorne und 5000 Litern hinten vorgenommen. Beim Spritzen werden die beiden Tanks abwechselnd schrittweise entleert. Und zwar so, dass sich im vorderen Behälter immer mehr Brühe befindet als im hinteren. Im hügeligen Gelände hat sich diese Technik jetzt bestens bewährt, da dadurch immer ausreichend Stützlast am Schlepper verbleibt und somit die Traktion wesentlich verbessert wird. Die Kunden sind sehr überrascht, wie leichtzügig die 12 TD dadurch ist.

terraHORSCH: Der Leeb PT wurde auf der Agritechnica ja ganz konkret als ein Modell vorgestellt, das die Basis für eine Selbstfahrerlinie ist, mit der HORSCH global aktiv sein wird. Nach der erfolgreichen Einführung des neuen Leeb PT liefen ja nun auch die ersten Leeb VL (Variable Large) in den Märkten. Was waren da die ersten Erkenntnisse?
Theodor Leeb:
Erst einmal sind wir mit dem ersten Serienjahr für den PT extrem zufrieden. Wir haben hier von unseren Kunden, überwiegend aus Zentraleuropa, sehr positives Feedback erhalten. Für den weltweiten Markt gibt es jetzt mit dem Leeb VL ein neue Selbstfahrer-Variante, die in diesem Jahr erstmals auf einer Messe in Russland stand und auch schon auf vielen Tausend ha im Einsatz war, zum Beispiel in Osteuropa. Der Leeb VL ist mit teleskopierbaren Achsen und einer neuen Einzelradaufhängung ausgestattet. Die variabel verstellbare Spurweite ist in zwei Bereichen verfügbar – einmal zwischen 2,60 und 3,50 m und von 3 bis 4 m. Beide können mit einer optionalen Höhenverstellung von bis zu 2 m ausgestattet werden. Zunächst wird der Leeb VL mit einem Behältervolumen von 6.000 l und 8.000 l verfügbar sein – später auch 4.000 l. An den Spurweiten erkennt man, dass diese Maschine für die Exportmärkte bestimmt ist. Darüber hinaus bringen wir mit der Baureihe VN (Variable Narrow), die auch über eine variabel verstellbare Spureinstellung verfügt, eine Variante für Europa. Diese bewegt sich in zwei Bereichen: entweder von 1,80 bis 2,25 m oder von 2,25 bis 3 m. Der Kunde kann individuell wählen, welche Variante für ihn am besten passt. Die Spureinstellung von 2,25 bis 3 m kann optional mit einer Höhenverstellung bis 2 m ausgestattet werden. Der Leeb VN ist zunächst mit einem Behältervolumen von 5.000 l oder 6.000 l erhältlich und erinnert vom Einsatzspektrum eher ein wenig an den Leeb PT 350.

terraHORSCH: Bei HORSCH gab es ja lange Zeit keine Einzeldüsenabschaltung im Angebot. Warum?
Theodor Leeb:
Also für uns stand der technische Mehraufwand ehrlich gesagt in keinem Verhältnis zum Nutzen, da wir eine sehr fein abgestufte Teilbreitenschaltung mit bis zu 42 Teilbreiten hatten.

terraHORSCH: Aber der technische Aufwand für ein Pulssystem, wie es auf der Agritechnica vorgestellt wurde, ist ja auch nicht zu unterschätzen.
Theodor Leeb:
Das ist richtig, aber der Mehrnutzen durch einen wesentlich größeren Arbeitsbereich der Düse, die weitgehende Unabhängigkeit zwischen Druck und damit Tropfengröße und Fahrgeschwindigkeit sowie Kurvenkompensation oder VariableRate per Section rechtfertigen diesen Aufwand absolut. Da kommt jetzt auch viel Nachfrage. Und für die Maschinen, die jetzt draußen laufen, haben wir extrem positive Rückmeldungen bekommen. Es würde keiner mehr zurückgehen. Ganz im Gegenteil. Da gibt es überhaupt keine Diskussion. Aber am besten gehen wir vielleicht alle Vorteile der Reihe nach durch.

terraHORSCH: Welche Anforderung, die nun in vielen Vorteilen mündet, war denn überhaupt der Auslöser, sich mit den Pulsdüsen als Hardware und dem PrecisionSpray als intelligente HORSCH Steuerung dahinter zu befassen?
Theodor Leeb:
Das kommt ursprünglich mal aus dem Dilemma der nordamerikanischen Betriebe, die sehr schnell mit nur einer Düse fahren wollten. Der gewünschte Geschwindigkeitsbereich von 5 km/h bis 25 km/h war mit einem Düsenkaliber nicht abzudecken. Und deswegen wurden in USA die ersten Entwicklungen in diesem Bereich unternommen. Die Pulsweitenmodulation ist ein System, das zunächst einmal hochfrequent Düsen öffnen und schließen kann. Dies geschieht durch einen kleinen Elektromagneten, der mittels eines oszillierenden Metallkolbens eine Bohrung öffnet und verschließt. Mit welcher Frequenz dies passiert, gibt die sogenannte Hertz-Zahl an. Unser System arbeitet beispielsweise mit 20 Hertz, was bedeutet, dass die Düse 20 Mal in einer Sekunde öffnet und schließt. Ein Zyklus (Düse auf/zu) dauert demnach 0,05 Sekunden. Die hohe Frequenz ist wichtig, um eine ausreichend genaue Längsverteilung sicherzustellen. Höhere Frequenzen machen aber wenig Sinn, da dann der Einstellbereich des Duty Cycle eingeschränkt wird.

