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Chancen und Zukunft der Technik für Bio- und Hybrid-Landwirtschaft

Erstmalig präsentiert HORSCH bei der diesjährigen Agritechnica spezielle Technik für die mechanische Bestandespflege. Michael Horsch erläutert die Hintergründe, warum HORSCH nun auch Technik für diesen Bereich entwickelt.

terraHORSCH: Was hat Sie dazu gebracht, sich für die biologische Landwirtschaft zu interessieren und spezielle Technik dafür zu entwickeln?
Michael Horsch:
Seit längerem sehen wir immer mehr, dass viele biologisch wirtschaftende Landwirte über viel Erfahrung mit Bodenbearbeitung, Fruchtfolgen und mechanischer Unkrautbekämpfung verfügen, von der wir profitieren können, wenn wir uns damit auseinandersetzen. Gleichzeitig steigt der Anteil ökologisch produzierter Nahrungsmittel und damit auch der Bedarf an passender Technik. Gerade das ist für uns besonders interessant.
Wissen aus dem konventionellen Ackerbau kann außerdem auch den ökologischen Ackerbau positiv beeinflussen, zum Beispiel beim Thema Humusaufbau.

Welche Erfahrungen haben Sie bisher im Biobereich sammeln können?
Michael Horsch:
Ich persönlich habe in den letzten fünf Jahren von guten Bio-Landwirten viel über Strohrotte, Humusaufbau sowie Boden- und Pflanzenkrankheiten gelernt.
Wie ich bereits eingangs erwähnt habe, merken wir, dass wir unsere Erfahrungen aus der konventionellen Landwirtschaft auch auf den Ökobereich übertragen können. Wir sehen dabei außerdem, dass sich noch ein weiterer Bereich entwickeln könnte, den wir als Hybrid-Landwirtschaft bezeichnen und der die Vorteile des konventionellen Ackerbaus mit denen des ökologischen vereint. Wie sinnvoll dieser Ansatz ist, können wir noch nicht abschätzen - das wird sich erst mit der Zeit zeigen.
Ich war vor einiger Zeit wieder in Brasilien unterwegs und besuchte dort drei der größten Betriebe des Landes. Auffällig war dabei, dass alle drei die Zukunft in Bakterien und Enzymen sehen und beabsichtigen, damit ihre Insektizide und Fungizide komplett zu ersetzen. Diese brasilianischen Landwirte bewirtschaften auf diese Weise einige 10.000 ha ihrer Betriebe. Sie setzen unter anderem Milchsäurebakterien ein, die sie auch selbst produzieren. Das ist sehr kostengünstig, allerdings brauchen sie mehrere Überfahrten mit der Pflanzenschutzspritze.  
Die Kombination aus herkömmlichem Düngemittel, Pflanzenschutz mit dem Ansatz, Insektizide und Fungizide enzymatisch und bakteriell zu ersetzen, und dem Einsatz von Hacken und Striegeln als Ersatz für die Herbizide ist aus heutiger Sicht noch mehr Vision als Realität. Nichtsdestotrotz wäre das ein Ansatz, um die Hybrid-Landwirtschaft weiter voranzutreiben. Wir wissen genau, dass die Gesellschaft und der Lebensmitteleinzelhandel positiv darauf reagieren würden. Meiner Meinung nach ist das eine der Möglichkeiten, wie sich die Landwirtschaft in Zukunft weiterentwickeln könnte.
Unser Ziel muss es sein, Nahrungsmittel rückstandsfrei zu produzieren. Wir glauben fest daran, dass das auch mit dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln möglich ist.

Praktikermeinungen

Cura ST
Der HORSCH Cura ST im 3-Punkt-Anbau wird die Arbeitsbreiten von 6 bis 15 Meter abdecken. Kernelemente sind die Striegelzinken, die mit ihrer speziellen Kontur von sehr aggressiver bis zu passiver Arbeit eingestellt werden können. Dadurch wird ein gezielter Einsatz des Cura ST möglich - egal ob zur schonenden Blindarbeit nach der Saat oder zum intensiven Auskämmen von z.B. Klettenlabkraut im Getreide. Der Federmechanismus ist so ausgelegt, dass über den gesamten Federbereich des Zinkens die gleiche Kraft an der Zinkenspitze anliegt. Diese Eigenschaft ermöglicht beispielsweise den Einsatz auf Dämmen.
Für Durchgang sorgen am Cura ST die oben liegenden Federn über dem Hauptrahmen. Dieser Aufbau schont die Kulturpflanze und verhindert effektiv das Aufsammeln von Pflanzenmaterial.
Der Auflagedruck der Striegelzinken wird bequem hydraulisch eingestellt.
Zukünftig werden optional Zinken mit Hartmetall zum Einsatz kommen, um Standzeiten und Einsatzsicherheit auf das höchste Niveau zu trimmen.

