Home » Ausgabe 19-2019 » Aus dem Unternehmen » Landwirtschaft der Zukunft (Michael Horsch)

Landwirtschaft der Zukunft

Wie könnte die Landwirtschaft der Zukunft aussehen? Was trägt die Landwirtschaft zum Klimaschutz bei? Was wird die Gesellschaft weiterhin von den Landwirten verlangen? All diese Fragen stellt sich auch Michael Horsch und gibt ein paar Antworten dazu.

terraHORSCH: Welche Strategien für einen positiven Beitrag zum Klimaschutz beobachten Sie?
Michael Horsch:
Ich kann mittlerweile das Thema Zukunft schon gar nicht mehr hören, denn wir sind schon mittendrin! Aktuell gibt es unterschiedlichste Aktivitäten zum Thema CO2. Schauen wir uns z.B. die Bioverbände an, die die Humuswirtschaft als zentrales Thema installiert haben. Die Frage, die sich für mich stellt, ist: Wie schaffen wir es, Dauerhumus - wie das Wort es schon sagt - dauerhaft in den Boden einzulagern und nicht nur zu versuchen, den Nährhumus weiter aufzubauen? Dieser ist nämlich sehr schnell wieder abgebaut. Des Weiteren brauchen wir eine Zertifizierung, die bei den Kohlenstoff-Zertifikat-Aufkäufern anerkannt ist.
Für Zertifikat-Aufkäufer gibt es aktuell großes Potential bei den Automobilherstellern oder beim Lebensmitteleinzelhandel. Der Lebensmitteleinzelhandel strebt nicht nur eine CO2-Neutralität an, sondern überlegt sogar, bei den angebotenen Nahrungsmitteln CO2-positiv zu werden. Dies könnte ihm gelingen, indem er Produkte bewirbt, die von Landwirten kommen, die nachweislich CO2 im Boden aufbauen.
Stellen wir uns nur mal vor, welche Wirkung das auf den Verbraucher haben wird. Dieser ist zunehmend besorgt um unser Klima und ihm ist es lieber, regionale Lebensmittel zu kaufen, die auch noch Humus aufbauend erzeugt wurden, als Lebensmittel, die mit Kohlenstoff-Zertifikaten zum Pflanzen von Bäumen in Indonesien oder dem Himalaja beworben werden.

terraHORSCH: Wie kann die Landtechnikbranche die Landwirte im Punkt CO2 unterstützen?
Michael Horsch:
Bei dieser Frage bin ich gespalten. Denn auf der einen Seite wurde viel getan, was den CO2-Fußabdruck von Dieselmotoren angeht, aber auf der anderen Seite fühlt sich das für mich wie ein Tropfen auf dem heißen Stein an.
Im Ackerbau z.B. benötigen wir heute ca. 100 l Diesel/ha, das entspricht ca. 300 kg CO2/ha. Mit besseren Motoren und besseren Getrieben und Reifen haben wir da vielleicht 20 l/ha oder 60 kg/ha CO2 eingespart. Wenn das aber einer anderen Wirtschaftsweise, auf die wir Landtechniker auch einen großen Einfluss nehmen können, gegenüberstellt wird, dann könnten durchaus 5.000 bis 10.000 kg/ha CO2 jedes Jahr im Boden gespeichert werden. Im Vergleich dazu ist eine Einsparung von 60 kg/ha verschwindend gering.

terraHORSCH: CO2 scheint also zukünftig eines der zentralen Themen der Landwirte zu sein.
Michael Horsch:
Mit dem Klimawandel hätten wir Landwirte eine weitere Chance, mit der Gesellschaft zusammenzukommen. Es hat in den letzten 100 Jahren zweimal einen Punkt gegeben, an dem die Agrarforschung sich um Humusaufbau bemüht hat. Das war einmal 1920 nach dem Ersten Weltkrieg aufgrund der Hungersnot und dann noch mal 1950 nach dem Zweiten Weltkrieg. Zu dieser Zeit war die Landwirtschaft stark gefordert, die Bevölkerung mit ausreichend Lebensmitteln zu versorgen. Der Humusaufbau stand dabei im Vordergrund.
Anfang der 1960er Jahre rückten Traktoren, Dünger, Chemie und Pflanzenzüchtung nach und die Erträge begannen, stetig zu wachsen. Humus spielte dabei eher weniger eine Rolle. Von so manchem Kritiker der konventionellen Landwirtschaft kam der Vorwurf, dass sogar ein Abbau von Humus stattgefunden hat. Das war allerdings meistens nicht der Fall. Durch die stark angestiegenen Erträge in den 70er, 80er und 90er Jahren sind die Nährhumuswerte sogar mit gestiegen.

terraHorsch: Müssen sich die Ziele der modernen Landwirtschaft verändern, um den aktuellen Anforderungen gerecht zu werden?
Michael Horsch:
Wir stellen uns durchaus die Frage, ob es mit dem 1 % Ertragswachstum pro Jahr so weitergehen kann. Dies war noch bis vor zehn Jahren bei Raps, Weizen, Gerste Fruchtfolgen in Westeuropa der Fall. Jetzt stellen wir fest, dass die Erträge in manchen Gebieten, z.B. in Süddeutschland, Zentral- Frankreich oder Ost-England, stehen bleiben.
Vielleicht wäre es für viele Landwirte eine Alternative, durch Humusaufbau ein zusätzliches Einkommen zu erhalten, was aber nicht unbedingt mit dem Prinzip der absoluten Ertragsmaximierung zu vereinbaren sein wird. Dies wird allerdings nicht in jeder Region funktionieren.
Wenn heute schon Zertifikate mit bis zu 50 €/t gehandelt werden oder zukünftig vielleicht mit bis zu 250 bis 500 €/ha, dann ist das durchaus überlegenswert.
Ich bin mir sicher, dass es in der Gesellschaft gut ankommen würde, wenn die Landwirte 500 €/ha für Humusaufbau erhalten würden anstelle von 300 €/ha Subvention.