terraHORSCH: Damit sprechen sie einen weiteren Fachbegriff an, der aber ebenso wichtig für das weitere Verständnis und die Funktionsweise ist: den Duty Cycle. Was hat es damit genau auf sich?
Theodor Leeb: Das System kann die Öffnungs- und Schließdauer der Düse in prozentualer Abhängigkeit zur Zykluszeit unterschiedlich anpassen. Dies ist der sogenannte Duty Cycle. Die Hertz Angabe eines Systems gibt die Frequenz an, wie oft eine Düse in einer Sekunde geöffnet und geschlossen werden kann, und der Duty Cyclegibt an, wie viel Prozent eines Taktes davon geöffnet wird.
Bei 0 % Duty Cycle ist die Düse geschlossen. Bei 50 % ist die Düse eine Hälfte der Zykluszeitzeit offen und die andere Hälfte der Zeit geschlossen. Bei einem Duty Cycle von 100 % wäre die Düse immer offen und man würde wie mit einer herkömmlichen Pflanzenschutzspritze fahren. Somit können wir über unterschiedliche Duty Cycle und damit Öffnungszeiten die Aufwandmenge stufenlos unabhängig vom Spritzdruck steuern. Ein sinnvoller Arbeitsbereich für den Duty Cycle ist 30 - 100 %. Das bedeutet, dass der Ausstoß einer Düse durch die Pulsweitenmodulation (PWM) auf 30 % reduziert werden kann - und das bei gleichem Druck und damit Tropfenspektrum. Ein Beispiel: Ist eine 05er Düse montiert, kann durch einen Duty Cycle von 30 % der Ausstoß einer 015er Düse erreicht werden. Damit ergibt sich ein Arbeitsbereich von 015 bis 05 und das stufenlos. Damit wird auch deutlich, dass wir mit dem PWM-System grundsätzlich größere Düsenkaliber fahren und dadurch eigentlich keine Verstopfungsprobleme mehr haben. Soweit zur Funktionsweise und den Fachbegriffen.

terraHORSCH: Das ist aber nun ja quasi doch eine Einzeldüsenschaltung.
Theodor Leeb (lacht):
Das ist richtig. Aber die Menge an weiteren Vorteilen ist bei unserem System ganz beachtlich.Die Einzeldüsenschaltung, auf der viele herumreiten, ist eigentlich nur ein Teilaspekt. Durch die vielen Praxiserfahrungen stehen für uns ganz andere praxisrelevantere Argumente im Mittelpunkt.
Es ist in jedem Fall für die Landwirte eine innovative Technik, mit der sie jetzt schon perfekt für die Zukunft gerüstet sind. Denn wer weiß, was die Gesetzgeber weltweit künftig an Regelungen im Pflanzenschutz bringen werden.

terraHORSCH: Sie haben oben schon gesagt – der Landwirt hat nur noch eine Düse und diese verstopft auch nicht mehr.
Theodor Leeb: Ja, man muss nicht mehr wie früher viele Düsen vorhalten, um für jede Ausbringmenge und Fahrgeschwindigkeit das passende Set-up zu haben. Zum anderen werden die Spritzeigenschaften nicht mehr durch wechselnde Düsen beeinflusst. Das heißt: Egal ob wechselnde Fahrgeschwindigkeiten oder unterschiedliche Aufwandmengen, die Applikationsqualität und das Belagsbild bleiben immer konstant, da nicht mehr über den Druck die Anpassung an die Fahrgeschwindigkeit erfolgt, sondern über den Duty Cycle. Der Druck und das Tropfenspektrum bleiben hierbei konstant. Somit muss bei steigender Fahrgeschwindigkeit oder Ausbringmenge die Düse nicht mehr angepasst werden. Dies geschieht mit der Pulsweitenmodulation automatisch über die Veränderung des Duty Cycle. 