Denken Sie, dass chemische Pflanzenschutzmittel irgendwann komplett ersetzbar sein werden?
Michael Horsch:
Auf lange Sicht glaube ich nicht, dass wir chemische Pflanzenschutzmittel komplett ersetzen können. Wie bereits erwähnt, sehe ich die beste Möglichkeit darin, wenn wir die Ansätze der ökologischen und der konventionellen Landwirtschaft zusammenbringen.
Im Moment müssen wir davon ausgehen, dass in naher Zukunft in Westeuropa Glyphosat verboten werden wird. Frankreich und Österreich gehen dabei bereits voraus. Der immer größer werdende Druck auf die Europapolitik in Brüssel wird am Ende dazu führen, dass auch auf uns in Deutschland ein Verbot zukommen wird. Die Partei Bündnis 90/Die Grünen können wir momentan nicht davon überzeugen, dass ein weiterer Einsatz von Glyphosat noch Sinn macht. Ich kann mir aber vorstellen, dass dies anders aussieht, wenn sie politisch mehr Macht besitzen würden.
Jedoch müssen wir uns im konventionellen Bereich der Landwirtschaft immer mehr damit beschäftigen, wie wir auch ohne Glyphosat zurechtkommen könnten. In erster Linie bedeutet das einen erhöhten Einsatz von Maschinen, die in den Boden eingreifen. Es entsteht dadurch allerdings ein Zielkonflikt. Mehr mechanische Bodenbearbeitung auf der einen Seite bedeutet auf der anderen Seite, dass es immer schwieriger wird, Humus im Boden aufzubauen.

Wie waren denn die ersten Praxiserfahrungen mit den Maschinen Transformer (Hacke), Cura (Striegel) und Finer (Feingrubber)?
Michael Horsch:
Wir befassen uns mit der mechanischen Bestandespflege schon seit mehreren Jahren. Die Hacke HORSCH Transformer, der Striegel HORSCH Cura und der Feingrubber HORSCH Finer sind aber trotzdem noch relativ neue Maschinen, die sich zwar in der Praxis bereits bewährt haben, aber noch nicht in großer Stückzahl gelaufen sind.

Praktikermeinungen

Finer 8 SL
Der HORSCH Finer 8 SL wurde bei uns sowohl im Frühjahr als auch zur Stoppel- und Saatbettbereitung im Sommer/Herbst genutzt. Der erste Einsatz zum flachen Abschneiden und Austrocknen der Zwischenfrucht zur Maisaussaat hat sehr gut funktioniert. Die Schare können flach auf einer Tiefe von 3 bis 4 cm ganzflächig schneiden und zwei Aufgaben erfüllen: Zum einen werden noch grüne Zwischenfrüchte, Ausfallgetreide, Unkräuter etc. abgeschnitten und zum anderen wird bereits in diesem Arbeitsgang ein feinkrümeliges Saatbett bereitet. Der Striegel am Finer SL zieht außerdem Aufwuchs an die Oberfläche, um diesen auszutrocknen.
Zusätzlich haben wir mit dem Finer Flächen für die Sommeraussaat vorbereitet. Die Grundbodenbearbeitung läuft bei uns im Betrieb mit einem Terrano FM. Im Anschluss dazu haben wir aufgelaufene Begleitpflanzen mechanisch bekämpft, indem wir flach durchgearbeitet haben. Dabei zeigte sich wieder der gute Krümelungseffekt der Werkzeuge, was ein echter Vorteil für die Aussaatvorbereitung ist. Die flache Bearbeitung ist kostengünstig, wassersparend und reduziert den Humusabbau.
Die Verstellung des Scharwinkels haben wir einmal für unseren Standort eingestellt und konnten dann sehr gut arbeiten. Arbeitsgeschwindigkeiten von 10 bis 15 km/h sind problemlos möglich.

Ist es ihrer Meinung nach sinnvoll, Getreide mit einem Reihenabstand von 25 cm zu hacken?
Michael Horsch:
Wir stellen immer wieder fest, dass Betriebe mit einem hohen Getreideanteil im Ökobereich irgendwann an einen Punkt kommen, an dem allein der Striegel nicht mehr ausreicht. Es kommt daher immer mehr die Diskussion auf, warum wir den Reihenabstand nicht verbreitern. Bei einem Reihenabstand von 15 cm ist zwar auch eine Hacke einsetzbar, aber die Fahrgeschwindigkeit ist äußerst begrenzt.
Bei einem Reihenabstand von 25 cm im Getreideanbau ist es möglich, mit einer Geschwindigkeit von bis zu 15 km/h schnell zu fahren. Aus diesem Grund wird auch im Ökobereich die Nachfrage nach breiteren Reihen ansteigen, um nicht nur mit dem Striegel, sondern auch mit der Hacke durchzufahren. Das passt auch gut zum konventionellen Ackerbau, wenn Probleme mit Herbizid-Resistenzen vorhanden sind.