terraHorsch: Gerade in der konventionellen Landwirtschaft geht die Diskussion zu Humusaufbau mit reduzierten Arbeitsintensitäten und dem Einsatz von Glyphosat einher. Wie sehen Sie den Baustein Glyphosat?
Michael Horsch
: Glyphosat ist politisch gesehen in Westeuropa schon so gut wie verboten, zumindest im Moment. Zum Erosionsschutz und zum Humusaufbau wäre Glyphosat in geringen Mengen als teilweiser Ersatz von Bodenbearbeitung durchaus ein umweltschonender Beitrag. Ich höre leise Töne von Seiten der Glyphosat-Gegner, dass sie dies durchaus auch so sehen.
Solange allerdings in Nord- und Südamerika Roundup-Soja und -Mais angebaut und hier auch die größten Mengen von Glyphosat verbraucht werden, wird sich wohl kaum jemand aus der Ecke der Glyphosat-Gegner dafür erwärmen lassen.

terraHORSCH: Was denken Sie? Welche Auswirkungen könnte der vermehrte Einsatz von Mikroorganismen (EM) auf den Boden und die Pflanzen haben?
Michael Horsch:
Spezielle Bakterien, Pilze und Enzyme, die in der Natur vorkommen, zu züchten und in den Boden oder auf die Pflanze auszubringen, ist nichts Neues. Neu ist, dass man sich mit der Biotechnologie von heute besser erklären kann, was da passiert und wie man es nutzen kann. Es muss uns aber auch klar sein, dass noch sehr wenig Grundlagenforschung läuft und vieles auf den empirischen Erfahrungen von Praktikern beruht.
Wir sehen allerdings hier ein geniales Betätigungsfeld, Zusammenhänge im Boden und die positive Wirkung auf die Pflanze besser zu verstehen und zu nutzen - um z.B. Fungizide und Insektizide zu reduzieren, bis sie irgendwann komplett ersetzt werden können. Wir beobachten das momentan bereits bei großen Soja-Landwirten in Brasilien.
Die Einbindung von Mikroorganismen könnte ein weiterer Lösungsansatz für den Aufbau von Dauerhumus sein. Mikrobakterielles Karbonisieren könnte eines der großen Themen in naher Zukunft werden.

„Die Landwirte müssen sich in Zukunft mehr Gedanken um ihre CO2-Bilanz machen.“

terraHORSCH: Welchen Beitrag kann HORSCH dazu leisten?
Michael Horsch:
Indem wir uns verstärkt weiter den Themen widmen, mit denen wir uns bereits seit einiger Zeit beschäftigen. Ich rede ständig über Themen wie CO2, EM, MC, Nährstoffdichte in Nahrungsmitteln oder rückstandsfreie Nahrungsmittel. Diese Themen müssen wir jetzt auch mit Leben erfüllen. Das verlangen vor allem unsere Kunden von uns. Deswegen beschäftigen wir uns intensiv mit der ökologischen Landwirtschaft.
Des Weiteren sind wir gespannt, wie sich die Hybrid-Landwirtschaft weiterentwickeln wird. Erkenntnisse aus dem Öko-Bereich und Bewährtes aus der konventionellen Landwirtschaft kommen dabei zusammen und vielleicht lässt sich in Kombination mit moderner Biotechnologie eine komplett neue Form der Lebensmittelproduktion erahnen.

terraHORSCH: Oft geht Humuswirtschaft mit Tierhaltung einher. Wie wird sich der Fleischkonsum in Zukunft Ihrer Meinung nach entwickeln?
Michael Horsch:
Das wird spannend. Denn PF (Precision Fermentation) und Flexitarismus (weniger tierische, dafür mehr pflanzliche Nahrungsmittel) sind auf dem Vormarsch.
Es gibt Thinktanks, die voraussagen, dass PF in zehn Jahren allein in den USA 50 % des Rindfleisches ersetzen wird. Ich würde mich hier nicht verrückt machen lassen. Wenn aber nur 10 % dieser Vorhersagen eintreffen, dann kommen auf die Soja- und Mais-Produzenten in den USA und Brasilien unangenehme Zeiten zu.
Ich bin allerdings absolut der Meinung, dass konventionell und ökologisch wirtschaftende Landwirte, die regional und nachhaltig produzieren, keine Angst vor der Zukunft haben müssen. Sie verstehen am besten, was die Verbraucher von ihnen verlangen.

EM – Effektive Mikroorganismen: Dabei handelt es sich um eine konzentrierte Mischung von regenerativen Mikroorganismen, die eine positive Wirkung auf lebenswichtige Prozesse haben. Sie sind zum Beispiel in der Lage, Fäulnis oder Schimmelbildung zu verhindern. 
PF - Precision Fermentation beschreibt den Prozess zur synthetischen Herstellung von Fleischersatzprodukten.
MC- Mikrobielle Carbonisierung: Bei diesem Prozess wird organische Biomasse, zum Beispiel Wirtschaftsdünger aus der Tierhaltung oder Gemüseabfälle, anaerob aufbereitet. Dies geschieht auch unter der Zugabe von ausgewählten Mikroorganismen.