Ganz vereinfacht in Stichpunkten sind die Vorteile:

  • Stufenlose Anpassung des Volumenstroms bei konstantem Druck und Tropfengröße
  • Gleichbleibendes Tropfenspektrum bei Verwendung einer Düse -> geringe Anzahl verschiedener Düsenkaliber nötig
  • Kurvenkompensation
  • VariableRate mit Abstufung auf virtuelle Teilbreiten mit 3 m
  • Einzeldüsenabschaltung für SectionControl

terraHORSCH: Den Begriff Kurvenkompensation kennt man ja schon von der Maestro Einzelkornsätechnik, wo bei großen Arbeitsbreiten bei Kurvenfahrten die Saatstärke im Kurveninneren verringert und außen erhöht wird.
Theodor Leeb:
Genauso verhält es sich im Pflanzenschutz und wir packen ein ganz konkretes ackerbauliches Problem an: Die Problematik der resistenten Beikräuter hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Oftmals wachsen die Beikräuter von den Feldgrenzen in den Bestand hinein. Das Problem dabei ist, dass dort meist auch Kurven ausgefahren werden müssen und es durch die unterschiedlichen Geschwindigkeiten von Gestängeaußen- und -innenseite zu einer Über- oder Unterdosierung kommt. Dies kann über die Kurvenkompensation ausgeglichen werden. Mit unserem PrecisionSpray wird die Aufwandmenge jeder Düse über das gesamte Gestänge an die Kurvengeschwindigkeit angepasst und somit eine exakte Applikation mit gleichbleibender Wirkstoffmenge erreicht.

terraHORSCH: Man kann also mit einer einzigen Düse alles abdecken. Aber welche genau ist denn nun die richtige? Oder gehen alle Düsen?
Theodor Leeb:
Grundsätzlich gilt: Je länger eine Düse ist und je größer die Luftkammer ist, desto größer ist die Gefahr, dass die Flüssigkeitspulse gedämpft werden und die Düse dann anfängt zu „spucken“. Die meisten kurzen Injektordüsen funktionieren hingegen sehr gut. In Nordamerika, wo die Pulsweitenmodulation bereits seit ca. 20 Jahren eingesetzt wird, werden überwiegend Standardflachstrahldüsen oder spezielle Lowdrift-Düsen verwendet. Diese haben aber hier entweder keine Zulassung oder erfüllen nicht die 90 %-Abdriftklasse. Um hier eine Empfehlung aussprechen zu können, haben wir daher eigene Labor- und Feldtests durchgeführt, bei denen auch 90 %-Düsen sowie Doppelflachstahldüsen berücksichtigt wurden. Technisch funktionieren diese Düsen der Hersteller Lechler, Agrotop und Teejet mit unserem PrecisionSpray einwandfrei. Die Frage, die zum Schluss offenblieb, ist: Erreicht eine 90 %-Düse auch mit einem PWM-System die 90 %-Abdriftklasse? Um diese Frage zu beantworten, arbeiten wir zusammen mit den Düsenherstellern und dem Julius-Kühn-Institut mit Hochdruck an einer entsprechenden Eintragung. Erste Ergebnisse für Deutschland erwarten wir Anfang 2021. Unser PrecisionSpray als System ist hinsichtlich Zuverlässigkeit, Praxistauglichkeit und Genauigkeit in der Querverteilung bereits JKI anerkannt. Für Kunden, die schon ein PWM-System besitzen, gibt es technische Möglichkeiten, um die aktuellen Auflagen zu erfüllen. Denn wenn man mit einem Duty Cycle von 100 % fährt, verhält sich die Düse wie in einer Standard-Pflanzenschutzspritze und es gelten die aktuellen 90 %-Eintragungen. Somit kann man bereits heute auf PrecisionSpray setzen, ohne befürchten zu müssen, gegen geltende Auflagen zu verstoßen.

terraHORSCH: Neben dem PrecisionSpray haben Sie auf der Messe auch ein System zur Düsenüberwachung gezeigt. Wie sind hier Ihre Erfahrungen?
Theodor Leeb:
Das ist unser NozzlePlugControl ­- ein System aus kleinen Radarsensoren, die vor den Düsenkörpern montiert werden. Um die Praxistauglichkeit sicherzustellen, hatten wir in der abgelaufenen Saison mehrere Maschinen mit dieser Sensorik im Feld.
Die Tests sind sehr gut gelaufen. Überwacht wird hier in erster Linie der Bereich hinter der Maschine, der für den Fahrer nicht einsehbar ist. Das Besondere ist, dass unser Sensor auch wirklich die Qualität des Spritzfächers und des Spritzbildes auswertet und somit mehr als nur eine reine Durchflusskontrolle bietet. Es ist ja leider oft so, dass eine kleine Verunreinigung die Ausbildung des Spritzfächers stört, die Ausstoßmenge aber noch passt. Damit sichert diese Option nicht nur maximale Einsatzsicherheit, sondern sorgt auch für eine Entlastung des Fahrers. Unser NozzlePlugControl (NPC) wird in Kürze für unsere Selbstfahrer sowie die LT-, GS- und TD-Baureihe verfügbar sein.