Inwiefern kann der HORSCH Finer als ein Ersatz für Glyphosat gesehen werden?
Michael Horsch:
Der Finer ist in der Lage, in vorgelockerten Böden in einer Tiefe von 2 bis 5 cm sauber durchzuschneiden. Die Pflanzenreste verbleiben an der Oberfläche und vertrocknen. Er ist sehr leicht und dadurch auch bis zu einer Arbeitsbreite von 12 m im 3-Punkt-Anbau verfügbar. Außerdem ist er mit einem nach vorne gedrehten Federzinken ausgestattet. Das Problem des normalen Federzinken ist es, dass der optimale Schnittwinkel sich laufend verändert. Indem wir den Federzinken bewusst nach vorne gedreht haben, lösen wir das Problem. Ein sauberes Durchschneiden der Bodenoberfläche wird dadurch gewährleistet.

Was sind aus ihrer Sicht die wichtigsten Vorteile des Striegels HORSCH Cura?
Michael Horsch:
Der Striegel HORSCH Cura verfügt über eine stufenlose Federverstellung von 500 g bis 5000 g. Er eignet sich dadurch für alle Bodenbedingungen. Mit dem Cura kann je nach Einstellung der Feder auch sehr aggressiv gestriegelt werden. Stabilität war uns dabei sehr wichtig. Es ist uns gelungen, den Cura mit einer extrem stabilen Bauweise auszustatten. Ab nächstem Jahr wird es ihn bis 12 m Arbeitsbreite geben. Wichtig ist hierbei, dass der HORSCH Cura ohne Elektronik auskommt.

Wie wird es in Zukunft mit der mechanischen Bestandespflege weitergehen? Gibt es schon Pläne für weitere Maschinen in diesem Bereich?
Michael Horsch:
Der immer größere werdende Biobereich ist das Sprungbrett in Richtung Hybrid-Landwirtschaft. Ein Teil der Verbraucher wird höhere Lebensmittelpreise akzeptieren und ein anderer Teil nicht. Wie groß die einzelnen Bereiche sein werden, wissen wir heute noch nicht.
An neuen Maschinen arbeiten wir kontinuierlich. Ich bin der Meinung, dass sich mittelfristig die Autonomie auch im Bereich des Hackens und des Striegelns integrieren lässt. Ich denke da an Robotertechnik, die selbstständig eine Bestandespflege durchführt.

Praktikermeinungen

Transformer 12 VF
In diesem Frühjahr wurde bei uns im Betrieb ein Prototyp des neuen HORSCH Transformer 12 VF eingesetzt. Neben Mais haben wir hauptsächlich Sojabohnen und Sorghum gehackt. Der Transformer war auf insgesamt 475 Hektar im Einsatz. Ziel ist es, ohne Herbizide auszukommen. Das Hacken in zu nassen oder zu feuchten Perioden, in denen das Unkraut sehr schnell wächst, ist meist schwierig. Hohe Schlagkraft und vor allem Einsatzsicherheit sind daher sehr wichtig, um bei trockenen Bedingungen das Zeitfenster zum Hacken schnell und effektiv nutzen zu können. In dieser Hinsicht konnten wir erste gute Erfahrungen mit dem Transformer 12 VF machen, der mit 50 cm Reihenabstand, SectionControl für jede Reihe und Reihenführungskamera ausgerüstet war. Der Seitenverschieberahmen mit Kamera arbeitet sehr genau, was ein Hacken dicht an der Reihe zulässt.
Bei den Scharen haben wir schnell gelernt, dass die Schärfe und ein flacher Anstellwinkel für ein optimales Arbeitsergebnis unerlässlich sind.
Als Zusatzwerkzeuge kamen Fingerhacken zum Einsatz, die einen Eingriff in die Reihe ermöglichen und Unkraut und Ungras aus der Reihe nehmen.
Beim Hacken in Soja hat es sich als vorteilhaft erwiesen, die Reihen so anzuhäufen, dass die Pflanze sozusagen höher steht. Dadurch werden Ernteverluste deutlich reduziert. Das Ergebnis war ein sauberer Bestand und der Ertrag bei Soja liegt bisher bei durchschnittlich 4 t/ha.
Für die Zukunft könnten wir uns weitere Ausrüstungsoptionen für den Transformer vorstellen, z. B. eine Spritze für die Blattdüngung.